[Blog] Missbrauch von Vorratsdaten in der EU (22.01.2012) |
Bürgerrechtler und Datenschützer bemängeln, dass Missbrauchsfälle von staatlicher Seite keinen Eingang in die Bewertung der Vorratsdatenspeicherung im Rahmen der Evaluierung der Richtlinie finden. Dem Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung liegen zahlreiche Beispiele für akuten Missbrauch vor. Bürgerrechtsorganisationen sehen strukturelle Ursachen für die Vernachlässigung der Missbrauchsfälle durch Kommission und Bundesregierung. Einige exemplarische Beispiele aus EU-Mitgliedstaaten:
Polen: Die Affäre um den Militärstaatsanwalt Mikolaj Przybyl, der sich kürzlich versuchte aufgrund seiner Verstrickungen in die Ausforschung investigativ arbeitender Journalisten das Leben zu nehmen, ist nicht der erste Fall von Missbrauch der polnischen Vorratsdaten. Bereits 2010 prangerten polnische Bürgerrechtsorganisationen Missbrauch an: In einem Korruptionsfall recherchierende Journalisten wurden ausgespäht. Bei einer Anhörung im Brüssel im Dezember 2010 zeigten sich Vertreter der Kommission überrascht über den Missbrauchsfall. Man habe die Länder aufgefordert Missbrauch zu melden, gaben Vertreter der EU-Kommission bekannt. Doch dieser Bitte sind die in den Missbrauch verwickelten Regierungen nicht nachgekommen. "Durch die Vorratsdatenspeicherung sind auf vertrauliche Kommunikation angewiesene Berufsgruppen wie Journalisten, Rechtsanwälte und Seelsorger besonders gefährdet", kritisiert Katarzyna Szymielewicz von der polnischen Bürgerrechtsorganisation Panoptykon. "Die Missbrauchsfälle zeigen: Vorratsdatenspeicherung untergräbt die Pressfreiheit und den Quellenschutz." [1] Frankreich: In Frankreich wurden im Dezember 2011 im Fall Bettencourt recherchierenden Journalisten von Polizei und Geheimdiensten unter Verwendung der Verbindungsdaten ausspioniert. Politiker wollten unliebsame Berichterstattung über Korruption in den Reihen von Amtsinhabern verhindern. Die European Digital Rights Initiative (EDRi), ein Dachverband europäische Datenschutz- und Bürgerrechtsorganisationen, zeigt sich über die Entwicklung besorgt.[2] Tschechische Republik: In der Tschechischen Republik verschaffte sich ein Polizeibeamter im Juni 2011 Zugang zu den Verbindungsdaten von über 40 Personen. Unter den Opfern waren auch enge Mitarbeiter des Präsidenten Václav Klaus sowie der Vorsitzende des Verfassungsgerichtshofs Pavel Rychetský. Selbst die Tatsache, dass ein Richter den Zugriff auf die Daten genehmigen musste, konnte den Missbrauch nicht verhindern.[3] Irland: Der Missbrauch von Vorratsdaten für die Überwachung eines Ex-Freundes durch eine irische Polizeibeamtin im Jahr 2010 hat bis zum heutigen Tag zu keinerlei strafrechtlich relevanten Sanktionen geführt. Dies verdeutlicht, dass Kontrollmechanismen nicht nur versagt haben, sondern auch dass Missbrauch auch wenn er denn aufgedeckt wird, nicht ausreichend geahndet wird. Die Täterin war auch nach Aufdeckung der Tat weiterhin in Bereichen tätig, in denen sie auf sensible Verbindungsdaten zugreifen konnte. Europäische Datenschützer und Bürgerrechtler zeigten sich empört.[4] Niederlande: 2009 wurden ein niederländischer Enthüllungsjournalist, ein niederländischer Sicherheitsexperte sowie sechs Freunde des Journalisten aufgrund von investigativen Recherchen zu Sicherheitslücken im E-Mail-Zugang des niederländischen Verteidigungsministers Opfer von Missbrauch ihrer Verbindungsdaten durch die Strafverfolgungsbehörden. Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung kritisiert den einschüchternden Effekt derartiger Eingriffe auf die Pressefreiheit.[5] Anstatt die offensichtlichen Missbrauchsfälle in den Mitgliedsstaaten systematisch zu untersuchen, schweigen sich die Vertreter von Bundesregierung und EU-Kommission zu den Fällen aus. Das vor kurzem geleakte geheime Dokument der EU-Kommission zur Evaluierung der EU-Richtlinie belegt diese ignorierende Haltung deutlich.[6] Verweise:
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