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Kassiert der Europäische Gerichtshof nun die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung? (28.01.12) Drucken E-Mail

Pünktlich zum heutigen Europäischen Datenschutztag wurde bekannt, dass der irische High Court am gestrigen Freitag dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg die Frage vorgelegt hat, ob die EU-Richtlinie zur sechsmonatigen verdachtslosen Vorratsspeicherung aller Verbindungsdaten gegen die EU-Grundrechtecharta oder gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstößt und deshalb ungültig ist.[1]

Nun haben die EU-Mitgliedstaaten, die EU-Kommission, das Europäische Parlament und der Rat zwei Monate lang Gelegenheit, zu der Vorlage Stellung zu nehmen. Bejaht der EU-Gerichtshof sodann einen Grundrechtsverstoß, wird er die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung für ungültig erklären. Die Pflicht zur Umsetzung der Richtlinie entfällt dann ebenso wie das laufende EU-Verfahren gegen Deutschland wegen Nichtumsetzung. 

"Eine Nichtigerklärung würde Deutschland darin bestätigen, keine erneute verdachtslose Sammlung von Telefon-, Handy-, E-Mail- und Internetdaten angeordnet zu haben", erklärt Kai-Uwe Steffens vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung. "In Anbetracht der früheren Nichtigerklärungen durch die Verfassungsgerichte Rumäniens, Deutschlands und der Tschechischen Republik ist zu erwarten, dass auch der Europäische Gerichtshof eine Unvereinbarkeit mit unseren Grundrechten feststellen und die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung kippen wird."

Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung fordert nun:

  1. Das Bundesjustizministerium muss sich aktiv in das Verfahren einbringen und dem Europäischen Gerichtshof die Grundrechtsverstöße der Richtlinie sowie die Unwirksamkeit und Unverhältnismäßigkeit von Vorratsdatenspeicherungen aufzeigen.
  2. Bis zur Entscheidung des Gerichtshofs darf Deutschland keinerlei Vorratsdatenspeicherung einführen, um nicht gegen die Europäische Menschenrechtskonvention zu verstoßen. Insbesondere darf die von der Bundesjustizministerin geplante Vorratsspeicherung aller Internetverbindungen nicht kommen, weil sie Deutschlands 50 Mio. Internetnutzer der Möglichkeit anonymer Information und Kommunikation berauben würde, auf die hilflose oder ratsuchende Menschen ebenso angewiesen sind wie politische Aktivisten, Ärzte, Rechtsanwälte und Journalisten.
  3. Bis zur Entscheidung des Gerichtshofs muss die EU-Kommission alle Vertragsverletzungsverfahren wegen Nichtumsetzung der angefochtenen Richtlinie aussetzen.

Kläger in dem Gerichtsverfahren ist die irische Bürgerrechtsorganisation Digital Rights Ireland. Im Jahr 2010 unterzeichnete diese gemeinsam mit 100 weiteren europäischen Organisationen einen Brief an EU-Innenkommissarin Malmström, der eine "Abschaffung der EU-Vorgaben zur Vorratsdatenspeicherung zugunsten eines Systems zur schnellen Sicherstellung und gezielten Aufzeichnung von Verkehrsdaten, wie es in der Cybercrime-Konvention des Europarats vereinbart worden ist", fordert.[2]

Der irische High Court entschied bereits 2010:[3] "Es ist klar, dass Überwachungsmaßnahmen gerechtfertigt sein müssen und in der Regel gezielt erfolgen sollten". Die Zulässigkeit einer ungezielten Vorratsdatenspeicherung sei potenziell "für die gesamte Ausrichtung unserer Gesellschaft von Bedeutung". Die klagende Bürgerrechtsorganisation Digital Rights Ireland dürfe daher überprüfen lassen, "ob die angefochtenen Bestimmungen die Bürgerrechte auf Privatsphäre und Telekommunikation verletzen".

Ergänzung vom 30.03.2012: Die Vorlagefragen des High Court sind nun veröffentlicht.

 
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