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Vorratsdatenspeicherung: Niedersächsisches Justizministerium lügt (26.05.2011) Drucken E-Mail

Pressemitteilung der Ortsgruppe Hannover des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung vom 26.05.2011:

AK Vorrat Hannover kritisiert medialen CDU-Populismus

Im Rahmen einer konzertierten Medienkampagne fordert die niedersächsische CDU hinter dem Rücken ihres Koalitionspartners und mit dubiosen Argumenten die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung. Nun stellt sich heraus: Der groß angekündigte Entwurf ist gar nicht existent.

Mit Pressemitteilung [1] und Pressekonferenz vom 24. Mai 2011 fordern die niedersächsischen Minister Buse- und Schünemann die Wiedereinführung einer zuletzt vom Bundesverfassungsgericht gekippten Regelung zur vollständigen Überwachung der Telekommunikationsverbindungen aller unbescholtenen Bürger. In Pressetext und Verlautbarungen preisen die Unionsminister an, einen Diskussionsentwurf hierzu vorgelegt zu haben. Doch bis auf ein knapp einseitiges Eckpunktpapier ist davon nichts zu finden.

Im niedersächsischen Justizministerium wird die Nicht-Existenz einer konkreten Diskussionsgrundlage auf Nachfrage bestätigt: „ … bitte haben Sie Verständnis dafür, dass momentan lediglich die Eckpunkte veröffentlicht werden können, weil der Diskussionsentwurf derzeit noch mit der Bundesregierung abgestimmt wird.“

Doch selbst das kann nicht der Wahrheit entsprechen, denn zuvor hatte die FDP-Bundestagsabgeordnete Christiane Ratjen-Damerau ebenfalls auf Nachfrage per E-Mail mitgeteilt: „Für uns [die FDP] sind Sicherheit und Freiheit zwei Begriffe, die zusammengehören. Wir werden die verdachts- und anlassunabhängige Speicherung personenbezogener Daten auf Vorrat immer ablehnen.“

Eine angebliche „Abstimmung mit der Bundesregierung“ scheint daher mehr als fraglich, zudem die niedersächsischen CDU-Minister ihren Vorstoß nicht mit Ihrem Koalitionspartner abgestimmt und damit eine ordentliche Brüskierung bewusst in Kauf genommen haben.

„Ein klarer Fall von Populismus,“ sagt der Hannoveraner Michael Ebeling von der Bürgerinitiative „AK Vorrat“. „Hier wurden wieder einmal alle Medienbedürfnisse bedient: Von einer Diskussionsgrundlage zu sprechen, die es gar nicht gibt und mit fragwürdigen Zahlen des Betroffenheits-Arguments Kinderpornografie jede Sachkritik als unmoralisch abstempeln zu wollen.“

Damit spricht Ebeling die Zahlen der jüngst vorgelegten Polizeilichen Kriminalstatistik [2] an. Demnach hat sich die Zahl der Straftaten in Zusammenhang mit Verbreitung, Besitz und Verschaffung kinderpornografischer Darstellungen von 9.585 Fällen im Jahre 2008 auf 5.944 Fälle in 2010 drastisch verringert. Sie ist also um 38% gefallen - ganz ohne Vorratsdatenspeicherung. Ebeling: „Wer dann noch selbst erstellte Statistiken als Begründung für eine Vorratsdatenspeicherung hervorkramt, der macht sich selbst unglaubwürdig.“

Neben der polizeilichen Kriminalstatistik spricht auch der wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestags [3] der europäischen Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung Sinn und Verhältnismässigkeit ab. Dessen Gutachten kommt zu dem Ergebnis, es lasse sich "zweifelsfrei keine Ausgestaltung dieser Richtlinie umschreiben, die eine Vereinbarkeit mit der Grundrechtecharta sicherstellte." Es habe sich gezeigt, dass sich "die Erfolge der Vorratsdatenspeicherung in einem sehr kleinen Rahmen halten." Aufgrund der durch die Vorratsdatenspeicherung nur "marginal" verbesserten Aufklärungsquote gelangt das Gutachten zu dem Schluss: "Zweck und Mittel stehen hier zumindest nicht in einem ausgewogenen Verhältnis."

Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung [4] hat mit seiner von über 34.000 Bürgern getragenen Verfassungsbeschwerde die von CDU und SPD beschlossenen Regelungen zum Kippen gebracht, das Bundesverfassungsgericht erklärte die Gesetzesgrundlagen für verfassungswidrig und nichtig [5]. Die Datenschützer lehnen eine derartige Vollerfassung der Verbindungsdaten aller Bürger kategorisch ab – zuletzt überreichten sie Bundesinnenminister Friedrich eine DVD mit einer umfangreichen Sammlung von Äußerungen und Sorgen betroffener Bürger [6]. Auf einen Appell hin wenden sich darüber hinaus derzeit mehr als 55.000 Menschen mit der Aufforderung an den CSU-Politiker, eine erneute Einführung der Vorratsdatenspeicherung nicht zuzulassen [7].

 
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