Diskussionsrunde mit Frau Zypries ['s Pressesprecherin] (17.11.2007) |
Veranstaltung: Deutschland - Land der Bürgerrechte [?]Ein kleiner Bericht von Reinhard Szalghary Diskussionsrunde mit Frau Zypries und Frau Leutheusser-SchnarrenbergerAuf Einladung der Friedrich-Naumann-Stiftung hielt der Dehler-Biograf Prof. Dr. Udo Wengst eine feierliche Würdigungsrede für den ersten deutschen Justizminister und streitbaren Liberalen Thomas Dehler. Anschließend moderierte der ARD-Rechtsexperte Karl-Dieter Möller ein Podiumsgespräch zwischen Brigitte Zypries, Bundesministerin der Justiz, und ihrer Vor-Vor-Vorgängerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Hierbei ging es auch schwerpunktmäßig um die Vorratsdatenspeicherung. Frau Zypries führte aus, dass in Grundrechte auf Basis von Gesetzen eingegriffen werden dürfe, wenn diese Eingriffe verhältnismäßig sind. Sie erklärte zudem erneut ihre eigentümliche Auslegung der informationellen Selbstbestimmung, wonach diese vor allem darin bestünde, dass der Bürger wissen müsse, wer Daten über ihn speichert. Frau Leutheusser-Schnarrenberger verwies dagegen auf Artikel 2 GG und betonte, dass zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit nicht auf einen konkreten Anlass und einen bestimmten Personenkreis verzichtet werden kann. Frau Zypries verteidigte die Vorratsdatenspeicherung damit, dass sich die Bedeutung der Telekommunikationsdaten bei Aufklärung der Terroranschläge von Madrid und London gezeigt habe. Sie wiederholte ihre bekannte Argumentation, die Datenspeicherung erfolge nicht durch den Staat, sondern nur durch die Provider, welche hierfür auch keine neuen Daten generieren müssten. Nachdem man das Vorhaben im Ministerrat noch habe blockieren können, erfolge nun die Umsetzung der EU-Richtlinie auf niedrigem Niveau. Sie beklagte unwahre Berichterstattung und das Schüren von Ängsten in der Presse. Es bestand dann nur für einen Augenblick die Möglichkeit zu Wortmeldungen, wobei mir jedoch spontan keine gute Frage einfiel, die geeignet gewesen wäre, Frau Zypries nicht nur Vorhaltungen zu machen, sondern öffentlich Widersprüche aufzuzeigen. Die Podiumsdiskussion wurde beendet und zu Gesprächen in kleinem Kreis bei einem Glas Wein oder Saft geladen. Gespräch im kleinen Kreis mit Aktivisten des Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung
In einer privaten Gesprächsrunde wurde Frau Zypries nun sogleich darüber "befragt", dass doch einige der nun zu speichernden Daten bisher nicht gespeichert worden sind, so etwa Handy-Standortdaten. Frau Zypries meinte, sie wüsste nicht, ob diese bisher schon gespeichert würden. Als Aktivisten des AK-Vorrat suchten nun Martin und ich eine Diskussion mit Frau Zypries. Ich bekräftigte Frau Zypries dabei zunächst insofern, als dass auch wir sehr unzufrieden mit den Darstellungen in der Presse waren, da die ganze Tragweite der Vorratsdatenspeicherung, die Gesamtheit der zu speichernden Daten und alle Zugriffsmöglichkeiten in kaum einem Bericht korrekt dargestellt wurden. Das erheiterte Frau Zypries und sie bekräftigte nun ihrerseits mein Urteil mit einem "Copy und Paste". Nachdem wir uns nun schon so einig waren, fragte ich nach
Patrick Breyers Interpretation der letzten Änderungen im
Rechtsausschuss bezüglich Internet-bezogener § 113 TKG-Anfragen ohne
Richtervorbehalt. Frau Zypries wandte sich an ihre Pressesprecherin und anschließend meinten
Ich fragte Frau Zypries anschließend, ob aufgrund der Praxis des IP-adressbezogenen Profiling von Nutzern diverser Internet-Dienstanbieter wie Amazon oder Google nicht neue Datenschutzstandards im Internet gelten müssten, wenn IP-Adressen und Internetidentitäten nun vorrätig protokolliert würden. Diese Frage verstand sie zunächst nicht und dachte, ich spreche hier von Providern. Ich versuchte das nochmal verständlicher zu formulieren, wobei sich Frau Zypries jedoch immer wieder zu Tisch oder Handtasche wegdrehte, bis sich schließlich ihre engagierte Pressesprecherin zwischenschob und unser Gespräch übernahm. Diese Frau war juristisch fit, rhetorisch geübt und sachverständig. Wenn es uns gelang, argumentativ zu punkten, zeigte sich das darin, dass von ihr mal keine Antwort auf eine Frage kam. So erklärte sie mir als juristischem Laien zwar die Definition von Verhältnismäßigkeit, konnte dann aber nicht meine Frage beantworten, auf welcher Grundlage die Verhältnismäßigkeit der Vorratsdatenspeicherung im Hause des Bundesjustizministeriums denn abgewogen wurde. Sie bestand dennoch darauf, es wären hier sehr viele Straftaten betroffen und unsere unterschiedliche juristische Bewertung basiere auf unterschiedlichen Rechtsauslegungen. So verwies sie auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts im Fall der Beschwerde gegen die richterlich angeordnete Auskunft über Telekommunikations-Verbindungsdaten von Journalisten zur Strafverfolgung des wegen Kreditbetrugs gesuchten Jürgen Schneider. Ich konterte mit dem Hinweis auf die klaren Kriterien des Bundesverfassungsgerichts zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit. Dass der Öffentlichkeit ein Evaluationsgutachten des Freiburger Max-Planck-Instituts über die heutige Praxis der Nutzung von Verbindungsdaten vorenthalten wird, bestritt sie zunächst, argumentierte dann mit fehlender Relevanz und behauptete schließlich eine formal mangelhafte wissenschaftliche Qualität, die Nacharbeiten erforderlich mache. Wir diskutierten dann den Quick-Freeze als Maßnahme mit geringerer Eingriffsintensität. Keine Antworten erhielten wir weiterhin auf vorgebrachte Widersprüche zwischem vermeintlichem Richtervorbehalt einerseits und vorgesehenen Geheimdienstzugriffen andererseits oder den Unterschieden zwischen erheblichen und schweren Straftaten. Sie betonte jedoch die Bedeutung der Verfolgung auch geringerer Straftaten, wie Stalking, was jedoch ein klassicher Fall für ein Quick-Freeze ist. Hinsichtlich unserer Sorgen in Bezug auf Datenfehler, leichte Verdächtigungen, Zufallsfunde und Einschüchterung der Bürger vertrat sie den Standpunkt, dass von staatlicher Seite keine ungerechtfertigte Repression ausgehe - ein auch in Anbetracht der Weitläufigkeit der § 129a StGB-Ermittlungspraxis etwas eigentümlicher Standpunkt. Gegen die absehbare Blockade neuer Internetzugangstechnologien wie FON oder Freifunk argumentierte sie mit einer laufenden Anpassung des geltenen Rechts an die Wirklichkeit. Sie erklärte uns, dass die ursprünglich auf den 01.01.2008 vorgezogene Pflicht zur Vorratsdatenspeicherung im Internet auf eine Initiative des Bundesinnenministeriums zurückging. Die Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung wolle man nun umsetzen, um nicht als unzuverlässiger Bündnispartner in der EU dazustehen. Martin kam nach diesem Gespräch ins Grübeln, wer im Bundesjustizministerium jetzt wirklich das Sagen hat. |