Vorratsdatenspeicherung: Streit über "Quick Freeze" von TK-Daten

Datenschützer und die Deutsche Telekom sehen das "Einfrieren" elektronischer Nutzerspuren auf Zuruf der Ermittler als Alternative zur verdachtsunabhängigen Vorratsdatenspeicherung. Doch viele Branchenmitglieder sind dagegen.

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Datenschützer, die FDP-Bundestagsfraktion und die Deutsche Telekom sehen das "Einfrieren" elektronischer Nutzerspuren auf Zuruf der Ermittler als Alternative zur verdachtsunabhängigen Vorratsdatenspeicherung. Doch viele Vertreter aus der Telekommunikationsbranche sind dagegen. Dies zeigte sich während eines Workshops des Bundesjustizministeriums "zur Klärung praktischer, technischer und finanzieller Fragen" zur Aufbewahrung von Verbindungs- und Standortdaten am gestrigen Montag in Berlin.

Eine offizielle Definition für das rasche Speichern der sogenannten Verkehrsdaten in einem konkreten Verdachtsfall gibt es hierzulande bislang nicht. Auch die Telekom spricht von "verschiedenen Ausprägungen" und verweist auf ein "normales" Quick Freeze, bei dem nur die ohnehin für die Abrechnung oder aus betrieblichen Gründen etwa zur Spamabwehr von den Providern selbst benötigten Verbindungsinformationen bei Bedarf im Interesse der Strafverfolgung länger aufbewahrt würden. Beim "Quick Freeze XXL" ginge es auch um die Speicherung der bei Flatrates anfallenden Verkehrsdaten. Derzeit löschen alle Zugangsanbieter diese Informationen im Einklang mit dem Urteil des Bundesverfassungsgericht, das die deutschen Bestimmungen zur Vorratsdatenspeicherung im Telekommunikationsgesetz (TKG) kippte. IP-Adressen werden momentan höchstens sieben Tage gespeichert, um etwa Sicherheitsprobleme besser angehen zu können.

Die Telekom favorisiert ein Basis-Quick-Freeze, da dabei der betriebliche Aufwand zur Speicherung der Daten im Vergleich zu dem auch als "Vorratsdatenspeicherung light" bezeichneten XXL-Modell "mittel" sei. Dem gegenüber sei sogar die "klassische Vorratsdatenspeicherung" noch mit geringerem Aufwand umsetzbar. Für Quick Freeze in allen Varianten könnten die für 10 Millionen Euro aufgebauten Speicherinfrastrukturen aber generell nicht verwendet werden, da manuelles Eingreifen immer nötig und dieses mit vergleichsweise hohen Personal- und Betriebskosten verbunden sei.

Hier setzen Bedenken des Verbands der Anbieter von Telekommmunikations- und Mehrwertdiensten (VATM) an. Quick Freeze "würde erneut erhebliche Investitionen in zusätzliche Technik für die Unternehmen bedeuten", heißt es in einem heise online vorliegenden Entwurf für ein Positionspapier. Die derzeit nicht gemäß TKG gespeicherten Daten müssten im Bedarfsfall erhoben und gespeichert werden. Dafür seien neue Schnittstellen "zu großen TK- und IT-Systemen" nötig und Prozesse, mit denen diese Daten aufgenommen, gefiltert und aufbewahrt werden können. Der VATM befürchtet eine "erhebliche Ausweitung der Auskunftsersuchen", falls die Alternative statt der Vorratsdatenspeicherung eingeführt würde. Dann würden nämlich die Strafverfolgungsbehörden zu jeder Abfrage parallel ein Quick-Freeze veranlassen, da sonst die Gefahr bestünde, dass potenzielle Beweisdaten schon gelöscht seien.

Alle Provider mit Privatverbrauchern als Kunden beschwerten sich im Workshop über die hohe Zahl an Anfragen wegen Urheberrechtsverletzungen, inzwischen bis zu 30.000 und 50.000 IP-Adressen pro Monat und Provider. Die Gerichte segneten Listen zum Auskunftsersuchen problemlos ab. Dies übersteige die Kapazitäten der Anbieter. Quick Freeze würde sich hier laut Branchenvertretern als noch problematischer erweisen. Das Justizministerium entgegnete, dass das Einfrieren höchstens bei schwersten Straftaten eingeführt werden sollte.

Die Situation in den USA, wo "Quick Freeze" praktiziert wird, lässt sich nach Meinung des VATM nicht mit den deutschen Verhältnissen vergleichen. Dort speicherten Telekommunikationsunternehmen aufgrund fehlender Datenschutzbestimmungen "nahezu ungehemmt Informationen über ihre Kunden für eigene Zwecke", auf die auch Sicherheitsbehörden zugreifen könnten.

Insgesamt ließen Regierungsvertreter bei dem Branchentreffen noch nicht durchblicken, wohin die Reise gehen soll. Das Bundesinnenministerium schien für eine "Vorratsdatenspeicherung light" zu plädieren, das Justizministerium sieht es mit Skepsis. Die dortige Verhandlungsführerin des Workshops, Marie Luise Graf-Schlicker, drängte zunächst darauf, alle möglicherweise zu speichernden Verkehrsdaten stark abzusichern – was die Unternehmen angesichts möglicher Kosten nicht sonderlich beglückte. Vor einer Entscheidung im Bundeskabinett will das Justizministerium zudem die laufende, sich immer wieder verzögernde Evaluierung der EU-Vorgaben zur Protokollierung der Nutzerspuren durch die EU-Kommission abwarten. (anw)