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[Blog] EU-Kommissarin gegen Wahlrecht bei Vorratsdatenspeicherung (26.04.2012) Drucken E-Mail

EU-Innenkommissarin Malmström ist der Auffassung, es sei der EU nicht möglich, den einzelnen Mitgliedsstaaten eine Vorratsdatenspeicherung freizustellen.

Die EU-Kommission führt zurzeit eine Abschätzung der Folgen verschiedener Möglichkeiten zur Änderung der EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung durch. Bis Juli 2012 will die EU-Kommission einen Vorschlag zur Änderung der EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung vorlegen.

Unseren Vorschlag, eine verdachtslose flächendeckende Vorratsdatenspeicherung europaweit zu verbieten und stattdessen eine anlassbezogene, gezielte Aufbewahrung der Daten Verdächtiger einzuführen, will die EU-Kommission aus rechtlichen und politischen Gründen leider nicht prüfen.

Sie will nicht einmal den Kompromissvorschlag in ihre Folgenabschätzung einbeziehen, wonach die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung den nationalen Parlamenten und Verfassungsgerichten das "Ob" einer flächendeckenden Vorratsdatenspeicherung freistellen und nur noch das "Wie" etwaiger nationaler Gesetze zur Vorratsdatenspeicherung regeln und begrenzen soll.

Wörtlich schreibt die Kommissarin:

Hinsichtlich der Frage des Herrn Abgeordneten nach der Möglichkeit einer optionalen Anwendung der Richtlinie über die Vorratsspeicherung von Daten muss betont werden, dass dies aus folgenden Gründen nicht möglich ist:

Das EU-Recht ist entsprechend den Grundsätzen der Gleichbehandlung und der einheitlichen Anwendung in allen Mitgliedstaaten einheitlich anwendbar. Ausnahmen für einzelne Mitgliedstaaten sind nur möglich, wenn diese im Primärrecht vorgesehen sind. Entsprechend den gegenwärtigen Vertragsbestimmungen gilt dies nicht für die Richtlinie über die Vorratsspeicherung von Daten. Da diese Richtlinie in der gesamten EU umzusetzen ist, würde es bei einer optionalen Vorratsspeicherung zu einer Wiedereinführung von Hemmnissen für den Binnenmarkt kommen.

Da es keine Ausnahmen gibt, die sich direkt aus dem Primärrecht herleiten, kann das Sekundärrecht Ausnahmen zugunsten des betreffenden Mitgliedstaates vorsehen, wenn spezifische objektiv unterschiedliche Umstände vorliegen. Der Kommission sind keine derartigen objektiv unterschiedlichen Umstände bekannt, die im Falle der Vorratsdatenspeicherung eine Ausnahme von diesem Grundsatz rechtfertigen könnten. Die Tatsache, dass einige Mitgliedstaaten aus verfassungsrechtlichen, juristischen oder politischen Gründen Schwierigkeiten hatten, diese Richtlinie in einzelstaatliches Recht umzusetzen, kann nicht als Rechtfertigung für eine derartige Ausnahme herangezogen werden. Optionale Maßnahmen mit offenkundigen Konsequenzen für das Recht auf Datenschutz und Privatsphäre würden im Gegenteil dem Bürger gemeinsame Mindeststandards für diese Grundrechte in der EU vorenthalten.

Die Argumentation ist juristisch nicht haltbar:

Dass es möglich ist, den EU-Mitgliedsstaaten die Einführung einer verdachtslosen Vorratsspeicherung aller Verbindungsdaten freizustellen, zeigt schon die Rechtslage vor 2006. Es gibt auch eine Vielzahl anderer Beispiele von EU-Recht, das den Mitgliedsstaaten bestimmte Maßnahmen freistellt. Eine ausführliche Analyse findet sich auf daten-speicherung.de.

Vollkommener Unfug ist schließlich das Argument, die Freistellung einer Vorratsdatenspeicherung würde den Bürgern "gemeinsame Mindeststandards für diese Grundrechte in der EU vorenthalten". Eine verdachtslose Totalprotokollierung jeder Telekommunikation schafft keinen "Grundrechtsstandard", sondern stellt einen massiven Grundrechtsabbau dar, wie er größer kaum vorstellbar ist. Der Europäische Datenschutzbeauftragte hat zutreffend erklärt: "Die Richtlinie ist zweifellos das am meisten in die Privatsphäre eingreifende Instrument, das jemals von der EU im Hinblick auf Umfang und Anzahl der Menschen, die davon betroffen werden, angenommen wurde."

Aus meiner Sicht dürfen wir es nicht zulassen, dass sich die EU-Kommission unter Berufung auf vermeintliche Rechtszwänge nicht einmal mit der Möglichkeit auseinandersetzt, eine Vorratsdatenspeicherung wenn nicht schon EU-weit zu verbieten, dann doch wenigstens nur in denjenigen Mitgliedsstaaten zu harmonisieren, deren Parlamente und Verfassungsgerichte sich dazu entschließen.

Zwar prüft die EU-Kommission im Rahmen der Folgenabschätzung die Möglichkeit einer ersatzlosen Aufhebung der Richtlinie. Diese Möglichkeit wird sie aber leicht verwerfen können, weil dadurch keine Harmonisierung erreicht und keine Datenschutzstandards verankert würden (die Mitgliedsstaaten könnten dann ohne jede Begrenzung und Kostenerstattung auf Vorrat speichern lassen).

Um die falsche Rechtsauffassung der Kommission zu überwinden und eine vollständige Prüfung aller Optionen durch die EU-Kommission zu erreichen, bitte ich in dem folgenden Punkt um Unterstützung: Haben Sie eine Idee, wie wir der rechtlichen Bewertung des juristischen Dienstes der EU-Kommission eine andere, zutreffende Bewertung der Rechtslage entgegen setzen könnten? Gibt es eine Institution oder Europarechtler, die Sie um eine juristische Stellungnahme bitten könnten?

Beitrag von Patrick - Der Beitrag gibt die persönliche Meinung des Autors wieder.

 

Kommentare  

 
#1 Rolf 2012-04-26 20:52
Ach, wenn die Bundesregierung DSL1000 zum Mindeststandard für schnelles Internet erklärt, dann kann auch die EU-Kommissarin den völligen Mangel an Privatsphäre und Datenschutz zum Mindeststandard in diesem Bereich erklären.
Unterbieten kann man es ja nicht mehr, was dann den großen Vorteil hat, dass man sich nicht um die Kontrolle der Einhaltung kümmern muss.

Mit dem Hemmnissen für den Binnenmarkt hat sie auch Recht - alle halbwegs vernunftbegabte n EU-Bürger würden dann nämlich in die Länder *ohne* Vorratsdatenspe icherung auswandern, so dass die Einführung einer solchen Regelung ein großer Standortnachtei l wäre.

Auf deine abschließende Frage fällt mir im Moment leider keine Antwort ein.
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#2 Sven 2012-04-30 13:55
Ich bin kein Jurist, aber sehe ich das richtig, dass die EU-Richtlinie nicht vorschreibt, wer Zugriff auf die Vorratsdaten haben soll? Man könnte also ein Gesetz schreiben, das vorgibt, die Daten verschlüsselt abzulegen, ohne eine Möglichkeit, die Daten wieder zu entschlüsseln. Damit hätte man die EU-Richtlinie doch auch umgesetzt.
Wenn sich unser Innenminister auf den Vorschlag nicht einlässt, könnte man als Kompromiss den Schlüssel beim Bundesdatenschu tzbeauftragten hinterlegen, damit er dann nach sorgfältiger Prüfung bei einem richterlichen Beschluß die Daten entsprechend dem Datenschutz herausgeben kann.
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#3 kA 2012-04-30 21:01
zitiere Sven:
Ich bin kein Jurist, aber sehe ich das richtig, dass die EU-Richtlinie nicht vorschreibt, wer Zugriff auf die Vorratsdaten haben soll? Man könnte also ein Gesetz schreiben, das vorgibt, die Daten verschlüsselt abzulegen, ohne eine Möglichkeit, die Daten wieder zu entschlüsseln. Damit hätte man die EU-Richtlinie doch auch umgesetzt.


Korrekt.
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#4 Noname 2012-05-05 21:46
Zu Ihrer Frage: Probieren Sie es mal mit Prof. Schachtschneide r oder Prof. Hankel. Beide konzentrieren sich zwar auf die wirtschaftliche Misere der EU, sind aber anerkannte Staatsrechtler und dem Verfassungsgeri cht wohlbekannt.
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