Bürgerrechtler hinterfragen BKA-Bericht zur Vorratsdatenspeicherung (18.10.2010) |
Es sind noch viele Fragen zu beantworten, bevor aus einem Bericht des
Bundeskriminalamts zur Verfügbarkeit von Verbindungsdaten auf eine
"Schutzlücke" geschlossen werden kann. Diese Meinung vertreten
Bürgerrechtler des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung in einem Brief[1] an Bundesinnenminister Dr. Thomas de Maizière. In einer Veranstaltung am 8.10.2010 präsentierte der Bundeskriminalamtspräsident Zahlen und Fälle, die ein Bedürfnis nach einer Erfassung sämtlicher Telefon-, Handy-, E-Mail- und Internetverbindungen in Deutschland belegen sollten. Mit Schreiben vom Samstag fordern die Datenschützer nun aber Antworten auf 10 Nachfragen, die der Bericht offen gelassen habe. Beispielsweise fragen die Aktivisten, inwieweit erfolglose Ermittlungen auf Verzögerungen seitens des Bundeskriminalamts beruhten. Weiter wird gefragt, ob die Situation in den Jahren 2007-2009 (mit Vorratsdatenspeicherung) anders war; bislang fehlen Vergleichsdaten. Eine weitere Frage lautet, ob das Bundeskriminalamt die öffentlich präsentierte Zahl erfolgloser Verbindungsdatenabfragen durch erkennbar aussichtslose Ersuchen in die Höhe getrieben habe. Nach einer ausführlichen Analyse der Bürgerrechtler sind die bisherigen Zahlen der Behörde "irrelevant" und belegen "keine blinde Flecken in der Verbrechensbekämpfung oder Schutzlücken".[2] Auch Wissenschaftler kritisieren den Vorstoß das Bundeskriminalamts. Dr. Michael Kilchling vom Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg erklärte: "Für eine seriöse wissenschaftliche Stellungnahme fehlt jede Basis".[3] Der Bielefelder Polizeirechtler Prof. Dr. Christoph Gusy bekräftigte: "Ob die vom BKA aufgezählten Fälle gelöst worden wären, wenn man die Möglichkeit zur Vorratsdatenspeicherung gehabt hätte, weiß man überhaupt nicht." Zuletzt meldete sich auch der Medienrechtler und Richter am Oberlandesgericht Prof. Dr. Thomas Hoeren zu Wort: "Die BKA-Liste ist das Unseriöseste, was man sich vorstellen kann."[4] Das Bundesjustizministerium hat vergangene Woche eine eigene Stellungnahme veröffentlicht.[5] Danach seien zur Kriminalitätsbekämpfung "auch ohne die pauschale und anlasslose Speicherung jeder Benutzung von Telefon, Handy, E-Mail und Internet genügend Verbindungsdaten verfügbar". Was eine EU-Richtlinie zur "Vorratsdatenspeicherung" anbelange, bleibe die ausstehende Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs über deren Gültigkeit abzuwarten. "Das Ganze ist ein sehr bedenklicher Vorgang", kommentiert Kai-Uwe Steffens vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung. "Nicht nur, dass Innenminister und BKA völlig beratungsresistent an ihren Maximalforderungen einer Totalüberwachung festhalten und dabei höchst fragwürdig argumentieren. Dazu kommt, dass sich hier die oberste deutsche Polizeibehörde offen in einen Koalitionsstreit einmischt und parteipolitisch Position bezieht. Das ist nicht ihre Aufgabe, und sollte unterlassen werden." Ergänzung vom 05.11.2010: Das Bundesinnenministerium beantwortet unseren Brief heute wie folgt: Sehr geehrter Herr [...], ich nehme Bezug auf Ihr an Herrn Minister Dr. de Maizière gerichtetes Schreiben vom 16. Oktober 2010, mit dem Sie um die Übermittlung ergänzender Informationen zu den am 8. Oktober 2010 durch das Bundeskriminalamt gegenüber Medienvertretern erteilten über statistische Angaben zu Auskunftsersuchen, die im Zuge von Ermittlungsverfahren an Telekommunikationsfirmen gerichtet wurden. Die hiesige Überprüfung hat ergeben, dass sich Ihre Fragen auf statistische Angaben und Schlussfolgerungen beziehen, die dem Bundesministerium des Innern in der angeforderten Form nicht vorliegen. Ich darf Sie daher bitten, sich mit Ihrem Anliegen unmittelbar an die handelnde Behörde, das Bundeskriminalamt, zu wenden. Ich bedauere, Ihre Fragen nicht unmittelbar beantworten zu können und bitte, die bei der Bearbeitung Ihrer Anfrage eingetretene Verzögerung zu entschuldigen. Mit freundlichen Grüßen |
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