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Rede „Alternative Sicherheitspolitik“ auf der Demonstration „Freiheit statt Angst“ am 22.09. Print E-mail

Zum Abschluss dieser Demonstration möchte ich noch einmal sprechen nicht über die Gefahr, die von der Sicherheitspolitik für unsere Grundrechte ausgeht, sondern über Sicherheit selbst. Denn die Argumentation der Sicherheitspolitiker lautet ja, wie bräuchten diese Gesetze, um unsere Sicherheit zu garantieren. Aber schon die Grundannahme, dass mehr Macht für die Behörden, für die Polizei auch mehr Sicherheit bedeutet, ist falsch. Wir brauchen uns doch nur anzusehen die USA und Großbritannien zum Beispiel. Dort haben die Behörden mehr Macht, dort wird mehr überwacht, und trotzdem ist es unsicherer, die Kriminalitätsquote ist höher. Es gab in den USA einmal eine Vergleichsuntersuchung, die genau untersucht hat für jeden Staat, welche Befugnisse haben die Polizei und die Strafverfolger, und wie hoch ist die Kriminalitätsquote. Der Zusammenhang ist 0, das heißt, es ist überhaupt nicht nachzuweisen, dass diese Machtbefugnisse, diese Sicherheitsgesetze irgend eine Auswirkung auf das Sicherheitsniveau haben.

Richtig ist das Gegenteil: Exzessive Maßnahmen provozieren Widerstand, wie etwa im Vorfeld und während des G8-Gipfels. Demütigungen etwa von Muslimen provozieren Vergeltungsanschläge. Kriegseinsätze gegen den Willen der betroffenen Bevölkerung fördern internationalen Terrorismus. Das ist doch keine Sicherheitspolitik!

In einem Rechtsstaat ist die Sicherheit gut aufgehoben. Anders als die Politiker immer wieder suggerieren, braucht sich der Rechtsstaat bezüglich der Sicherheit seiner Bürger nicht zu verstecken vor dem Polizei- und Präventionsstaat. Im Gegenteil: Der freiheitliche Rechtsstaat gewährleistet unsere Sicherheit besser, weil er auf exzessive Maßnahmen verzichtet, weil er Andersdenkenden Luft zum Atmen lässt, weil er Unschuldige schützt, statt sie rein vorsorglich in Haft zu nehmen.

Wie ist es denn bestellt mit der Sicherheit im totalitären China, wo die Polizei alles darf, oder in den USA mit Guantanamo, wo man hofft, Erkenntnisse im Terrorismus erfoltern zu können, oder in Großbritannien, wo man 200mal am Tag von Kameras gefilmt wird – ist es dort sicherer als in Deutschland mit Grundrechten und Bundesverfassungsgericht? Es ist unsicherer dort, die Kriminalitätsrate ist höher, und das zeigt: Ein Sicherheitsstaat schafft Unsicherheit!

Wirklich effektive Maßnahmen zum Schutz vor Kriminalität sind doch ganz andere: Man müsste gezielt Kriminalprävention betreiben, mit Menschen arbeiten, die kriminalitätsgefährdet sind oder schon Straftaten begangen haben, in Stadtteilen, in Gefängnissen, wo Menschen kriminell werden können wegen der Bedingungen. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass das wirklich die Rückfallwahrscheinlichkeit senkt und unsere Sicherheit erhöht.

Was aber macht unsere Regierung? Sie investiert Millionen Steuergelder in Überwachungstechnik, in biometrische Pässe, in Vorratsdatenspeicherung, in Videoüberwachung, und kürzt gleichzeitig seit Jahren die Mittel für gezielte Präventionsarbeit, und es gibt immer weniger Polizisten – das ist doch keine Sicherheitspolitik!

Wer wirklich Menschenleben retten will, wie es sich unser Bundesinnenminister immer auf die Fahnen schreibt, der müsste sich doch ansehen den Straßenverkehr, den Tabakkonsum, den Alkoholkonsum, die Fehlernäherung. Das sind Bereiche, in denen Krankheit und Tod sehr leicht vermieden und reduziert werden könnten, und hier tut die Politik sehr wenig zum Profit der Industrie. Das ist verlogen!

Wir brauchen deswegen eine alternative Sicherheitspolitik, die mehr Sicherheit gewährleistet bei weniger Überwachung. Wir müssen auf gezielte Präventionsprojekte setzen, meinetwegen auch auf mehr Polizei, das schadet zumindest unseren Grundrechten nicht. Und was die herrschende Sicherheitspolitik überhaupt nicht anpackt, das ist die subjektive Sicherheit, das Sicherheitsgefühl. Da müsste man Aufklärung betreiben. Da müsste man den Menschen sagen, wie sie sich schützen können. Da müsste man an öffentlichen Plätzen zum Beispiel für mehr Beleuchtung sorgen. Die Politik meint, sie würde das Sicherheitsgefühl in den Griff bekommen mit immer mehr Überwachung. Das funktioniert aber nicht, denn um diese neuen Gesetze zu begründen, wird doch immer wieder die Sicherheitsangst geschürt.

Und deswegen mein Aufruf an die Bürgerrechtsparteien, die sich so nennen: Ich sehe noch zu wenig in punkto alternative Sicherheitspolitik. Wir bräuchten ein konkretes Programm, konkrete Vorschläge, die man umsetzen könnte, wo man Geld für Überwachungstechnik abzweigen könnte in Präventionsarbeit. Wir brauchen einen Stopp für neue Überwachungsgesetze. Wir brauchen eine unabhängige, systematische Überprüfung der Effektivität der vorhandenen Gesetze. Wir brauchen klare rote Linien: Wir wollen keine Massenerfassung und -überwachung der gesamten Bevölkerung!

Diese klaren Kriterien fehlen leider auch noch den Bürgerrechtsparteien. Und die dritte Forderung ist: Der erste Anspruch einer Bürgerrechtspartei, die mit an die Regierung kommt, muss doch sein, das Justiz- und Innenministerium zu besetzen. Wir brauchen endlich wieder einen freiheitlichen Innenminister!

Und wir können etwas dazu beitragen: Bei aller Kritik an den Bürgerrechtsparteien ist doch deutlich, dass ihre Beteiligung für Mäßigung und Maß sorgt, während uns diese Koalition, die wir in Berlin haben, das schlimmstmögliche Maß an Sicherheitswahn beschert.

Der Freiheitsschutz muss endlich wieder wahlentscheidend werden. Die Wahlen sind doch die einzige Chance, die wir haben, die Politik zu ändern. Und ich persönlich habe mich entschlossen: Von mir sehen CDU und SPD keine einzige Stimme mehr, weil es nicht zu verantworten ist, welche Politik sie in den letzten Jahren betrieben haben. Wählt die Staatsparteien ab, indem ihr Bürgerrechtsparteien eure Stimme gebt!

Überzeugt andere Menschen. Kopiert und verteilt unsere Flyer. Haltet Reden oder ladet Freiheitsredner in euren Verein oder Verband ein. Sprecht mit euren Abgeordneten in der Bürgersprechstunde und überzeugt sie. Arbeitet mit in Bürgerrechtsorganisationen. Gemeinsam sind wir stark!

Ich habe hoffentlich ein bisschen deutlich machen können in meiner Rede, dass diese „law and order“-Sicherheitspolitik nicht nur unseren Freiheitsrechten schadet, sondern schon ihr eigenes Ziel verfehlt, sogar unsere Sicherheit gefährdet. Ich hoffe, ich habe deutlich gemacht, dass eine alternative Sicherheitspolitik nötig ist, und deswegen bitte ich euch: Setzt euch für unsere Freiheitsrechte ein, für die unsere Vorfahren gekämpft haben, und die unsere Kinder schmerzlich vermissen werden, wenn wir nicht aktiv werden. Wir warten diesmal nicht, bis es zu spät ist!

Die Freiheitsrechte sind die Muttererde, auf der Gutes erst gedeihen kann. Sie sind die Grundlage unserer Gesellschaft. Das Material, aus dem unsere Sicherheitspolitiker ihre sogenannte „Neue Sicherheitsarchitektur“ bauen, kommt doch aus dem Fundament unserer Gesellschaft. Dieser wackelige Sicherheitsturm, der dem Himmel der absoluten Sicherheit möglichst nahe kommen soll, wird gebaut durch einen Abbau von Grundrechten. Das führt dazu, dass unsere Freiheit nur noch auf tönernen Füßen steht und unser Staat anfällig wird für Extremismus, das ist der falsche Weg.

Deswegen ist es gut, dass wir heute alle zusammen gekommen sind, weil uns das Thema alle angeht. Auch unsere Nationalhymne heißt nicht „Sicherheit und Zucht und Ordnung“, sondern „Einigkeit und Recht und Freiheit“.

Unsere Verteidigung der Freiheit ist keine Schönwetterpolitik. Wir wissen, dass unsere Freiheit und unsere offene Gesellschaft missbraucht wird. Wir wissen, dass unsere noch weitgehend abhörfreie Telefon-, Handy- und Internetnutzung auch Kriminellen hilft. Wir wissen, dass im Schutz privater Wohnungen auch Kinder missbraucht werden. Wir wissen, dass Deutschland vielleicht Ruheraum für internationale Terroristen ist und dass sie unter uns leben. Wir wissen, dass jederzeit ein Anschlag passieren kann, der Hunderten von uns das Leben kostet. Warum dann wehren wir uns dagegen, dass alles getan wird, um diese schrecklichen Straftaten zu verhindern? Weil die Freiheit die Grundlage unserer Demokratie ist. Weil selbst eine Serie von Terroranschlägen die Demokratie in Deutschland nicht ernsthaft gefährdet. Weil wir uns nicht aus Angst vor dem Tod selbst umbringen dürfen!

Das Leben ist ein Risiko, und ein freies und selbstbestimmtes Leben ist ein noch größeres Risiko. Wir wollen dieses Risiko, wir wollen diese Freiheit!

PatrickiBreyer, Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung

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