[Blog] Analyse der Vorratsdaten-Studie des Max-Planck-Instituts (02.02.2012) |
Letzte Woche ist die vom Juli 2011 datierende 270-seitige Studie des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht mit dem Titel "Schutzlücken durch Wegfall der Vorratsdatenspeicherung? Eine Untersuchung zu Problemen der Gefahrenabwehr und Strafverfolgung bei Fehlen gespeicherter Telekommunikationsverkehrsdaten" veröffentlicht worden (pdf). Die Veröffentlichung zog vielfältige, konträre Bewertungen der Untersuchung nach sich. Noch niemand scheint sich aber im Einzelnen mit dem Inhalt der Studie auseinandergesetzt zu haben. Dies soll an dieser Stelle nachgeholt werden. 1. Die Sichtweise und Argumentation der ErmittlerDie Forscher haben für die Studie mit Polizeibeamten, Staatsanwälten und Richtern gesprochen, die beruflich mit der Verfolgung von Straftaten und der Abwehr von Gefahren befasst sind. Diese fordern die Wiedereinführung einer anlasslosen Erfassung aller Verbindungs-, Standort- und Internetzugangsdaten mit der Begründung, viele Straftaten seien auf andere Weise nicht aufklärbar. Diese Annahme wird erstens auf allgemeine gesellschaftliche Entwicklungen, zweitens auf Einzelfallschilderungen und drittens auf statistische Auswertungen gestützt. 1.1 Gesellschaftliche Entwicklungen Die Veränderung des gesellschaftlichen Umfelds bewerten die Kriminologen wie folgt [S. 73/93]:
Dass Straftäter heutzutage oftmals elektronisch statt wie früher mündlich oder postalisch kommunizieren, bedeutet also nicht, dass die Benutzung der Kommunikationsnetze total nachvollziehbar sein müsste, wie es auch bei der mündlichen und postalischen Kommunikation nie der Fall gewesen ist. 1.2 FallbeispieleDie beispielsweise vom Bundeskriminalamt oder der EU-Kommission als Beleg der angeblichen Erforderlichkeit einer Vorratsdatenspeicherung angeführten Einzelfälle beleuchten die Forscher ausführlich. Sie analysieren detailliert die Kriminalitätsfelder Softwarekriminalität, Netzkriminalität, Kinderpornografie, Tötungsdelikte, Grooming, Stalking, Bedrohung, Erpressung, organisierte Kriminalität und Fälle von "Enkeltricks". Die Untersuchung führt zu dem Ergebnis, das keines der in diesen Bereichen genannten Einzelfallbeispiele Schutzlücken mangels Vorratsdatenspeicherung zu belegen vermag [S. 219/239]:
In der Tat sind Einzelfälle vornherein nicht geeignet, einen Schluss auf die Frage der Erforderlichkeit einer Vorratsdatenspeicherung zuzulassen: Wurde eine Straftat mithilfe von Vorratsdaten aufgeklärt, besagt dies nicht, dass die Aufklärung andernfalls misslungen wäre (trotz Abrechnungsdaten, auf besondere Anordnung gespeicherter Daten und anderer Ermittlungsansätze). Blieb eine Straftat hingegen nach erfolgloser Verkehrsdatenabfrage unaufgeklärt, besagt dies nicht, dass die gewünschten Verkehrsdaten zur Aufklärung der mutmaßlichen Straftat geführt hätten (und nicht bloß beispielsweise zu einer öffentlichen Telefonzelle, einer unregistrierten Handykarte oder einem offenen Internetzugang). Einzig die befragten Richter räumten dies ein [S. 172/192]:
Das Forscherteam stellt klar, dass die bloße Verfügbarkeit von Daten noch keinen Schluss auf deren Erforderlichkeit zulässt [S. 66/86]:
Im Bereich des Austauschs von Missbrauchsdarstellungen über das Internet kritisieren die Forscher die Argumentation, durch Verfolgung solcher Fälle könnten Kinder vor Missbrauch geschützt werden [S. 94/114]:
Auch die Bedeutung von Großverfahren mit Bezeichnungen wie "Operation Landslide", "Operation Pecunia" oder "Operation Himmel", bei denen Webserver-Vorratsdaten (access logs) für großflächige Ermittlungen genutzt werden, relativieren die Kriminologen [S. 94/114 ff.]:
Und abschließend [S. 222/242]:
Dieser Befund ist eine Breitseite gegen den Gesetzentwurf des Bundesjustizministeriums, demzufolge insbesondere zur Verfolgung des Austauschs von Missbrauchsdarstellungen im Internet die Identität aller Internetnutzer sieben Tage lang auf Vorrat gespeichert und dadurch eine anonyme Internetnutzung ohne Furcht vor Nachteilen weitgehend unmöglich gemacht werden soll. Die Heranziehung von Einzelfällen zur Begründung der Erforderlichkeit einer Vorratsdatenspeicherung angeführten Einzelfälle kritisieren die Autoren an einer Stelle mit besonders klaren Worten [S. 106/126]:
1.3 Zugriffsstatistiken von BKA, LKA und EU-KommissionAus den oben genannten Gründen taugen auch die Zugriffsstatistiken etwa des Bundeskriminalamts oder der EU-Kommission nicht zur Überprüfung der Erforderlichkeit einer Vorratsdatenspeicherung. Zu den - schon vom AK Vorrat kritisierten - BKA-Zahlen schreibt das Max-Planck-Institut [S. 76/96]:
Die mangelnde Aussagekraft des Evaluierungsberichts der EU-Kommission vom April 2011 wird - in Übereinstimmungen mit den Stellungnahmen etwa von European Digital Rights und Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung - besonders ausführlich kritisiert [S. 78/98]:
Und weiter [S. 133/153]:
Letztlich wird der EU-Evaluierungsbericht mit den folgenden Worten verworfen [S. 131/151]:
1.4 Alternative BegründungsansätzeEin interessantes Argument der Ermittler geht dahin, Vorratsdaten komme eine "Filterfunktion"
zu, ohne welche eingriffsintensivere Ermittlungsinstrumente wie
Telekommunikationsüberwachung oder Observation verstärkt eingesetzt werden müssten. Tatsächlich greifen solche
Überwachungsmaßnahmen gegen konkret Tatverdächtige unvergleichlich
weniger in Freiheitsrechte ein als eine Erfassung des
Telekommunikationsverhaltens der gesamten unverdächtigen Bevölkerung.
Die Ermittler beschränken ihre Vergleichsbetrachtung fälschlich auf
Verkehrsdatenabfragen, anstatt die weit darüber hinaus reichende
Eingriffstiefe einer verdachts- und unterschiedslosen
Vorratsdatenspeicherung zu berücksichtigen. Die Ermittler
weisen weiter darauf hin, wegen der eingeschränkten Verfügbarkeit von
Verkehrsdaten müssten sie sehr früh und ungezielt Auskünfte
über Telekommunikationsdaten einholen. Um diesem Problem abzuhelfen, bedarf es keiner
Vorratsdatenspeicherung, sondern lediglich der Einführung von
Sicherungsanordnungen. Diese geben der Polizei die Möglichkeit,
potenziell relevante Daten zunächst bei dem Anbieter sichern zu lassen,
ohne sie zugleich herausverlangen zu müssen. 2. Die objektive AufklärungsquoteAls aussagekräftigeren Indikator für die Frage der Erforderlichkeit einer anlasslosen Vorratsdatenspeicherung ziehen die Forscher - wie zuvor bereits mehrfach der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung - die polizeiliche Kriminalstatistik und die darin verzeichnete Aufklärungsquote heran. Sie betrachten neben der durchschnittlichen Aufklärungsquote in den letzten Jahren auch die Zahlen für einzelne, in der Diskussion besonders häufig genannte Deliktsbereiche (Softwarekriminalität, Netzkriminalität, Kinderpornografie, Tötungsdelikte, Grooming, Stalking, Bedrohung, Erpressung, organisierte Kriminalität). Das Ergebnis ist immer gleich: Eine Auswirkung von Inkrafttreten und Außerkrafttreten des Gesetzes zur Vorratsdatenspeicherung auf die Aufklärungsquote ist in keinem Bereich erkennbar. Beispielhaft kann die Untersuchung des Bereichs der Computerkriminalität genannt werden, zu dem es heißt [S. 86/106]:
Zur Verbreitung von Kinderpornografie heißt es [S. 97/117]:
Diesen bereits vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung veröffentlichten Erkenntnissen fügt das Max-Planck-Institut nun zwei weitere Kontrollüberlegungen hinzu: Erstens der Vergleich mit einem Staat, in dem noch nie ohne Anlass auf Vorrat gespeichert wurde (Österreich), und zweitens der Vergleich mit einem Staat, in dem schon seit Jahren ohne Anlass auf Vorrat gespeichert wird (Schweiz). Der Vergleich mit der Situation in Österreich führt zu dem Ergebnis, dass die Aufklärungsquote dort sogar noch etwas höher war als in Deutschland, wo 2008 und 2009 ein Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung in Kraft war [S. 98/118]:
Und der Vergleich zu der Situation in der Schweiz führt zu folgendem Ergebnis [S. 123/143]:
Schweizer Ermittler klagen also trotz Vorratsdatenspeicherung über die eingeschränkte Identifizierung von Tatverdächtigen und erzielen keine höhere Aufklärungsquote als deutsche Ermittler, denen keine anlasslos gesammelten Vorratsdaten zur Verfügung stehen. Zusammenfassend führt der Bericht aus [S. 219/239]:
Im Widerspruch zu diesen Feststellungen scheint eine andere Passage des Berichts zu stehen [S. 225/245]:
Jeder einzelne der genannten Faktoren wie auch das Zusammentreffen von mehreren kann im Einzelfall zur Unerreichbarkeit von Verkehrsdaten und in der Folge auch zur Unaufklärbarkeit des Falles führen. Besonders häufig ist diese Konstellation derzeit im Bereich der IuK-Kriminalität festzustellen. Eine belastbare Quantifizierung ist derzeit freilich noch nicht möglich. Nach übereinstimmernden Angaben ist der Anteil jedenfalls als hoch einzuschätzen. Der scheinbare Widerspruch löst sich möglicherweise dadurch auf, dass als Ursache dieser "Schutzlücke" nicht das Ende der Vorratsdatenspeicherung genannt wird. Nichtsdestotrotz steht die Einschätzung, dass die Unerreichbarkeit von Verkehrsdaten "besonders häufig" zur
Unaufklärbarkeit von Netzkriminalität (IuK-Kriminalität) führe, im Widerspruch zu der Erkenntnis der
Forscher, dass die Verfügbarkeit zusätzlicher Verkehrsdaten in den
meisten Fällen an der späteren Einstellung des Ermittlungsverfahrens nichts ändert. Dass Netzkriminalität "besonders häufig" unaufklärbar sei, ist ausgehend von der im Bericht selbst zitierten Kriminalstatistik nicht nachvollziehbar. Im Jahr 2010 und damit im Wesentlichen nach dem Ende der
Vorratsdatenspeicherung wurde im Bereich der Internetkriminalität eine Aufklärungsquote von 71% erreicht. Damit waren
im Internet begangene Straftaten ohne Vorratsdatenspeicherung
deutlich häufiger aufzuklären als außerhalb des Internet begangene
Straftaten (55%). 3. Erklärungsansätze für das Auseinanderfallen von Wahrnehmung und WirklichkeitWie ist es zu erklären, dass Ermittler das Ende der anlasslosen Vorratsdatenspeicherung als massives Ermittlungshindernis wahrnehmen, während statistisch keine signifikante Auswirkung auf die Aufklärungsquote erkennbar ist? Der Forschungsbericht liefert einige Erklärungsansätze. 3.1 Geringe RelevanzZunächst einmal werden Vorratsdaten vergleichsweise selten benötigt [S. 120/140]:
Über 99% aller Aufklärungserfolge wurden ohne Rückgriff auf Vorratsdaten erzielt, hat der eco-Verband errechnet. Hinzu kommt: Wo Verkehrsdaten verfügbar sind, führen sie oftmals nicht zum Erfolg. In weniger als 20% der Fälle von Verkehrsdatenabfragen ist "in der Akte zu den jeweiligen Beschlüsse mindestens ein spezifischer Erfolg, wie z.B. die Ermittlung weiterer Täter, die Lokalisierung eines Täters, etc. verzeichnet" [S. 65/85]. Die meisten Ermittlungsverfahren mit erfolgreicher Verkehrsdatenabfrage werden letztlich gleichwohl eingestellt. Es ist möglich, dass eine anlasslose Vorratsdatenspeicherung in so wenigen Fällen weiter führt, dass sich die Aufklärungsquote insgesamt nicht messbar erhöht [S. 82/102]:
Es ist allerdings unsicher, ob eine Vorratsdatenspeicherung die Zahl der aufgeklärten Straftaten überhaupt (auch nur unwesentlich) steigert. Falls Vorratsdatenspeicherung tatsächlich vereinzelt Straftaten aufklären helfen sollte, stellt sich die Frage, ob es jede einzelne sonst unaufklärbare Straftat rechtfertigt, das Kommunikations- und Bewegungsverhalten der gesamten Bevölkerung zu erfassen, ohne jeden Anlass und ohne jeden messbaren Einfluss auf das Entdeckungsrisiko von Straftätern. Es liegt auf der Hand, dass diese Frage nach meiner Überzeugung klar zu verneinen ist. Und ich hoffe, dass dies auch der Europäische Gerichtshof bei der anstehenden Überprüfung der EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung so sehen wird. 3.2 Verwechselung der Ursachen der Unaufklärbarkeit von StraftatenErmittlungen scheitern aus Sicht der Behörden immer wieder an Negativauskünften der Anbieter, was dem Ende der Vorratsdatenspeicherung zugeschrieben wird, während es tatsächlich auf anderen Ursachen beruht. Die Studie nennt eine Vielzahl von Ermittlungshindernissen, die mit dem Ende der Vorratsdatenspeicherung nichts zu tun haben:
In der Summe machen die Forscher eine "Schutzlücke" im Bereich der Netzkriminalität aus [S. 224/244]:
Gleichzeitig weisen die Autoren die Annahme zurück, gerade das Ende der Vorratsdatenspeicherung stelle die wesentliche Ursache dieser "Schutzlücke" dar [S. 221/241]:
3.3 Kontraproduktive EffekteLeider nur kursorisch gehen die Forscher auf die Möglichkeit ein, dass die Unerheblichkeit einer Vorratsdatenspeicherung für die Aufklärungsquote darauf beruhen könnte, dass die Datenspeicherung zwar eine statistisch relevanten Zahl von Ermittlungsverfahren weiter führen könnte, dass sie die Aufklärung mindestens ebenso vieler anderer Straftaten aber unmöglich machen könnte. Solche kontraproduktiven Effekte einer Vorratsdatenspeicherung könnten eine weitere wichtige Erklärung für das Auseinanderfallen von wahrgenommener Nützlichkeit und messbarer Wirkungslosigkeit sein. Nur einen kontraproduktiven Effekt sprechen die Forscher an [S. 72/92]:
Eine Vorratsdatenspeicherung kann also dazu führen, dass wenig erfolgversprechende Massenverfahren oder Massenabfragen polizeiliche Arbeitskraft binden, die andernfalls zur gezielten und aussichtsreicheren Verfolgung schwerer Straftaten genutzt werden würde. Die mangelnden Ergebnisse der Funkzellenabfragen in Berlin verdeutlichen dies. Ein zweiter kontraproduktiver Effekt wird nicht angesprochen: Entfällt durch eine Vorratsdatenspeicherung die Möglichkeit zur nicht rückverfolgbaren Erstattung von Strafanzeigen per Telefon, Fax, Internet oder E-Mail, so werden manche Straftaten schlicht nicht mehr angezeigt und können deswegen nicht mehr verfolgt werden. Beispielsweise dürften Strafanzeigen wegen Straftaten im eigenen Unternehmen oder auch wegen Kinderpornografie im Internet aus Furcht vor Nachteilen oftmals nur im Schutz der Anonymität erstattet werden. Auch eine dritte kontraproduktive Wirkungsweise einer Vorratsdatenspeicherung lässt die Studie unerwähnt: Wenn Straftäter wegen eines Gesetzes zur Vorratsdatenspeicherung mit einer jederzeitigen Rückverfolgbarkeit rechnen müssen, weichen sie verstärkt auf andere Kommunikationskanäle aus (z.B. persönliche Kommunikation, wechselnde Telefonzellen, wechselnde unregistrierte SIM-Handykarten, wechselnde öffentliche WLAN-Internetzugänge, ausländische Anonymisierungsdienste). Weil solche anonymen Kommunikationskanäle selbst bei dringendem Verdacht einer schweren Straftat auf besondere Anordnung nicht mehr überwachbar sind, führt eine Vorratsdatenspeicherung letztlich zur Unaufklärbarkeit schwerer Straftaten. Nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Vorratsdatenspeicherung im Jahr 2008 erklärten 46% der in einer Umfrage Befragten, sie wollten einen Anonymisierungsdienst einsetzen oder täten dies bereits. 25% wollten Internet-Cafés nutzen oder taten dies bereits. Es liegt nun auf der Hand, dass die Ermittler solche schleichend eintretenden Strafverfolgungshinternisse kaum wahrnehmen und jedenfalls nicht der Vorratsdatenspeicherung als Ursache zuordnen können. Demgegenüber steht den Ermittlern sehr deutlich vor Augen, dass nach dem Ende der Vorratsdatenspeicherung plötzlich viel weniger Daten zu ihrer Verfügung stehen. Vor diesem Hintergrund erklärt sich, dass sich die Praktiker von einer Vorratsdatenspeicherung einen erheblichen Nutzen versprechen und sich nicht erklären können, weshalb unter dem Strich ein messbarer Nutzen tatsächlich nicht nachzuweisen ist. Dass dem mangelnden Nettonutzen einer Vorratsdatenspeicherung schwere Nachteile gegenüber stehen, etwa weil sich potenzielle Täter und Opfer von Straftäter nicht mehr anonym bei Beratungsstellen informieren und helfen lassen können, soll an dieser Stelle nicht näher ausgeführt werden. Gegenstand des Forschungsberichts war nur die Frage nach etwaigen Schutzlücken durch das Ende der anlasslosen Vorratsspeicherung aller Verbindungsdaten, nicht aber die Frage nach Schutzlücken durch eine solche Vorratsdatenspeicherung. 4. ErgebnisIm Ergebnis bestätigt der Forschungsbericht, dass das Ende der verdachts- und wahllosen Vorratsdatenspeicherung keinen erkennbaren Einfluss auf die Zahl der begangenen und den Anteil der aufgeklärten Straftaten hatte. Dies schließt zwar nicht aus, dass einzelne nun unaufklärbare Straftaten im Fall einer Vorratsdatenspeicherung hätten aufgeklärt werden können. Sicher ist dies aber nicht. Es ist umgekehrt auch möglich, dass eine Vorratsdatenspeicherung durch ihre kontraproduktiven Wirkungen die Verfolgung einer größeren Zahl von Straftaten vereitelt hätte. Sicher ist einzig, dass sich etwaige positive und negative Effekte einer Vorratsdatenspeicherung in der Summe auf die Strafverfolgung nicht statistisch nachweisbar auswirken. Es ist ein Verdienst dieses Berichts, diese Feststellung durch einen Vergleich mit dem Ausland abgesichert zu haben. Ferner ist es von großem Wert, dass sich die Forscher mit den immer wieder angeführten Zahlen und Fallbeispielen von BKA, LKA und EU-Kommission im Einzelnen auseinandergesetzt und deren Irrelevanz für die Frage der Vorratsdatenspeicherung aufgezeigt haben. Wünschenswert zu weiteren Erforschung der Sachlage wäre eine repräsentative Analyse von Ermittlungsverfahren vor, während und nach der Geltung des verfassungswidrigen Gesetzes zur Vorratsdatenspeicherung. Eine solche Auswertung verspricht weitere Erkenntnisse, welche die Unzufriedenheit der Ermittler weiter besänftigen könnten. Nach meinen Informationen arbeitet das Max-Planck-Institut bereits an einer Folgestudie, die genau in diese Richtung geht. Ein weiteres Verdienst der Studie ist es, die Vielgestaltigkeit der Ursachen für die Unzufriedenheit der Ermittler aufgezeigt zu haben. Von dieser Unzufriedenheit wird äußerlich bislang nur die demonstrative Forderung nach einer neuerlichen Vorratsdatenspeicherung wahrgenommen, nicht aber die Kritik an einer ganzen Liste von Ermittlungshindernissen, die mit Vorratsdatenspeicherung nichts zu tun haben. Diese Hindernisse zu beseitigen, liegt in vielen Bereichen im gemeinsamen Interesse von Bürgerrechtlern und Ermittlern, etwa hinsichtlich der Forderung nach einer transparenten und einheitlicheren Löschpraxis der Anbieter. Es wäre wünschenswert, dass die Politik aus der verminten Sackgasse der Vorratsdatenspeicherung herausfindet und Ermittler, Anbieter, Bundesnetzagentur und Bürgerrechtler an einen gemeinsamen Tisch bringt, um die in der Ermittlungspraxis tatsächlich auftretenden Probleme konstruktiv und im Konsens anzugehen. Vorschläge des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung dazu liegen bereits auf dem Tisch (pdf). Handlungsbedarf zeigt die Studie auch in anderer Richtung auf: Von Telefonzellen seien stets sehr weit zurückreichende Verbindungsdaten vorrätig, was mit dem Telekommunikationsgesetz nicht in Einklang stehen dürfte. Ferner soll es Anbieter geben, die dem Kundenwunsch nach Anonymisierung (Verkürzung) der gewählten Zielrufnummern nur auf dem Papier Rechnung tragen, tatsächlich die Verkehrsdaten aber weiterhin unverkürzt speichern. Schließlich ist es unbefriedigend, dass Polizei, Staatsanwälte und Richter nicht prüfen, ob heraus verlangte Daten überhaupt rechtmäßig gespeichert werden dürfen [S. 173/193]. Die Begründung, man habe von dem gewählten Tarif keine Kenntnis, greift bei in keinem Tarif abrechnungsrelevanten Daten nicht ein (z.B. IMEI-Gerätekennung, versuchte Verbindungen). Auch diese Probleme bedürfen einer Lösung. Blog-Beitrag von Patrick - Dieser Beitrag gibt die persönliche Meinung des Autors wieder. |
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