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AK Zensus: Zweifel an Vertrauenswürdigkeit der Volkszählung (04.04.2011) Print E-mail

Antworten der Behörden auf Bürgeranfragen offenbaren gravierende Mängel bei der Umsetzung der Volkszählung 2011. Bei den Erhebungsstellen werden vielfach Sicherheitsvorkehrungen missachtet und Anforderungen des Bundesverfassungsgerichtes ignoriert.

Bei den im Arbeitskreis Zensus (AK Zensus)[1] zusammengeschlossenen Volkszählungskritikern wachsen die Bedenken an der vertrauenswürdigen Umsetzung der Volkszählung 2011. Im Rahmen der Aktion “Frag die Befrager!”[2] haken Bürger seit einiger Zeit bei den für die Abwicklung der Volkszählung vor Ort zuständigen Erhebungsstellen nach, wie die Umsetzung der Vorgaben des Volkszählungsurteils[3] des Bundesverfassungsgerichts praktisch sichergestellt werden soll. Die bis jetzt vorliegenden Ergebnisse und Antworten zu den bis zu 38 Fragen[4] liegen nun öffentlich vor[5] und belegen eklatante Mißstände in der Praxis der Behörden.

So wird deutlich, dass viele Erhebungsstellen die an sie gerichteten Fragen gar nicht beantworten können oder wollen: Anstelle ernsthaft auf die Fragen einzugehen wurden von den Landessstatistikämtern verfasste Musterantworten (besonders freche Beispiele: Landesstatistikämter Berlin-Brandenburg[6] und Niedersachsen[7]) versandt. In anderen Fällen wurden die Fragenden pauschal auf die amtlichen Informationsseiten des Statistischen Bundesamtes verwiesen[8], wo sich jedoch keine Antworten auf die Fragen finden lassen. Aus Jena[9] wurde zurückgemeldet, dass man “aufgrund der Vielzahl der Fragen” nicht antworten könne. Man solle aber “versichert sein, dass die Regeln des Zensusgesetzes eingehalten würden.” Und schließlich haben zahlreiche andere Erhebungsstellen, wie z.B. in Hannover[10], auch nach zwei Monaten noch gar nicht geantwortet.

Die eingegangenen Antworten geben Grund zur Sorge um die Umsetzung der Volkszählung:

  • In Sachsen[11] wird es den Volkszählern beispielsweise gestattet, die ausgefüllten und mit zahlreichen persönlichen Angaben ausgefüllten Fragebögen bis zu einer Woche bei sich in ihrer Privatwohnung aufzubewahren. Auch alle anderen Bundesländer scheinen solche oder ähnliche Regelungen eingeführt zu haben.
  • Keine der uns bekannt gewordenen Erhebungsstellen hat eine E-Mail-Anschrift, die auf einen eigenen, eindeutig abgeschotteten IT-Bereich hinweisen würden, so wie es das Zensusgesetz verlangt (ein Beispiel von vielen: Landkreis Schaumburg[12]).
  • Auch eigene Postanschriften oder eigene Briefbögen gab es vielfach nicht, so dass den Menschen nicht klar ist, ob sie beispielsweise vom Landkreis, von der Stadt oder von einer deutlich zu trennenden Zensus-Behörde Post erhalten.
  • In manchen Fällen (Beispiel: Tübingen[13]) mochte man nicht ausschließend versichern, dass nicht auch Mitarbeiter aus Sozial-, Melde- oder Ausländerämtern für die Befragungen zur Volkszählung eingesetzt werden. Dieses wäre aber definitiv unzulässig.
  • Dass ausschließlich für den “Zensus 2011” angestellte und der Verschwiegenheit verpflichtete Menschen Schlüsselgewalt zu den Erhebungsstellen erhalten, ist in einigen Fällen nicht gesichert - unter Verstoß gegen rechtliche Vorgaben. Beispiel Ravensburg[14]: Dort sei ein Nachschlüssel “für Notfälle sicher verwahrt.” In Berlin[15] drückt man sich um eine klare Antwort auf die eindeutige Frage herum.

“Die Antworten der Erhebungsstellen verstärken unsere Sorge, dass gut gemeinte Gesetze und Richtlinien nichts nützen, wenn sie in der Umsetzung vor Ort nicht verstanden oder beachtet werden”, sagt Michael Ebeling vom AK Zensus. “Regeln werden einfach zu Tatsachen erklärt, ohne dass unsere Fragen ernst genommen werden würden. Das war bei der letzten Volkszählung ähnlich. Hinterher stellte sich beispielsweise heraus, dass viele Volkszähler zur Befragung in direkter Nachbarschaft eingesetzt worden sind. Für mich ist es ein Skandal, dass die heutigen Erhebungsstellen unfähig sind, die direkt an sie gestellten Fragen zu beantworten, vorverfasste Standardantworten der übergeordneten Statistikämter herunterleiern oder zum Teil überhaupt nicht antworten.”

Das erst am letzten Freitag mit dem Negativ-Preis "Big-Brother-Award"[16] gewürdigte Vorhaben der Volkszähung ist Datenschützern schon seit längerem ein Dorn im Auge. Erfahrungen unzulässiger Datenweitergaben[17], schlechte Ergebnisse eines Tests der telefonischen Beratungsangebote zum Zensus[18] und nun auch noch frappierende Erfahrungen besorgter Bürger stellen die Zuverlässigkeit der praktischen Umsetzung der Zählung immer wieder in Frage.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem berühmten Volkszählungsurteil[19] vom 15.12.1983 festgeschrieben, welchen Bedingungen Volkszählungen in Deutschland genügen müssen. Eine ausreichende, umfangreiche und rechtzeitige Information der Bürger gehört dazu. Obwohl bereits im November 2010 von allen in Deutschland gemeldeten Menschen umfangreiche Daten zentral nicht-anonymisiert zusammengezogen worden sind, ist es eine umfangreiche Aufklärung der Betroffenen bislang nicht erfolgt.

Dieser Umstand, die aus der Sicht der Datenschützer unerträgliche “Sonderbehandlung” bestimmter Bevölkerungsgruppen, wie z.B. Migranten, Andersgläubige, Psychisch Kranke und Behinderte und viele andere Gründe werden von den Aktivisten in einer gemeinsamen Erklärung[20] ausgeführt. Sie rufen zu einer kritischen Informationsbildung auf und erläutern auf der Homepage zensus11.de und in einer umfangreichen Informationssammlung[21] zahlreiche Möglichkeiten des Aktivwerdens zu Protest und zivilem Ungehorsam.

 
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