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Protest gegen siebentägige Vorratsspeicherung von T-Online, Congster und 1&1 (10.03.2007) Print E-mail

Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung kritisiert in einem Offenen Brief an den Bundesdatenschutzbeauftragten Peter Schaar, dass dieser die siebentägige Vorratsspeicherung von Nutzungsdaten durch Internet-Zugangsanbieter genehmigt hat. Der Arbeitskreis warnt, mithilfe der gespeicherten Daten könne das Nutzungsverhalten sämtlicher Internetnutzer minuziös nachvollzogen werden.

Die T-Com, ein Unternehmen der Deutschen Telekom AG und technischer Dienstleister der Internet-Zugangsanbieter T-Online, Congster und 1&1, hat im Februar mit dem Segen Schaars angekündigt, die von ihren Kunden genutzten Internetkennungen (IP-Adressen) künftig sieben statt 80 Tage lang auf Vorrat zu speichern. Letztes Jahr ist die Deutsche Telekom AG aber gerichtlich zur Datenlöschung sofort nach Verbindungsende verurteilt worden.

Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung empfiehlt Kunden von T-Online, Congster und 1&1, zu einem Internet-Zugangsanbieter zu wechseln, der sich an die rechtlichen Vorgaben hält und keine IP-Adressen verdachtslos auf Vorrat speichert. Eine Liste datenschutzkonformer Wettbewerber, die oft auch preisgünstiger sind, findet sich im Internet

Der Offene Brief des Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung vom 10.03.2007 im Wortlaut:


Sehr geehrter Herr Schaar,

mit großem Erstaunen und einigem Entsetzen haben wir zur Kenntnis genommen, dass Sie die generelle Speicherung von IP-Adressen über das Ende der jeweiligen Verbindung hinaus für die Dauer von sieben Tagen akzeptieren und für rechtskonform halten. Konkret behaupten Sie, die pauschale Speicherung der Internet-Verbindungsdaten von Privat-, Firmen- und institutionellen Kunden, also auch von Berufsgeheimnisträgern wie Journalisten, Seelsorgern und Anwälten, sei "zur Missbrauchseingrenzung" und zum Schutz "gegen unerlaubte Zugriffe beziehungsweise äußere Angriffe" statthaft.

Diese Aussage steht in klarem Widerspruch zur Entscheidung des Landgerichts Darmstadt vom 07.12.2005 (Az. 25 S 118/2005), die mit der Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 26.10.2006 (Az. III ZR 40/06) rechtskräftig geworden ist. Danach ist eine pauschale Speicherung von Verbindungsdaten einzig und allein zum Zwecke der Abrechnung erlaubt. Bei "Flatrate"-Kunden sind Verbindungsdaten nie zur Abrechnung erforderlich. Nur im Einzelfall darf der Zugangsanbieter die Verbindungsdaten zur Eigensicherung speichern.

Eine siebentägige generelle Vorratsspeicherung von IP-Adressen ermöglicht es in Verbindung mit Server-Protokolldateien, das Nutzungsverhalten sämtlicher Internetnutzer minuziös nachzuvollziehen. Vergleichbares ist außerhalb des Internet überhaupt nicht möglich. Eine siebentägige Vorratsspeicherung bedeutet, dass etwa staatskritische Meinungsäußerungen oder die Übersendung staatsbezogener Informationen an die Presse stets nur unter der Gefahr anschließender staatlicher Repressalien erfolgen kann. Vor allem betrifft eine (auch siebentägige) Vorratsspeicherung zu über 99% Personen, die zu einer Protokollierung ihres Informations- und Kommunikationsverhaltens keinerlei Anlass gegeben haben. Eine anlassbezogene Speicherung im Einzelfall ist zur Missbraucheingrenzung und für die anderen angeführten Zwecke völlig ausreichend, es besteht keine Notwendigkeit einer pauschalen Datenspeicherung.

Wir schätzen Ihre Arbeit als Bundesbeauftragter für den Datenschutz sehr und haben großen Respekt davor. Im Hinblick auf die große Verantwortung, die Sie als Bundesdatenschutzbeauftragter tragen, appellieren wir an Sie, jeder verdachtsunabhängigen Speicherung von Kommunikations- und Verbindungsdaten, die der grundgesetzlich geschützten Sphäre privater Lebensführung zuzurechnen sind, unabhängig von der Dauer der Speicherung entschieden entgegen zu treten.

Mit freundlichen Grüßen,
Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung


Weitere Informationen: 



Antwort des Bundesdatenschutzbeauftragten vom 16.03.2007:

Sehr geehrte Damen und Herren,

in Ihrem an mich gerichteten Offenen Brief vom 10. März 2007 wenden Sie sich – unter Berufung auf das inzwischen rechtskräftige Urteil des Landgerichts  Darmstadt  vom 25.01.2006 – gegen die geänderte Praxis von T-Online im Hinblick auf die Speicherung der dynamische IP-Adressen. Sie sehen auch diese Praxis als nicht durch die einschlägigen Rechtsvorschriften gedeckt an.

Diese Auffassung teile ich nicht. Bei der zitierten Entscheidung hat sich das  LG Darmstadt damit auseinandergesetzt, ob die Praxis von T-Online, auch bei vereinbarter Flatrate die Verkehrsdaten der Kunden erst nach rund 80 Tagen zu löschen, mit  § 96 Abs. 2 Telekommunikationsgesetz (TKG) vereinbar war. Nach dieser Rechtsvorschrift dürfen Verkehrsdaten (u.a.) über das Ende der Verbindung hinaus nur für Abrechungszwecke und für die Behebung von Störungen gespeichert werden. Im übrigen sind die Verkehrsdaten unverzüglich zu löschen. Das Gericht hat - unter Bezugnahme auf eine von mir formulierte entsprechende Stellungnahme - festgestellt, dass die 80tägige Speicherfrist mit dieser gesetzlichen Vorgabe nicht zu vereinbaren war.

Die gesetzliche Vorgabe, dass die Daten grundsätzlich „unverzüglich“ zu löschen sind, ist sowohl im Hinblick auf die im Gesetz genannten Rechtfertigungszwecke (Abrechnung und Störungsbeseitigung) als auch hinsichtlich der betrieblichen Abläufe der Provider zu interpretieren. Dies bedeutet zum einen, dass die Daten, für die eine Flatrate vereinbart wurde, von den sonstigen Daten zu trennen sind. Zum anderen müssen ggf. Störungen und Missbrauchsfälle erkannt und eingegrenzt werden.

Für sog. Flatrates, für die keine nutzungsabhängigen Entgelte anfallen, ist die IP-Adresse weder für die Entgeltermittlung noch für die Entgeltabrechung erforderlich.
Die von vielen TK-Unternehmen erhobenen sog. Rohdaten enthalten allerdings sämtliche Daten sowohl der Kunden mit volumen- oder zeitbasiertem Tarif wie auch derjenigen, die eine sog. Flatrate vereinbart haben. Aus diesen Datenbeständen werden die für die Abrechnung erforderlichen Daten gewonnen. Dies erfolgt in regelmäßigen Intervallen und erfordert in der Praxis einige Tage. Diese Prozesse müssen bei der Interpretation der Anforderung, die Daten „unverzüglich“ zu löschen, einbezogen werden.

Zum Schutz des Anbieters und der Internet-Nutzer vor Angriffen gegen die Telekommunikationsanlage hält T-Online die Verwendung von rechtmäßig erhobenen und gespeicherten Verkehrsdaten für unabdingbar (§ 100 i.V.m. § 109 TKG). Dabei geht es in erster Linie um den Schutz der Netzinfrastrukturen, aber auch um den Schutz der Nutzer vor Schadsoftware und betrügerischer Inanspruchnahme ihrer Zugangsberechtigungen. Beispielsweise sind nicht oder nicht ausreichend geschützte Computer, die von Trojanern „gekapert“ wurden und ohne Wissen des rechtmäßigen Nutzers unter dessen Berechtigungskennung Spams und/oder Viren an andere Nutzer versenden oder die eine DOS (Denial of Service) Attacke durchführen, nur über die IP-Adresse zu identifizieren. Insofern halte ich es für vertretbar, dass die Verkehrsdaten zu Prüfzwecken innerhalb eines kurzen, angemessenen Zeitraums für die genannten Zwecke genutzt und anschließend gelöscht werden. Ich halte deshalb die neue Praxis von T-Online für rechtskonform und sehe keine Notwendigkeit für eine datenschutzrechtliche Beanstandung.

Datenschutzpolitisch halte ich es für einen Erfolg, dass erreicht werden konnte, die Speicherungsdauer von zunächst 80 Tagen auf 7 Tage zu verringern. Die Kritik, es handele sich dabei um eine „Vorratsspeicherung“ mit der Konsequenz, dass „staatskritische Äußerungen“ durch „Repressalien“ verfolgt werden könnten, halte ich aus den genannten Gründen für abwegig. Eine derartige pauschale Sichtweise desavouiert letztlich diejenigen, die sich mit guten Gründen gegen die pauschale Verpflichtung für die Provider wenden, zukünftig Verkehrsdaten der Telekommunikation für mindestens sechs Monate bis zu zwei Jahren für Zwecke der Strafverfolgung auf Vorrat zu speichern.

Da Sie Ihren Brief veröffentlicht haben, erlaube ich mir, auch diese Antwort der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen.

Mit freundlichen Grüßen

Peter Schaar

 
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