Berlin

Justizministerin ist gegen Vorratsdatenspeicherung

Foto: dpa

FDP-Vize und Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger führt das Wahldebakel ihrer Partei auch auf den europakritischen Kurs der Liberalen zurück. Hier das Interview:

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1,8 Prozent für die FDP in Berlin – wie fühlt sich das an?

Das ist ein Schock. Daran gibt es überhaupt nichts zu deuten. Ich habe bereits vor Monaten gesagt, dass die FDP lange brauchen wird, um aus der schweren Krise herauszukommen. Aber: Die Berliner FDP trägt mit ihrem klar europa-skeptischen Kurs auch Verantwortung für dieses Ergebnis.

Es war also ein Fehler, auf eine Anti-Euro-Stimmung zu setzen?

Die FDP-Spitze hat wiederholt deutlich gemacht, dass es keinen neuen Kurs gibt. Die Liberalen sind die Europa-Partei. Es waren FDP-Außenminister, die die Europäische Union und den Euro geschaffen haben. Dieses Erbe setzen wir nicht aufs Spiel.

Nach drei Wahlniederlagen – ist Philipp Rösler beschädigt?

Nein, die Fehler liegen in der Vergangenheit – wir haben zu viel politisches Kapital im ersten Jahr unserer Regierungsverantwortung verspielt. Jetzt müssen wir gemeinsam und ohne Personaldiskussion Vertrauen zurückgewinnen.

Muss es personelle Konsequenzen geben?

Nein.

Kommt es jetzt mehr auf die Erfahreneren wie Rainer Brüderle und Sabine Leutheusser-Schnarrenberger an?

Ich halte überhaupt nichts von einem gegeneinander Ausspielen unterschiedlicher Generationen, ob weiblich, ob männlich, ob jünger oder älter – nur zusammen schaffen wir es aus dem schweren Tief.

Braucht die FDP ein anderes Erscheinungsbild?

Je stärker wir Erfolge betonen und unsere klassischen Kompetenzen unterstreichen, desto erfolgreicher werden wir wieder sein. Wir haben die Bürgerrechte gestärkt, Netzsperren abgeschafft, eine Verschärfung der Sicherheitsgesetze verhindert und die Anti-Terror-Gesetze neu justiert. Die Abschaffung der Wehrpflicht hat gezeigt, dass die FDP der Motor in der schwarz-gelben Koalition ist. Außerdem haben wir mit der überbordenden Subventionspolitik der großen Koalition Schluss gemacht, zum Beispiel bei Opel. Und in der Euro- und Finanzkrise setzen wir auf Instrumente, die morgen noch die Stabilität des Euros sichern.

Wird es jetzt auch schwierig für den Fortbestand der Koalition? Sollte die FDP notfalls raus, wenn sie sich bei Steuern und Euro nicht durchsetzt?

Ich halte von solchen Spekulationen überhaupt nichts. Die Opposition kritisiert die Regierung. Das ist ihr gutes Recht. Aber nur diese schwarz-gelbe Koalition wird die Herausforderungen von Finanz- und Eurokrise stemmen. Schließlich war es die SPD, die den Euro aufgeweicht hat und die Schuldenkrise in Europa nicht ernst genommen hat.

Muss sich die FDP inhaltlich anders aufstellen?

Wir haben angefangen, die Verengung auf Steuersenkung hinter uns zu lassen. Gerade meine Themen, die Bürgerrechte, prägen heute neben der Wirtschaftspolitik wieder das Erscheinungsbild der FDP. Liberale gestalten den gesellschaftlichen Wandel, zum Beispiel in der Familien- und in der Einwanderungspolitik. Wir setzen uns für die Rechte jedes Einzelnen ein, ob mit oder ohne Migrationshintergrund. Wir wollen Einwanderung nicht nur rational steuern, sondern Integrationspolitik aktiv gestalten. Außerdem war es die FDP, die den Vorbehalt der Bundesregierung gegen die UN-Kinderrechtskonvention nach 18 Jahren endlich zurückgenommen hat.

Wie geht es weiter bei der Vorratsdatenspeicherung, kommen Sie mit dem Innenminister bald zu einer Lösung?

Klare Kante und Überzeugen durch Argumente bringen immer Unterstützung. Das sehen Sie alleine an der Tatsache, dass Zweidrittel der Bürgerinnen und Bürger gegen die Vorratsdatenspeicherung sind. Mein Kompromissvorschlag ist eine gute Verhandlungsgrundlage. Verhandlungen in der Regierung finden nicht über die Medien statt. Aber mein Kompromissvorschlag findet gerade auch in der Fachwelt Anerkennung und Unterstützung.

Wie weit sind Ihre weiteren Vorhaben, werden Sie thematisch nachlegen?

Die Rechte der Bürger in der digitalen Welt habe ich umfassend gestärkt, zum Beispiel mit dem Button gegen Internetabzocke. Netzsperren in Deutschland gehören endgültig der Vergangenheit an, bald auch – dank der Bundesregierung – in Europa. Eine Regierungskommission stellt die Sicherheitsgesetzgebung der vergangenen zehn Jahre auf den Prüfstand. Der Rechtsschutz in Deutschland wird weiter gestärkt, etwa durch eine Entschädigung für überlange Prozesse und durch mehr mündliche Verhandlungen. Die über 30 Gesetzesvorhaben zur Halbzeit belegen doch den Ehrgeiz der FDP in der Rechtspolitik.

Die Fragen stellte Gregor Mayntz