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AK Vorrat begrüßt Entscheidung zur Zuständigkeit bei Vorratsdatenspeicherung (31.1.08) Drucken E-Mail

Datenschutz-Aktivisten warnen vor weiteren Speicherplänen

Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung (AK Vorrat) begrüßt die salomonische Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, die Zuständigkeiten über die Verfassungsbeschwerden gegen die Vorratsdatenspeicherung nach Sachthemen aufzuteilen.

Diese Entscheidung macht deutlich, welche breiten und umfassenden Bedenken es von Seiten der Bürgerinnen und Bürger gegen die Ausweitung anlaß- und verdachtsunabhängiger Überwachungsinstrumente gibt.

Im Detail führt der Jurist Dr. Patrick Breyer aus: "Unsere Beschwerdeschrift [1] beruft sich auf Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur Volkszählung, zur Rasterfahndung und zur Abfrage von Verbindungsdaten. Sämtliche dieser Entscheidungen sind vom Ersten Senat gefällt worden. Dass dieser nun über die Vorratsdatenspeicherung entscheidet, lässt erwarten, dass das Gesetz an der bisherigen, bewährten Rechtsprechung gemessen wird."

Ricardo Cristof Remmert-Fontes vom AK Vorrat ergänzt: "Aber auch in Hinblick auf die Klärung des Verhältnisses von deutschem zu europäischem Recht hat dieses Verfahren Präzedenzcharakter: Was passiert, wenn das Bundesverfassungsgericht eine grundsätzliche Entscheidung zur Vorratsdatenspeicherung und der anlaßunabhängigen Überwachung fällt und das deutsche Umsetzungsgesetz aus grundsätzlichen Erwägungen für nichtig erklärt?"

Formal blieben in einem solchen Fall die europäische Richtlinie und damit der formale Zwang zur Umsetzung bestehen. Dieses Konfliktpotenzial ist gerade vor der Ratifizierung des EU-Vertrages von Lissabon von zentraler Bedeutung, denn auch diese Neuauflage der EU-Verfassung klärt dies nicht hinreichend.

Dadurch bekommen die Verfassungsbeschwerde des Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung und die weiteren Klagen von Burkhard Hirsch und anderen ein ganz besonderes Gewicht nicht nur für die Demokratie und den Menschenrechtsschutz in Deutschland, sondern auch in Europa. Die Erfassung der über 30.000 schriftlichen Vollmachten für die Verfassungsbeschwerde des Arbeitskreises wird in Kürze abgeschlossen sein. Über die formale Übergabe an das Verfassungsgericht werden wir rechtzeitig informieren. Der AK Vorrat erwartet überdies in Kürze eine Entscheidung der Karlsruher Richter über den Eilantrag, die Vorratsdatenspeicherung bis zur Hauptsachenentscheidung auszusetzen.

"Mit der Vorratsdatenspeicherung hören die Angriffe auf die deutsche und die europäische Demokratie allerdings nicht auf", sagt Stefan Hermes vom AK Vorrat. "Heute beriet beispielsweise der Bundesrat über die verdachtslose Speicherung und Rasterung der Flugpassagierdaten. Hierbei ist die Diskussion aber auch schon längst bei der Registrierung aller Reisebewegungen auch per Bus, Bahn und Schiff angelangt."

Tatsächlich wird die technische Infrastruktur der Reiseindustrie bereits dafür genutzt. Ein Großteil aller in- und ausländischen Buchungen für Reisen, Hotels und Mietwagen läuft über zentrale Buchungssysteme, in denen auch gespeichert wird, wer wann mit wem ein Hotelzimmer teilt oder wer was aus der Minibar konsumiert.

Datenschützer haben diese Praxis schon länger kritisiert und unter anderem mit dem Big Brother Award "ausgezeichnet" [2]. "Ob staatlich erzwungen wie bei der Vorratsdatenspeicherung oder privatwirtschaftlich selber gemacht wie bei den Reisesystemen - solche Datenhalden über unverdächtige Bürger stellen eine strukturelle Gefahr dar, dass wir in eine Überwachungsgesellschaft abgleiten", warnt Ralf Bendrath vom Netzwerk Neue Medien.

Mittlerweile fordern Polizeien und Geheimdienste Europas einen automatischen Zugriff, um nicht wie bisher im konkreten Einzelfall eine richterliche Genehmigung einholen zu müssen.

"Hierin liegt ein gefährlicher Paradigmenwechsel", meint Stefan Hermes vom AK Vorrat. "Bisher galt: Zugriff bei konkretem Verdacht. Das Unschuldsprinzip wurde gewahrt, auch wenn die richterliche Kontrolle auch bisher schon oft mangelhaft war [3]."

"In Zukunft soll der Zugriff auf alle mögliche Datenbestände und Datenbanken jederzeit online möglich sein", ergänzt Remmert-Fontes, "Diese Möglichkeit des Online-Zugriffs stellt in einem umfassend vernetzten System ganz klar eine Art von zentralem Zugriff dar. Heutzutage macht es keinen Unterschied mehr, ob alle Fingerabdrücke, alle Telekommunikationsdaten, Reisebewegungen und Gesundheitsdaten auf vernetzten Systemen liegen oder in einer zentralen Behörde."

[1] Verfassungsbeschwerde des AK Vorrat gegen die Vorratsdatenspeicherung:
<http://www.starostik.de/downloads/verfassungsbeschwerde-vorratsdatenspeicherung.pdf>

[2] Big Brother Award Deutschland 2007, Kategorie Verbraucherschutz:
<http://www.bigbrotherawards.de/2007/.cop>

[2] Empfehlungen des Max-Planck-Instituts zur "Rechtswirklichkeit der Auskunftserteilung über Telekommunikationsverbindungsdaten nach §§ 100g, 100h StPO":
<http://www.vorratsdatenspeicherung.de/images/mpi-gutachten.pdf>


Über uns

Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung ist ein bundesweiter Zusammenschluss von Bürgerrechtlern, Datenschützern und Internetnutzern, der die Arbeit gegen die Totalprotokollierung der Telekommunikation koordiniert.

Argumente der Befürworter einer Vorratsdatenspeicherung kritisch beleuchtet:
https://www.vorratsdatenspeicherung.de/content/view/83/87/

Gemeinsame Erklärung von 45 Organisationen gegen die Vorratsdatenspeicherung:
https://www.vorratsdatenspeicherung.de/content/view/80/100/


 
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