Zypries hält Klage gegen Vorratsdatenspeicherung geheim (09.10.2007) |
Das Bundesjustizministerium hat die Herausgabe einer Klageschrift
gegen die EG-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung verweigert.
Bürgerrechtler werten dies als Ausdruck einer zunehmenden Nervosität
der Bundesregierung und der zuständigen Ministerin Brigitte Zypries in
Bezug auf eine laufende Nichtigkeitsklage gegen die Richtlinie. Der im März 2006 beschlossenen EG-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung zufolge soll künftig gespeichert werden, wer mit wem in den letzten sechs Monaten per Telefon, Handy oder E-Mail in Verbindung gestanden hat. Nachdem der Europäische Gerichtshof (EuGH) im Mai 2006 die Fluggastdatenübermittlung in die USA für unzulässig erklärte, weil die Europäische Gemeinschaft für die innere Sicherheit nicht zuständig sei, hat Irland im Juni 2006 Nichtigkeitsklage gegen die Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung eingereicht. Diese Richtlinie soll ebenfalls einer verbesserten Strafverfolgung dienen. Die Entscheidung des EuGH wird in wenigen Monaten erwartet. Unter Berufung auf das Informationsfreiheitsgesetz hat der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung, ein bundesweiter Zusammenschluss von Bürgerrechtlern, Datenschützern und Internet-Nutzern, vom Bundesjustizministerium die Herausgabe der Klageschrift Irlands gegen die Richtlinie beantragt. Das Dokument soll die Einschätzung vieler Rechtsexperten untermauern, dass die Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung nichtig ist und deswegen in Deutschland nicht umgesetzt werden darf. Die Koalition arbeitet derzeit an dem Gesetz, das die Vorratsdatenspeicherung in Deutschland einführen würde. Das Justizministerium hat die Anträge auf Herausgabe der Klageschrift nun mit der Begründung abgelehnt, eine Offenlegung könne dem laufenden Gerichtsverfahren schaden und die "Integrität" des Verfahrens gefährden. "Vom Wissenschaftlichen Dienst des Bundestags über die Generalanwältin am Europäischen Gerichtshof bis zum Deutschen Anwaltverein - Rechtsexperten rechnen durchweg damit, dass die Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung schon in wenigen Monaten in Luxemburg für nichtig erklärt wird", erklärt Patrick Breyer vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung. "Drückt die Koalition noch kurz vorher eine Totalprotokollierung der Telekommunikation in Deutschland durch, verletzt sie nicht nur die Grundrechte von 80 Millionen Bürgerinnen und Bürgern, sondern verursacht auch vergebliche Millionen- bis Milliardenkosten für Wirtschaft und Verbraucher. SPD und Union sollten endlich einsehen, dass alle Signale auf rot stehen und ein 'weiter wie bisher' unweigerlich dazu führen würde, dass ein verfassungswidriges Gesetz eine nichtige EU-Richtlinie umsetzt. Das ist den Bürgern nicht zu mehr vermitteln", ergänzt Ralf Bendrath vom Netzwerk Neue Medien. In Deutschland laufen Datenschützer gemeinsam mit Journalisten-, Wirtschafts- und Berufsverbänden seit Monaten Sturm gegen die Pläne der großen Koalition, die Kommunikationsdatenerfassung noch dieses Jahr umzusetzen. "Eine derart weitreichende Registrierung des Verhaltens der Menschen in Deutschland halten wir für inakzeptabel", heißt es in einer gemeinsamen Erklärung vom Januar. 45 Verbände aus allen Bereichen der Gesellschaft fordern inzwischen, die Pläne zumindest bis zur anstehenden Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs auf Eis zu legen. Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung hat schon mehr als 6.000 Vollmachten für eine Verfassungsbeschwerde gegen das geplante Gesetz gesammelt. Ende September haben in Berlin 15.000 Menschen gegen die Vorratsdatenspeicherung und andere Überwachungsvorhaben demonstriert. Letzte Woche wurde ein Urteil bekannt, welches dem Bundesjustizministerium eine "Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung" attestiert, weil das Ministerium Kommunikationsdaten der Besucher seines Internetportals auf Vorrat gespeichert hatte. Der Bescheid des Bundesjustizministeriums im Wortlaut: Gemeinsame Erklärung der Verbände zur Vorratsdatenspeicherung: Pressekontakte: |
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