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Hannover: Offenen Brief an die Niedersächsische FDP-Fraktion übergeben (22.01.2009) Print E-mail

Die Ortsgruppe Hannover des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung haben Philipp Rösler stellvertretend für die FDP-Fraktion im Landtag einen offenen Brief überreicht, in dem sie die zügige Veröffentlichung und Diskussion sowie eine freiheitliche Ausgestaltung des neuen niedersächsischen Versammlungsrechts fordern.

 Die Übergabe erfolgte auf dem FDP-Neujahrsempfang mit knapp 1500 Gästen im Kuppelsaal in Hannover.

Michael von der Ortsgruppe berichtet: "Ein anschließender stummer Protest unter Hochhalten eines Protestschildes führte zur deutlichen Wahrnehmung unserer Meinung. Nicht nur die FDP-Fraktion, auch Herr Schünemann ("unser" Innenminister) und Herr McAllister (Landesvorsitzender der nds. CDU) haben unseren Protest wahrgenommen, auch wenn sie es sich nicht anmerken lassen wollten."

Aus dem Brief an die niedersächsische FDP-Fraktion:

Hannover, den 11. Januar 2009

Offener Brief
an die
FDP-Fraktion im Niedersächsischen Landtag

Sehr geehrter Herr Jörg Bode,
sehr geehrter Herr Philipp Rösler,
sehr geehrte Damen und Herren,

als Teil der Niedersächsischen CDU-FDP-Landesregierung werden Sie in nächster Zukunft ein neues Versammlungsgesetz für unser Land in den Landtag einbringen.

Anlässlich Ihres diesjährigen Neujahrsempfangs möchten wir, die Ortsgruppe Hannover des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung, Sie noch ein weiteres mal ausdrücklich darum bitten, für einen verfassungsgerechten und grundrechtswahrenden Gesetzesentwurf zu sorgen und diesen baldmöglichst der Öffentlichkeit zur Diskussion zur Verfügung zu stellen.

Wir wählen hierzu die Form eines Offenen Briefes, weil die Veröffentlichung dieses Entwurfes noch immer nicht erfolgt ist, obwohl das Gesetzgebungsverfahren laut Angaben unseres Niedersächsischen Innenministers Uwe Schünemann bereits in diesem Monat begonnen werden soll.

Uns liegt ein Entwurf zu diesem Gesetz vor, bei dem es sich allerdings nicht um eine offizielle Veröffentlichung der Landesregierung handelt. Darum wissen wir nicht, ob er der Gesetzesentwurf Ihrer Koalition ist. Es sieht allerdings danach aus, denn der Entwurf ähnelt in vielen Punkten den bereits verabschiedeten Landesgesetzen von Bayern und Baden-Württemberg.

Mit diesem Gesetzesentwurf wird die unrühmliche Serie der bisherigen Landesgesetzgebungsverfahren von Bayern über Baden-Württemberg bis nach Niedersachsen fortgesetzt.

Die FDP Niedersachsen würde - falls dieser Entwurf Gesetzeskraft erlangt - dann in vielen Punkten der Verfassungsklage gegen das bayrische Versammlungsrecht blanken Hohn spotten und Ihrer bayrischen FDP-Landespartei in den Rücken fallen, die eine der vielen KlägerInnen dieser Verfassungsklage ist.

Es ist im juristischen Kreise unstrittig, dass die Neuordnung des Versammlungsrechts auf Länderebene nicht zu einer simplen Übernahme des ansonsten und zuvor gültigen "Bundes-"Versammlungsgesetzes (Gesetz über Versammlungen und Aufzüge vom 24.7.1953, zuletzt geändert am 15.11.1978) führen sollte, sondern dass die zwischenzeitlich zahlreich erfolgten Rechtsprechungen (z. B. den Brokdorf-Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Mai 1985) eingeflochten werden sollten.

Der uns vorliegende Entwurf geht allerdings weit darüber hinaus und führt zu einer - aus unserer Sicht nicht verfassungskonformen - Beeinträchtigung der Versammlungsfreiheit in seinem Wesensgehalt.

Dieser Gesetzesvorschlag ist nicht versammlungs- sondern behördenfreundlich und interpretiert das Versammlungsrecht als reines Polizei- und Ordnungsrecht unter Eingriffsgesichtspunkten fehl.

Diese Behauptung möchten wir im folgenden konkretisieren:

  • Entgegen der seit mehr als 55jährigen bundesdeutschen Rechtssprechung soll die Zusammenkunft von nur zwei Personen bereits als Versammlung definiert werden (§2 Abs.1).

  • Es gibt zahlreiche "schwammige" Formulierungen - Juristen sprechen in diesem Zusammenhang von fehlender Normenklarheit.

  • So bietet eine Formulierung wie z.B. "die einschüchternde Wirkung ... von Uniformen, Uniformteilen ..." (§7 Abs.1) keine für den Bürger eindeutige und klare Regelung - sie lässt einerindividuellen Auslegung große Freiheiten. Die Sorge vor einer mehr oder weniger willkürlichen Handhabung eines solchen Gesetzes kann dazu führen, dass das Grundrecht auf Versammlungs- und Meinungsfreiheit nicht wahrgenommen wird.

  • Wenn man das mögliche Verbot einer Versammlung in geschlossenen Räumen betrachtet, welches dann ausgesprochen werden darf, wenn "Tatsachen festgestellt sind, aus denen sich ergibt, dass der Veranstalter oder sein Anhang Ansichten vertreten oder Äußerungen dulden wird, die ein Verbrechen oder ein von Amts wegen zu verfolgendes Vergehen zum Gegenstand haben" (§11 Abs.1 Pkt.4), dann erzeugen die Begriffe "oder sein Anhang" in diesem Zusammenhang eine Beliebigkeit, die durch ihre Dehnbarkeit und Unklarheit jeden Veranstalter einer Versammlung jederzeit ein behördliches Verbot einer Demonstration befürchten lassen müssen.

  • Überhaupt gibt es eine grundsätzliche Umorientierung in der Auslegung des Versammlungsrechts, die die Verantwortlichkeit des Verhaltens und des Ablaufes einer Demonstration vom Einzelnen auf den Veranstalter bzw. Leiter der Demonstration umlenkt.

  • So heißt es beispielsweise im zuvor bundesweit gültigen Versammlungsgesetz: "Bei öffentlichen Versammlungen und Aufzügen hat jedermann Störungen zu unterlassen, die bezwecken, die ordnungsgemäße Durchführung zu verhindern." (§2 Abs.2)

  • Unter Androhung massivster Geldbußen wird im niedersächsischen Landesentwurf die Verantwortung für das Verhalten aller Demonstrationsteilnehmer nun dem Leiter der Demonstration aufgebürdet (§4), was unter "normalen Bürgern" die Bereitschaft zur Veranstaltung einer Meinungskundgebung deutlich verringern wird.

  • Auch müssen Demonstrationen nun nicht mehr 48 Stunden (wie seit über fünfzig Jahren üblich und ausreichend) sondern 72 Stunden vorher angemeldet werden (§13 Abs.1) und der Leiter wird zwangsweise zur Zusammenarbeit mit der Polizei verpflichtet (Kooperationsgebot, §15 Abs.1). Das lässt ein massiv erhöhtes bürokratisches Vorgehen bei der Anmeldung einer Versammlung erwarten und widerspricht dem Wesen des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit.

  • Polizisten dürfen sich dem uns vorliegenden Entwurf nach in ziviler Kleidung unter die Demonstrationsteilnehmer mischen, ohne sich als Polizisten im Einsatz erkennen geben zu müssen.

  • Und auch wird danach das vom Bundesverfassungsgericht bestimmte Recht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt, indem die die Hürden für die Aufzeichnung und Speicherung von Videoaufnahmen durch die Polizei durch beliebig weit auslegbare Bedingungen in den §§ 12 und 18 denkbar niedrig gelegt worden sind bzw. faktisch nicht mehr von einer Beschränkung gesprochen werden kann.

Viele weitere Punkte ließen sich hinzufügen, was wir aufgrund der noch nicht amtlich erfolgten Veröffentlichung jedoch zunächst unterlassen werden.

Deshalb fordern wir Sie dazu auf:

  • Bitte sorgen Sie endlich für eine zügige Veröffentlichung des bestehenden Gesetzesentwurfs!

  • Tragen Sie Sorge für eine ausreichend breite und öffentliche sowie sachliche Diskussion dieses Entwurfes!

  • Beteiligen Sie sich nicht an einer weiteren Verabschiedung eines Gesetzes, welches dann durch das Bundesverfassungsgericht wieder zurückgewiesen werden muss! Das ist nicht der Weg, den der Gesetzgeber beschreiten sollte.

  • Lassen Sie Ihre freiheitlich-liberale Einstellung nicht nur in Worten sondern auch in Gesetzen zum Ausdruck kommen!

  • Sorgen Sie für ein transparentes, vom einfachen Bürger durchschaubares und eindeutiges Gesetz zum Versammlungsrecht, das nicht weitere bürokratische Hürden aufbaut, sondern das ursprüngliche Wesen des Grundrechtes auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit achtet und bewahrt!

  • Bitte lassen Sie sich in der um das Gesetz entstehenden Debatte nicht auf die "Das-ist-doch-alles-nur-gegen-die-Nazis-gerichtet"-Argumentation ein, auch wenn die aktuelle Stimmungslage dieses populistische Vorgehen natürlich sehr nahe legt.

In diesem Sinne wünschen wir Ihnen und Ihrem Wirken als FDP-Fraktion im niedersächsischen Landtag ein Gutes neues Jahr 2009!

Weitere Informationen:

 
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