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Vertragsverletzungsverfahren bei der Vorratsdatenspeicherung künstlich hochgespielt (11.05.2012) Drucken E-Mail

Dem Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung wurde die Antwort auf eine kleine Anfrage der Fraktion Die Linke zugespielt, aus der hervorgeht, dass das Drohszenario eines Vertragsverletzungsverfahrens übertrieben ist.[1] EU-weit sind rund 1590 Vertragsverletzungsverfahren anhängig. Auf Deutschland entfallen 68 laufende Vertragsverletzungsverfahren, davon 22 wegen fehlender oder mangelhafter Umsetzung von Richtlinien in deutsches Recht. Trotz dieser zahlreichen, größtenteils langjährigen Rechtsstreitigkeiten wurde noch nie eine Geldstrafe gegen die Bundesrepublik Deutschland verhängt. Während bei der Vorratsdatenspeicherung politischer Druck durch Teile der Bundesregierung und die EU-Kommission ausgeübt wird, schweigen die Beteiligten bei den 67 anderen Verfahren. Ute Elisabeth Gabelmann vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung kritisiert diese Umsetzungspraxis: "Es ist bedenklich, dass eine Richtlinie, die unbestritten zu massiven Grundrechtseingriffen führt, mit viel politischem Druck durchgebracht werden soll, während die 67 anderen laufenden Verfahren ausgeblendet werden."

Gemäß dem EU-Recht kann die Bundesregierung Anträge auf eine Ausnahmeregelung bezüglich der Umsetzung in nationales Recht stellen. "Die Bundesregierung hat bewusst die Entscheidung getroffen, dies im Falle der Vorratsdatenspeicherung zu unterlassen", sagt Kai-Uwe Steffens vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung. "Während dieses Werkzeug gegen die EU-Spielzeugrichtlinie angewendet wird, lässt die Bundesregierung eine zweifellos grundrechtsschädigende Richtlinie unangetastet - für Bürgerrechtler ist das ein Trauerspiel."

Die Entscheidung darüber, wie sich ein Vertragsverletzungsverfahren entwickelt, hängt wesentlich von der EU-Kommission ab. "Es ist in erster Linie eine politische Entscheidung, gegen wen und wann tatsächlich Strafzahlungen eingeleitet werden," so Steffens weiter. "Sowohl die EU-Kommission als auch Teile der Bundesregierung treiben offenbar die Durchführung des Vertragsverletzungsverfahrens voran, um ihre politischen Interessen durchzusetzen und die Vorratsdatenspeicherung einzuführen."

Da es noch nie zu einer Verweigerung einer Strafzahlung durch einen Mitgliedsstaat gekommen ist, wurde die Frage, was in einem solchen Fall geschieht, noch nicht abschließend juristisch geklärt. Inwiefern die Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung mit der europäischen Grundrechtecharta vereinbar ist, wurde ebenfalls noch nicht entschieden. Der irische High Court hat eine Klage der irischen Bürgerrechtsorganisation Digital Rights Ireland an den Europäischen Gerichtshof verwiesen. Falls die Richtlinie dort zu Fall gebracht wird, könnte Deutschland bisher gezahlte Strafzahlungen unter Umständen sogar erstattet bekommen. Dieses denkbare Szenario wurde von europäischen Gesetzgeber weder bedacht noch geklärt. Ein solcher Fall wäre richtungsweisend für das EU-Recht und die Umsetzung grundrechtsproblematischer Richtlinien.

Es ist zudem wahrscheinlich, dass die Kosten der Umsetzung der Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung die Höhe der Strafzahlungen bei weitem übersteigen würden. Das Schreiben bezieht sich dabei auf eine Schätzung des Branchenverbandes eco, der die Höhe der Kosten auf Basis der Erfahrungen der letzten Umsetzung der Vorratsdatenspeicherung auf rund 330 Millionen Euro schätzt. Die Bundesregierung kann nicht ausschließen, dass diese Kosten auf die Kunden umgelegt werden.[2]

Verweise:

 
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