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Zypries treibt verfassungswidrige Vorratsdatenspeicherung voran (08.11.2006) Drucken E-Mail
 Mit dem am Mittwoch vorgestellten Gesetzentwurf zur Reform der Telekommunikationsüberwachung will Bundesjustizministerin Brigitte Zypries die langfristige Protokollierung von Telefon-, Handy-, Email- und Internetdaten durchsetzen, obwohl anhängige Gerichtsverfahren voraussichtlich deren Verfassungswidrigkeit ergeben werden. "Damit nimmt Frau Zypries einen Verfassungsbruch bewusst in Kauf", protestiert der Jurist Patrick Breyer vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung.

Das Bundesverfassungsgericht hat bereits entschieden, dass ein systematisches Ansammeln sensibler Daten ohne konkreten Verdacht verfassungswidrig ist (Az. 1 BvR 330/96, 1 BvR 518/02). Aktuell liegt dem Bundesverfassungsgericht eine Verfassungsbeschwerde gegen die Vorratsspeicherung von Telekommunikationsdaten vor (Az. 1 BvR 1299/05). Zweitens wird zurzeit gegen die Europäische Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung geklagt (Az. C-301/06). Rechtsexperten erwarten, dass der Europäische Gerichtshof nach der Entscheidung zur Fluggastdatenübermittlung auch die Vorratsdatenspeicherung kippen wird. "Im Hinblick auf die anhängigen Gerichtsverfahren wäre es ein Gebot der Vernunft, die geplante Vorratsdatenspeicherung zumindest bis zum Abschluss dieser Verfahren auszusetzen. Andernfalls erwartet die Politik bei der Vorratsdatenspeicherung das gleiche Waterloo wie beim Europäischen Haftbefehl und beim Luftsicherheitsgesetz", so Breyer.

Obwohl selbst ein wissenschaftliches Gutachten des Bundestags die Zulässigkeit der geplanten Totalprotokollierung der Telekommunikation bezweifelt, treibt die heimliche Innenministerin ihr Lieblingsprojekt unbeirrt voran. Bei der Präsentation des Gesetzentwurfs am heutigen Tage schreckte Frau Zypries auch vor falschen Behauptungen nicht zurück:

a) Falsch ist, die Vorratsdatenspeicherung würde auf dem "niedrigsten Level" umgesetzt. Richtig ist, dass jeder Verdacht einer am Telefon oder im Internet begangenen Straftat eine Datenabfrage rechtfertigen soll, obwohl die EG-Richtlinie einen Zugriff nur bei schweren Straftaten vorsieht. Frau Zypries will hier offenbar nicht Terrorismus, sondern telefonische Beleidigungen und ähnliche Bagatellvergehen aufklären.

b) Falsch ist, die vorgesehene Datensammelei würde zu 98% schon heute so praktiziert. Richtig ist, dass heute nur Abrechnungsdaten gespeichert werden dürfen und auch diese auf Wunsch monatlich gelöscht werden - anstatt erst nach einem halben Jahr wie von Frau Zypries geplant. Die meisten der Daten auf der Wunschliste der Ministerin sind keine Abrechnungsdaten und dürfen bislang überhaupt nicht gespeichert werden, etwa Positionsdaten von Handys, Emaildaten und Internetdaten.

Verschiedene Bürgerrechtsgruppen koordinieren derzeit bundesweit ihren Widerstand gegen dieses Überwachungsprojekt. "Wir werden uns diese obrigkeitsstaatliche Frechheit, alle Bürger unter Generalverdacht zu stellen, nicht gefallen lassen", sagte Ralf Bendrath vom Netzwerk Neue Medien. Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung bereitet eine Sammel-Verfassungsbeschwerde vor für den Fall, dass das Gesetz in Kraft tritt. Auf einem speziellen Internet-Portal (http://briefe.gegen.daten.speicherung.eu) können besorgte Bürger darüber hinaus ihren Protest an alle Abgeordneten der Großen Koalition schicken. Die Humanistische Union bereitet ebenfalls eine Verfassungsklage vor und will sich juristisch dagegen zur Wehr setzen, dass die verdachtslos protokollierten Daten in Strafverfahren als Beweis herangezogen werden.

"Angesichts der derzeitigen Handlungsweisen der Justizministerin und ihrer Ignoranz gegenüber den Bemühungen und rechtlichen Siegen der Bürgerrechtler wie dem BGH-Urteil zu T-Online lassen mir Gerüchte, Frau Zypries sei als mögliche Richterin am Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe im Gespräch, die Haare zu Berge stehen", kommentiert Twister (Bettina Winsemann) von der Bürgerrechtsorganisation STOP1984.

 
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