Ermitteln statt speichern - Totale Erfassung unserer Verbindungen und Bewegungen verhindern (29.11.) |
Das Ausmaß an Überwachung in Deutschland dokumentiert ein "Leitfaden zum Datenzugriff", den wir heute erstmals in voller Länge veröffentlichen.[1] Die Generalstaatsanwaltschaft München zählt in dieser "Verschlusssache" die heute schon angewandten Methoden zur Überwachung unserer Telekommunikation und Internetnutzung auf – von der stillen Ortungs-SMS bis zur umfangreichen Abfrage von Nutzerdaten. Das brisante Dokument belegt einen fahrlässigen Umgang der Ermittler mit verfügbaren Daten und einzuhaltenden Rechtsvorschriften. Dies verdeutlicht ein weiteres Mal, wie wichtig es ist, eine gänzlich verdachtslose Vorratsspeicherung aller unserer Verbindungsdaten zu verhindern. Im Einzelnen zählt der Leitfaden die folgenden Überwachungspraktiken deutscher Ermittlungsbehörden auf:
Nutzerdaten, die ausländische Internetfirmen wie Google, YouTube, Skype und Microsoft speichern, können laut Leitfaden zudem „präventiv“ „sehr schnell ... erlangt werden“. Der Leitfaden zum Datenzugriff enthüllt in verschiedenen Punkten einen äußerst fragwürdigen Umgang der Ermittler mit den schon heute verfügbaren Daten:
Der AK Vorrat fordert die bayerische Justizministerin Merk auf, die dokumentierten Rechtsbrüche der Generalstaatsanwaltschaft München sofort abzustellen. Überdies fordern wir eine Stellungnahme dazu, dass die Überwachung von Auslandsgesprächen zurzeit offenbar selbst bei konkreten Terrorverdacht nicht möglich ist, weil die entsprechenden Überwachungsvorrichtungen laut Leitfaden „auf Jahre hinaus ausgebucht“ sind. Solange die bestehenden rechtlichen Möglichkeiten zur gezielten Überwachung Tatverdächtiger nicht ausgeschöpft werden, ist es nicht akzeptabel, eine ungezielte Vorratsspeicherung des Kommunikationsverhaltens völlig Unverdächtiger zu fordern! Wie aussichtslos eine verdachtslose Vorratsspeicherung sämtlicher Verbindungsdaten gerade im Bereich der Internetnutzung wäre, zeigt der Leitfaden unter dem Stichwort „UMTS-Datenkarten“: UMTS-Internetnutzer lassen sich danach nicht anhand ihrer IP-Adresse identifizieren, weil IP-Adressen mehrfach vergeben würden und keine Portspeicherung erfolge. Weder die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung, noch der Gesetzentwurf der Bundesjustizministerin zur Vorratsdatenspeicherung würden daran etwas ändern mit der Folge, dass eine IP-Vorratsdatenspeicherung von vornherein leerlaufen würde, zumal auch andere Umgehungsmöglichkeiten wie Anonymisierungsdienste jederzeit zur Verfügung stünden. Gegenüber den bestehenden Ermittlungsmöglichkeiten hätte eine verdachtslose Vorratsdatenspeicherung eine grundlegend neue Qualität: Erstmals würde ein wichtiger Teil des täglichen Privatlebens unverdächtiger Personen ohne jeden Anlass und flächendeckend aufgezeichnet, weil der Staat dazu überginge, uns alle als potenzielle Straftäter zu betrachten. Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung ruft im Internet deswegen zu bundesweiten Protestaktionen gegen verdachtslose Vorratsdatenspeicherung am 14. Dezember 2011 auf.[2] Zu den im Zusammenhang mit der "Zwickauer Zelle" aufgewärmten Forderungen nach einer ungezielten Vorratsdatenspeicherung erklärt Werner Hülsmann vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung: „Die Eingriffsbehörden glauben doch wohl nicht im Ernst, dass sie mit den im Fall der 'Zwickauer Zelle' unterlaufenen Ermittlungspannen und Inkompetenz eine Totalprotokollierung der Verbindungen völlig unverdächtiger Bürger durchsetzen können." Michael Petersen vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung ergänzt: "Wer trotz Vorliegens eines Haftbefehls gegen Bombenbauer Verhaftungsmöglichkeiten ungenutzt verstreichen lässt,[3] dem ist mit keinem Überwachungsgesetz zu helfen. Die Verbindungsdaten der drei mit Haftbefehl Gesuchten hätten seit 1998 auch ohne Vorratsdatenspeicherung gezielt gespeichert und ausgewertet werden können. Wer die Ermittlungsbehörden wirklich stärken will, sollte die Geheimdienste auflösen und die eingesparten Mittel dort investieren, wo in den letzten Jahren tausende von Polizeistellen gestrichen wurden[4] und wo Beweismittel für schwere Straftaten jahrelang der Auswertung harren. Die Meinung von zwei Dritteln der Menschen in Deutschland[5] ist klar: Der Staat hat gegen Verdächtige kompetent zu ermitteln und nicht die Kommunikation Unschuldiger zu speichern!“ |