EU-Ratspräsidentschaft will Sammlung von Passagierdaten ausweiten

Frankreich hat neue Vorschläge für das umstrittene EU-System zur Vorhaltung von Passenger Name Records (PNR) gemacht, wonach die Mitgliedsstaaten etwa auch Daten über innereuropäische Flüge erfassen dürften.

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Die französische Ratspräsidentschaft hat neue Vorschläge (PDF-Datei) für das umstrittene EU-System zur Vorhaltung und Auswertung von Passagierdaten gemacht. Laut dem entsprechenden Entwurf für ein eigenes Papier des Ministergremiums, das die britische Bürgerrechtsorganisation Statewatch veröffentlicht hat, sollen die Mitgliedsstaaten die Datenerfassung deutlich ausweiten dürfen. So wollen es die Franzosen den EU-Ländern etwa freistellen, Passenger Name Records (PNR) auch bei innereuropäischen Flügen aufzuzeichnen. Eine EU-weite Verpflichtung für diese Ausdehnung des Überwachungssystems hält Frankreich in dem angestrebten Rahmenbeschluss nicht von Anfang an für sinnvoll. Es müssten erst Kosten-Nutzen-Berechnung durchgeführt und Erfahrungen in einzelnen Mitgliedsstaaten gesammelt werden. Nach einer Evaluation solle dann über das weitere Vorgehen in diesem Punkt entschieden werden.

Weiter will es die Ratspräsidentschaft den EU-Ländern erlauben, Passagierdaten bei "anderen Transportformen" jenseits des Fliegens einzubeziehen. Damit folge man dem Wunsch einer "sehr großen Mehrheit" der Delegationen im Ministerrat, den Bahn- oder Seereiseverkehr bei der geplanten riesigen Informationssammlung nicht außen vor zu lassen.

Unentschieden zeigen sich die Franzosen dagegen, was die aufzubewahrenden PNR-Kategorien angeht. Zum einen sprechen sie sich hier dafür aus, den "Standards" der internationalen Luftfahrtverbände IATA und ICAO zu folgen. Diese umschreiben ein eingeschränkteres Datenset als das von der EU-Kommission in ihrem ursprünglichen Entwurf vorgeschlagene, das sich am PNR-Abkommen mit den USA orientiert. Zugleich bezeichnet Frankreich die Liste der Brüsseler Behörde aber als "exzellenten Ausgangspunkt" für das Ratspapier. Erfasst werden sollen laut Kommission unter anderem Namen, Geburts- und Flugdaten sowie Kreditkarteninformationen genauso wie besondere Essenswünsche, Buchungen für Hotels oder Mietwagen, E-Mail-Adressen und Telefonnummern (zu den etwa mit den USA vereinbarten Daten in den übermittelten Passenger Name Records siehe auch: Heikle Hilfestellung zur Weitergabe von Fluggastdaten.

Generell peilt die Ratspräsidentschaft an, möglichst bald "100 Prozent" der gewünschten Datenmengen in das künftige europäische Kontrollsystem einzuspeichern. Um einem Anliegen Großbritanniens nachzukommen, wonach die Mitgliedsstaaten selbst über den Umfang der zu sammelnden Informationen bestimmen können sollten, empfehlen die Franzosen auch hier eine Überprüfung der gemachten Erfahrungen nach einigen Jahren. Fluggesellschaften sollen weiter verpflichtet werden, die PNR zunächst 48 Stunden vor Abflug sowie ein zweites Mal nach der Abfertigung einer Maschine per Push-Verfahren an die vorgesehen nationalen "Passagier-Informationseinheiten" zu übertragen. Die Verantwortlichkeiten der Datensammelstellen müssten dabei klar von denen der "kompetenten Behörden" getrennt werden, die das System nutzen wollen, betonen die Franzosen. Dies entspreche einem vielfach geäußerten Wunsch, das Vorhaben transparent zu halten.

Sicherheitsbehörden will das Papier Zugriff auf die Datenhalden im Rahmen der Abwehr, Aufklärung, Verfolgung und Bestrafung von Terrorismus und "einer Reihe anderer schwerer Delikte" gewähren. Als Orientierung sollen Straftaten dienen, für die auch ein europäischer Haftbefehl ausgestellt werden kann. Das Instrument würde aber "natürlich" auch das Anzeigen und die Verfolgung "anderer Vergehen" umfassen, wenn diese bei Kontrollen bemerkt würden.

Zur Erstellung von Risikoanalysen für Reisende macht sich die Ratspräsidentschaft nicht zuletzt die Ansicht der vor allem mit Strafverfolgern besetzten "Multidisziplinären Gruppe" zur Bekämpfung organisierter Kriminalität des Rates zu eigen, wonach auch ein Abgleich der PNR-Daten mit nationalen, internationalen und europäischen Fahndungsdatenbanken zu genehmigen sei. Generell orientiert sich der französische Vorstoß stark an den Forderungen von Grenzpolizisten und Zollbeamten. Zugleich lässt er die Streitfrage der Speicherdauer der Passagierdaten genauso außen vor wie die von der Kommission vorgeschlagene Ausklammerung besonders sensibler Informationen etwa über Rasse, sexuelle Ausrichtung oder Gewerkschaftsangehörigkeit. Bisher war geplant, die Einträge 13 Jahre lang aufzubewahren.

Siehe dazu auch:

(Stefan Krempl) / (jk)