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Bundestags-Gutachten bezweifelt Rechtmäßigkeit einer Protokollierung von Telefon, Handy und Intern Print E-mail
Zu den Regierungsplänen einer sechsmonatigen Protokollierung der Benutzung von Telefon, Handy, Email und Internet (Vorratsdatenspeicherung) hat der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages ein Rechtsgutachten vorgelegt, in dem Bedenken an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme geäußert werden.

Einer EG-Richtlinie vom März 2006 zufolge soll ab Mitte 2007 zur verbesserten Strafverfolgung nachvollziehbar werden, wer mit wem in den letzten sechs Monaten per Telefon, Handy oder Email in Verbindung gestanden hat. Bei Handy-Telefonaten und SMS soll auch der jeweilige Standort des Benutzers festgehalten werden. Mit Hilfe der gespeicherten Daten können Bewegungsprofile erstellt, geschäftliche Kontakte rekonstruiert und Freundschaftsbeziehungen identifiziert werden. Vor diesem Hintergrund hatte die Linkspartei die Rechtsexperten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags beauftragt, die "Zulässigkeit der Vorratsdatenspeicherung nach europäischem und deutschem Recht" zu prüfen.

In dem nun vorgelegten Gutachten vom 3. August heißt es wörtlich: "Es bestehen Bedenken, ob die Richtlinie in der beschlossenen Form mit dem Europarecht vereinbar ist. Dies betrifft zum einen die Wahl der Rechtsgrundlage, zum anderen die Vereinbarkeit mit den im Gemeinschaftsrecht anerkannten Grundrechten." Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung, ein Zusammenschluss von Bürgerrechtlern, Datenschützern und Internetnutzern, begrüßt das Gutachten und fordert eine Aussetzung der Pläne zur Vorratsdatenspeicherung in Deutschland. "Die in der Richtlinie vorgesehene Totalprotokollierung der Telekommunikation wäre ein eklatanter Verstoß gegen das Grundgesetz", erklärt der Jurist Patrick Breyer vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung. "Eine Totalprotokollierung bewirkt keinen verbesserten Schutz vor Kriminalität, kostet Millionen von Euro, gefährdet die Privatsphäre und die Sicherheit Unschuldiger, beeinträchtigt vertrauliche Kommunikation und ebnet den Weg in eine immer weiter reichende Massenüberwachung der Bevölkerung. Das Gutachten des Bundestags bestätigt die Meinung vieler Rechtsexperten, dass eine allgemeine Protokollierung unserer Telekommunikation vor den Gerichten keinen Bestand haben kann. Irland hat bereits im Juli vor dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg Klage gegen die Vorratsdatenspeicherung erhoben. Die deutsche Regierungskoalition muss jetzt Konsequenzen ziehen und die Vorratsdatenspeicherung in Deutschland zumindest solange auf Eis legen, bis der Europäische Gerichtshof über die Rechtmäßigkeit der Richtlinie entschieden hat. Andernfalls setzt sich die Koalition dem sehr hohen Risiko einer verheerenden Niederlage vor dem Bundesverfassungsgericht aus."

Dem Bundestags-Gutachten zufolge ist im Hinblick auf die deutschen Grundrechte "zweifelhaft, dass dem Gesetzgeber aufgrund der europarechtlichen Vorgaben eine verfassungsgemäße Umsetzung gelingen wird." Selbst unter Berücksichtigung eines Einschätzungsspielraums des Gesetzgebers sei die "Gebotenheit und Angemessenheit" der Vorratsdatenspeicherung fraglich, schreiben die Rechtsexperten des Bundestags. Als zur Verminderung von Kriminalität und Terrorismus "gleich geeignete, weniger belastende Alternative" sei es möglich, nur die Daten von Verdächtigen auf richterliche Anordnung zu speichern, "ohne jeden Nutzer elektronischer Kommunikation einem präventiven Verdacht zur unterwerfen." Das Gutachten verweist in diesem Zusammenhang auf die im April ergangene Rasterfahndungsentscheidung des Bundesverfassungsgerichts, in der "das außerhalb statistischer Zwecke bestehende strikte Verbot der Sammlung personenbezogener Daten auf Vorrat" betont wird.

"Das Gutachten bestätigt uns in unserer Meinung", erklärt Bettina Winsemann (Twister) vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung. "Ein derartiger Eingriff in die Privatsphäre aller 450 Mio. Europäer ist nicht akzeptabel. Jeder, der mir eine Email schreibt, würde mit seinen Kommunikationsdaten und -gewohnheiten in einer Datei landen. Viele, die mit mir Emails austauschen, haben bereits ihrer Empörung gegen die Regierungspläne Luft gemacht und wollen ihre Kommunikation mit mir einschränken oder einstellen, sollte eine Protokollierung realisiert werden. Ein unhaltbarer Zustand."

Gegenwärtig dürfen Telekommunikationsanbieter nur die zur Abrechnung erforderlichen Verbindungsdaten speichern. Dazu gehören Standortdaten und Email-Verbindungsdaten nicht. Durch die Benutzung von Pauschaltarifen kann eine Speicherung zudem bisher gänzlich vermieden werden, was etwa für Journalisten und Beratungsstellen wichtig sein kann, die auf absolute Vertraulichkeit angewiesen sind.

Weitere Informationen:
Heise-Meldung vom 16.08.2006
n24-Meldung vom 17.08.2006


Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung ist ein bundesweiter Zusammenschluss von Bürgerrechtlern, Datenschützern und Internetnutzern. <http://www.stoppt-die-vorratsdatenspeicherung.de>

 
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