Die Dunkelziffer als Begründung für die Vorratsdatenspeicherung

Außer Kontrolle

Der hessische Landtag befasst sich mit der Vorratsdatenspeicherung. Die Polizei liefert auch gleich die Begründung für die Maßnahme und entwirft ein interessantes Szenario.

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Die Zahl der Fälle im Bereich der "Onlinekriminalität" ist in Hessen im Jahr 2010 gesunken. 3.200 Fällen im Vorjahr stehen nun 2.700 gegenüber. Der Pressesprecher der Polizei, Wolfgang Jungnitsch, sowie Mischer, Mitarbeiter des Zentralkommissariats (ZK) 50 für Online-Kriminalität im Polizeipräsidium Kassel, haben hierfür aber eine Erklärung, die wenig Freude aufkommen lässt.

So wird von beiden der Rückgang der Anzeigen im Bereich der Betrügereien nicht etwa als Rückgang der Betrügereien gewertet. Vielmehr sei der Spruch des Bundesverfassungsgerichts zur Vorratsdatenspeicherung der Grund dafür, dass weniger Menschen Anzeige erstatten, da sie ja der Meinung seien, dass die Polizei wegen des Urteils sowieso machtlos ist.

"Es ist jetzt nicht mehr möglich, Verbindungen zu Servern zurückzuverfolgen. Wir vermuten, dass deshalb viele Opfer von Betrugsfällen oder Belästigung im Internet gar nicht erst Anzeige erstatten."

Nun ist die Polizeistatistik sowieso eine Anzeigenstatistik, insofern kann immer nur die Entwicklung der Anzeigen dargestellt werden, nicht die der tatsächlichen Fälle. Das liegt in der Natur der Dinge. Doch bei Argumentationen pro VDS wird diese Unterscheidung bisher eher selten getätigt. Interessant ist daher, dass das Anzeigeverhalten nun in direktem Zusammenhang mit dem Urteilsspruch des BVerfG gesehen wird. Interessant deshalb, weil zum einen gerade bei Warenbetrügereien eine Vielzahl anderer Indizien und Daten zu Ermittlungen führen kann als lediglich die Daten aus der VDS. Um Waren und Geld auszutauschen, bedarf es zumindest einer Adresse oder eines Kontos, ferner ist gerade bei Onlineauktionen oft genug der Betrüger so unvorsichtig, dass er seine "Masche" öfter versucht. Die Frage ist also auch, inwiefern die Daten der VDS für diese Art der Ermittlung tatsächlich ausschlaggebend sind.

Dazu kommt die Frage, ob Menschen, die beispielsweise bei einer Onlineauktion betrogen worden sind, sich zunächst Gedanken darüber machen, ob die VDS-Daten noch verfügbar sind oder nicht, um dann ggf. auf eine Anzeige zu verzichten. Diese Vermutung ist einfach ins Blaue hinein getätigt worden, ohne dass dafür bisher Anhaltspunkte vorliegen. Ob und inwiefern hier also eine Erklärung für die verminderte Anzahl der Anzeigen vorliegt, ist daher ebenso speukulativ wie die Idee, dass einfach weniger Betrügereien stattgefunden haben - oder dass weniger Anzeigen erstattet werden, weil man sich von der Polizei sowieso keine Ermittlungserfolge verspricht, egal ob mit oder ohne VDS.