Demonstration 'Freiheit statt Angst' Hamburg 17.05. 2014 |
Durch den Whistleblower Edward Snowden wurde in den vergangenen Monaten der mit Abstand größte weltweite Überwachungsskandal aller Zeiten offenbart. Neben offensiver politischer Spionage und großflächiger Wirtschaftspionage gegen Europa und insbesondere Deutschland durch Geheimdienste der USA und Großbritanniens wurde ein Netz der Massenüberwachung bekannt, dessen Ausmaß für die meisten Menschen völlig unfassbar ist.
1. Politisches Asyl und Schutz für Whistleblower Wir rufen die Bundesregierung auf, eine verlässliche Rechtsgrundlage auch auf europäischer Ebene für den Schutz von Whistleblowern wie Edward Snowden zu schaffen. 2. Alle Fakten zur NSA/GCHQ-Affäre offenlegen Ein Untersuchungsausschuss des EU-Parlaments muss folgende Fragen klären: • Welches sind die vollständigen Möglichkeiten von großangelegten Überwachungsprogrammen wie PRISM und Tempora? • Welche Datenströme und Datenquellen nutzen diese? • Welche Verwaltungseinrichtungen der EU und ihrer Mitgliedsstaaten hatten Informationen über oder Zugang zu PRISM und vergleichbar weitreichenden Programmen oder zu Daten aus diesen? • Verhandlungen über eine Freihandelszone zwischen den USA und der EU müssen bis zur Klärung dieser Fragen ausgesetzt werden. • Die Europäische Kommission fordern wir zur Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens gegen das EU-Mitglied Großbritannien wegen Verstoßes gegen das im Lissabon-Vertrag verankerte Recht auf Schutz personenbezogener Daten auf. • Die Vorfälle müssen auch strafrechtlich aufgeklärt werden. Snowden ist als Zeuge zu hören und zu diesem Zweck unter Zeugenschutz zu stellen. Auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der NSA (amerikanischer Geheimdienst) und des GCHQ (britischer Geheimdienst) sind zu befragen. Gegebenenfalls ist von den USA eine Auslieferung der ermittelten Täterinnen und Täter zu verlangen. Die Beteiligung deutscher Dienste und Aufsichtsbehörden ist auf strafrechtlich relevantes Handeln zu prüfen. • Die Kanzlerin selbst muss vor einem Untersuchungsausschuss des Bundestages Rechenschaft ablegen. 3. Europäischen Datenschutz stärken Die derzeit verhandelte Datenschutz-Grundverordnung muss stärker auf einen breiten und weitreichenden Schutz von privaten und gewerblichen Daten ausgerichtet werden. Lobby-Anstrengungen in die Gegenrichtung müssen abgewehrt werden. Daten von Einwohnern der Europäischen Union dürfen nicht Geheimdienstorganisationen ausgeliefert werden. Wer in Deutschland abrufbare Kommunikationsdienste anbietet, muss vom Gesetzgeber in die Pflicht genommen werden, auch hiesige Datenschutzgesetze anzuwenden. Die EU-Abkommen zur Weitergabe von Fluggast- und Bankgeschäftsdaten mit den USA und anderen Drittstaaten sowie das sogenannte Safe-Harbor-Abkommen müssen angesichts der Spionagevorfälle ausgesetzt beziehungsweise aufgekündigt werden. Weiterhin müssen alle unrechtmäßig durch die Dienste gesammelten Daten umgehend vernichtet werden. 4. Internationales Abkommen zur Freiheit des Internets Das Internet soll weiterhin zur Unterstützung und Verbreitung demokratischer Grundwerte dienen und nicht zu deren Unterdrückung. Daher soll die Europäische Union auf ein internationales Abkommen zur Freiheit des Internets drängen. 5. Software zum Schutz der Privatsphäre fördern Wir rufen die Bundesregierung und die Europäische Union dazu auf, Forschungsprojekte für Entwicklung und Einsatz von Hard- und Software zum Schutz der Privatsphäre zu fördern. Projekte zur Entwicklung von Produkten, die der Überwachung der Bevölkerung dienen, sollen generell von der Förderung ausgenommen werden. Kommunikationsdienste dürfen nur verschlüsselt angeboten werden. 6. Allgemeine Kommunikationsüberwachung verhindern Der direkte Zugang für Regierungsorganisationen zu Internet-Backbones, wie bei Tempora, muss explizit verboten werden. Derartige Zugriffe ermöglichen den direkten Abgriff und die Speicherung aller Internetkommunikation ohne die Möglichkeit einer Kontrolle durch Dritte und kompromittieren jede Kommunikation und Privatsphäre. 7. Keine Vorratsdatenspeicherung (VDS) Jede Form von Vorratsdatenspeicherung, auch unter anderem Namen wie "Mindestspeicherfrist", lehnt das Hamburger Bündnis gegen Überwachung, unabhängig von der konkreten Umsetzung, strikt ab. Die anlasslose Speicherung von Kommunikationsdaten stellt einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Grundrechte dar und hat sich europaweit als weitestgehend nutzlos für die Verfolgung von Straftaten erwiesen. 8. Keine Bestandsdatenauskunft (BDA) Die Einführung einer Vorratsdatenspeicherung durch die Hintertür in Form der Bestandsdatenauskunft lehnen wir ebenfalls ab. Hierbei wird 250 staatlichen Stellen der einfache Zugriff auf E-Mail-Passwörter, Handy-PINs und gegebenenfalls Cloud-Dienste (Dropbox, Google Drive, Microsoft Skydrive etc.) gegeben. Schon bei einfachen Ordnungswidrigkeiten wie Falschparken können Kontodaten und IP-Adressen abgefragt werden. 9. Abschaffung von "Gefahrengebieten" in Hamburg Abseits von Telekommunikation und Internet wird auch der reale öffentliche Raum zunehmend anlasslos und verdachtsunabhängig überwacht. So können in Hamburg von der Polizeiführung ohne jegliche richterliche oder parlamentarische Kontrolle sogenannte "Gefahrengebiete" eingerichtet werden. In diesen kann die Polizei ohne Anlass oder Anfangsverdacht Personalien überprüfen und sie in diesem Zusammenhang speichern, kann Taschen kontrollieren und Aufenthaltsverbote aussprechen. In Hamburg bestehen derzeit vier dauerhafte "Gefahrengebiete", in denen die Grundrechte eingeschränkt werden. Wir fordern die Aufhebung aller Gefahrengebiete, des weiteren die Streichung des entsprechenden Passus im „Gesetz über die Datenverarbeitung der Polizei“ (HmbPolDVG). 10. Abrüstung von Überwachung bei Geheimdiensten und Strafverfolgern Wir fordern die Einhaltung der völkerrechtlich verbindlichen Resolution zum Schutz des Menschenrechts auf Privatsphäre auch im digitalen Zeitalter sowie eine vertragliche Reduzierung der Überwachung. Wir fordern den vollständigen Rückzug der Geheimdienste aus der Zivilgesellschaft. Es gibt aus gutem Grund eine Trennung zwischen Polizei und Geheimdiensten. Wir brauchen analog zum Wettrüsten des kalten Krieges internationale Abrüstungsverhandlungen und -abkommen für Überwachung und eine Ächtung von Massenüberwachungen. |