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[Blog] Polnische Aktivisten rufen auf zum „Blackout Day“ gegen ACTA (22.01.2012) Print E-mail

Am Samstag ist gegen 19Uhr die Seite des polnischen Parlaments überraschen vom Netz gegangen. Gegen 22Uhr folgte die Seite des Kulturministeriums und die Seite des polnischen Präsidenten. Polnische Zeitungen bringen den Vorfall mit der anstehenden Unterzeichnung des „Anti-Counterfeiting Trade Agreements“ - kurz ACTA – in Verbindung. Der Name Anonymous wird in diesem Zusammenhang genannt. Für die nächste Woche sind Demonstrationen in zahlreichen Städten geplant. Über 150.000 Polen wollen am wahrscheinlichen Unterzeichnungstag, dem 26.01. an Aktionen gegen ACTA teilnehmen.

Ebenso wie beim amerikanischen Abkommen SOPA steht bei ACTA der Vorwurf des Aufbaus einer Zensur-Infrastruktur im Raum. Daher wird ACTA von Gegnern auch gerne als das „europäische SOPA“ bezeichnet. Die Umsetzung von ACTA würde dazu führen, dass Provider für Inhalte ihrer Nutzer haftbar gemacht werden können. Die würde unweigerlich dazu führen, dass Provider beginnen werden ihre Netzwerke zu zensieren und zu überwachen – um Klagen von Rechteinhabern aus dem Weg zu gehen.

Es war vorhersehbar, dass ACTA in der Netzgemeinde auf wenig Gegenliebe stoßen wird. Einen Vorgeschmack auf den europäischen Protest gegen ACTA bietet das Beispiel Polen. Angeblich soll bereits am 26.01. das umstrittene Abkommen durch den polnischen Außenminister unterzeichnet werden. Danach müsste ACTA noch vom polnischen Senat und vom polnischen Parlament ratifiziert sowie vom Europaparlament unterzeichnet werden, um endgültig in Kraft zu treten. „Tango Down – sejm.gov.pl“ hieß es dann am Samstag den 21.01.2012 in einer Nachricht die von Accounts des Anonymous-Kollektivs verbreitet wurde. Tatsächlich war die Seite des polnischen Parlaments (Sejm) an diesem Abend für mehrere Stunden vom Netz. Auch das Kulturministerium und die Seite des polnischen Präsidenten waren für mehrere Stunden offline. Die Vermutung liegt nahe, dass es sich dabei um eine organisierte Denial of Service Attacke – kurz DoS - von Anonymous handelte.

Laut Informationen der polnischen Zeitung „Gazeta Wyborcza“ soll bereits in der kommenden Woche die Ratifizierung durch den polnischen Außenminister stattfinden. Danach würde das Abkommen dem polnischen Parlament und dem polnischen Senat vorgelegt, bevor es in Kraft treten kann. Der polnische Blog „prawo.vagla.pl“ berichtet, dass der polnische Außenminister oder ein Vertreter das Abkommen am 26.01.2012 unterzeichnen soll.

Die polnische Bürgerrechtsorganisation Panoptykon kritisiert das Abkommen als Gefahr für den Datenschutz und die Privatsphäre der Internetnutzer. Auch die polnische Organisation „Internet Society Poland“ kritisiert in einem Bericht die Tatsache, dass die polnische Bevölkerung nicht informiert wurde. Erst am Rande eines Hintergrundgesprächs in der vergangenen Woche (19.01) mit Vertretern polnischer NGOs war das pikante Detail zum anstehenden Termin der Unterzeichnung ans Licht gekommen. Außenminister Radosław Sikorski soll am 26.01. mit einer Unterschrift ACTA einen Stück näher in Richtung polnische Realität rücken. Doch in der polnischen Netzgemeinde rumort es bereits kräftig. Immer mehr Zeitungen berichten kritisch über ACTA. Es scheint, als habe der Protest gegen SOPA für die Gegner von ACTA den Weg bereitet – ganz wie es die Aktivisten gehofft hatten. Bei einer Petition gegen ACTA haben innerhalb kürzester Zeit bereits 14.000 Menschen mitgezeichnet. Netzaktivisten rufen zum polnischen Blackout Day gegen ACTA am 23.01. auf. An diesem Tag sollen zahlreiche Seiten verdunkelt werden. Angeblich überlegen auch die europäischen Wikipedia-Seiten in den Protest gegen ACTA einzusteigen, wie das polnische Fernsehen berichtet.

Doch der Protest der Gegner von ACTA spielt sich nicht nur im Netz ab. Für den 24.01. und die darauf folgenden Tage wurden Demonstrationen in Warschau, Krakau, Lublin, Kattowitz und Posen angekündigt. An diesem Tag soll sich der Minister für Verwaltung und Digitalisierung Michal Boni mit dem Premierminister Tusk treffen. Gegenüber Panoptykon hat er angekündigt, auf eine Verschiebung des Termins zu drängen. Kritiker verlangen die Herausgabe der nichtöffentlichen Unterlagen zur Verhandlung von ACTA. Ob die Unterredung Erfolg haben wird, muss sich erst zeigen. Über 150.000 Menschen haben bei Facebook für den 26.01. - den vermutlichen Tag der Unterzeichnung von ACTA - zugesagt. Da das Facebook-Event nicht von NGOs sondern von Einzelpersonen spontan organisiert wurde, ist noch nicht klar was genau an diesem Tag stattfinden wird. Die Zahlen sind mehr als beeindruckend für die kurze Zeit seitdem das Datum an die Öffentlichkeit gekommen ist. Die immense Zustimmung zeigt: Viele Polen lehnen die Unterzeichnung von ACTA ab und wollen ihrem Protest auch Luft machen.

Der Prozess um die Unterzeichnung von ACTA gewinnt zunehmend an Fahrt. Bereits am 24.01.2012 steht im Europaparlament ACTA im Rahmen eines „Austausches von Argumenten“ zum umstrittenen Abkommen auf der Tagesordnung. Im Tagesordnungspunkt zu ACTA wird auch Mexiko als Unterzeichnerstaat erwähnt – obwohl dort sowohl Kongress als auch Senat bereits ACTA abgelehnt hatten.

Der polnische Protest gegen ACTA hat vielleicht auch mit den Erfahrungen der Polen mit der Vorratsdatenspeicherung – einem weiteren datenschutzrechtlichen Sündenfall der EU-Kommission – zu tun. Polen ist mit einem jährlichen Abfragevolumen von 1,4 Millionen Vorratsdatensätzen trauriger Spitzenreiter in der EU. Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung hat mehrfach auf den sich häufenden Missbrauch der Vorratsdaten gegen Journalisten hingewiesen. Die Bürgerrechtsorganisation Panoptykon – die maßgeblich am Protest gegen ACTA mitwirkt - nimmt seit mehreren Jahren an gemeinsamen Protestaktionen mit dem AK Vorrat teil. Sie veranstalteten im Rahmen der europäischen Aktionswoche "Freedom not Fear" – dem europäischen Gegenstück zu Freiheit statt Angst - Events in Warschau und vertreten die Interessen polnischer Internetnutzer im Rahmen von Anhörungen zur Vorratsdatenspeicherung auch auf europäischer Ebene.

Blog-Beitrag von Katta - Dieser Beitrag gibt die persönliche Meinung des Autors wieder. Weitere Meldungen von Mitgliedern des AK-Vorrat finden Sie in der Rubrik Informationen / Blog.

 
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