Verfassungsbeschwerde gegen Vorratsspeicherung der Internetnutzung eingereicht (01.09.2010) |
Der Datenschützer Patrick Breyer (Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung)
und der Bundestagsabgeordnete Wolfgang Wieland (Sprecher für Innere
Sicherheit der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen) haben bei dem
Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe Verfassungsbeschwerde gegen ein
Gesetz zur Vorratsspeicherung der Internetnutzung eingereicht (Az. 1 BvR
1667/10). Am 18. Juni 2009 beschloss der Deutsche Bundestag trotz der Proteste vieler Bürger[1] und gegen die Stimmen von Grünen, FDP und Linke ein "Gesetz zur Stärkung der Sicherheit in der Informationstechnik des Bundes".[2] Dieses Gesetz ermächtigt das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) erstmals, ohne Anlass Informationen über die elektronische Kommunikation jedes Bürgers mit Bundesbehörden und Bundestagsabgeordneten (z.B. per E-Mail) aufzuzeichnen. Erfasst wird dabei auch jede Nutzung öffentlicher Internetportale von Bundesbehörden, so auch, wer sich wann für welche Internetseiten interessiert hat und nach welchen Worten er dort gesucht hat. Dadurch kann beispielsweise ermittelt werden, wer sich auf dem Internetportal der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung über Impotenz informiert hat.[3] "Durch dieses Gesetz ist das BSI zum Bundesamt für Unsicherheit in der Informationstechnik geworden. Es ermächtigt zu einer grenzenlosen Vorratsdatensammlung. In grotesker Weise wird verkannt, dass der Bürger nicht nur einen Anspruch auf Sicherheit durch den Staat, sondern auch einen Anspruch auf Sicherheit vor dem Staat hat", erklärt hierzu Wolfgang Wieland. "Dass die dem BSI erlaubte Kommunikations- und Surfprotokollierung direkt durch den Staat erfolgen und sogar die aufgerufenen Internetseiten umfassen soll, macht die Regelung von Grund auf verfassungswidrig, wenn man die Maßstäbe des Verfassungsgerichtsurteils zur Vorratsdatenspeicherung zugrunde legt", erklärt Patrick Breyer. "Dass die Ermächtigung auch unter Sicherheitsgesichtspunkten überflüssig ist wie ein Kropf, zeigt sich daran, dass sie bis heute nicht angewendet wird und auch die Länder sowie die Privatwirtschaft ohne vergleichbare Ermächtigung erfolgreich operieren. Der Bundestag muss diese Grundrechtsverletzung jetzt beenden, will er nicht eine weitere Niederlage in Karlsruhe erleiden." Hintergrund: Paragraf 5 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 BSI-Gesetz ermächtigt das BSI, die näheren Umstände der elektronischen Kommunikation mit Bundesbehörden, auch mit Bundestagsabgeordneten, aufzuzeichnen und automatisiert auszuwerten. Namentlich wird zur Erfassung und Aufzeichnung von Verkehrsdaten über jede computergestützte Kommunikation mit Bundesbehörden (z.B. per E-Mail, Internettelefonie oder Instant Messaging) sowie von Daten über jede Nutzung öffentlicher Internetportale von Bundesorganen ermächtigt. Paragraf 5 Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 BSI-Gesetz ermächtigt das BSI, die an den Schnittstellen der Kommunikationstechnik des Bundes anfallenden Daten automatisiert auszuwerten. Dies betrifft nicht nur Verkehrsdaten über die computergestützte Kommunikation mit Bundesbehörden (z.B. per E-Mail) und Daten über die Nutzung öffentlicher Internetportale. Vielmehr dürfen auch der Inhalt computergestützter Kommunikation mit Bundesbehörden (z.B. E-Mails) sowie die von öffentlichen Internetportalen abgerufenen und dorthin übertragenen Inhalte erfasst und ausgewertet werden. Paragraf 5 Absatz 2 BSI-Gesetz ermächtigt das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik unter nichtigen Voraussetzungen, die näheren Umstände jeder elektronischen Kommunikation mit Bundesbehörden drei Monate lang auf Vorrat zu speichern. Auf Vorrat gespeichert werden dürfen namentlich Verkehrsdaten über die computergestützte Kommunikation mit Bundesbehörden (z.B. per E-Mail) sowie Daten über die Nutzung öffentlicher Internetportale von Bundesorganen. |
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