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Erstes Verfassungsgericht erklärt Vorratsdatenspeicherung für verfassungswidrig (27.11.2009) Drucken E-Mail

Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung hat heute die deutsche Übersetzung eines Urteils des Verfassungsgerichtshofs Rumäniens (Curtea Constituţională a României) veröffentlicht, der das rumänische Gesetz zur sechsmonatigen Vorratsspeicherung aller Verbindungs-, Standort- und Internetzugangsdaten am 8. Oktober 2009 als verfassungswidrig verworfen hat. Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung fordert die Bundesregierung nun auf, die Vorratsdatenspeicherung auch in Deutschland sofort abzuschaffen.

Zur Begründung seiner Entscheidung führt der Verfassungsgerichtshof Rumäniens aus, dass das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung die in der Strafprozessordnung vorgesehenen Ausnahmen vom Fernmeldegeheimnis "zur Regel" mache. Im Fall einer Vorratsdatenspeicherung könne von Fernmeldegeheimnis und Meinungsfreiheit nicht mehr "frei und unzensiert Gebrauch gemacht werden". Eine allgemeine Vorratsdatenspeicherung wecke in den Menschen "die berechtigte Sorge um die Wahrung ihrer Privatsphäre und die Furcht vor einem möglichen Missbrauch". Die dauerhafte und die gesamte Bevölkerung betreffende Vorratsdatenspeicherung drohe die Unschuldsvermutung "auszuhebeln", erkläre die gesamte Bevölkerung zu potenziellen Straftätern und erscheine "exzessiv". Die Erfassung aller Verbindungsdaten könne "nicht als vereinbar mit den Bestimmungen der Verfassung und der Europäischen Menschenrechtskonvention erachtet werden".[1]

Wie Rumänien hat auch Deutschland die 2006 beschlossene EG-Richtlinie zur Vorratsspeicherung umgesetzt, derzufolge seit 2008 die Verbindungs-, Standort- und Internetzugangsdaten der gesamten Bevölkerung erfasst und für mindestens sechs Monate aufbewahrt werden. Nach Beschwerden von über 34.000 besorgten Bundesbürgerinnen und Bürgern[2] hat das Bundesverfassungsgericht für den 15. Dezember 2009 eine mündliche Verhandlung über das deutsche Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung anberaumt.[3]

"Die Bundesregierung und insbesondere die Bundesjustizministerin müssen jetzt auf das Gerichtsurteil reagieren, wonach die Vorratsdatenspeicherung gegen die auch in Deutschland geltende Menschenrechtskonvention verstößt", fordert Patrick Breyer vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung. "Deutschland muss die verdachtslose Protokollierung unseres Kommunikationsverhaltens sofort stoppen und eine Initiative zur Aufhebung der illegalen EG-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung einleiten. Es ist eines Rechtsstaats nicht würdig, dass die Bundesregierung die Hände in den Schoss legt, bis sie gerichtlich zum Handeln gezwungen wird. Dass die Vorratsdatenspeicherung uns permanent dem Risiko von Falschverdächtigungen und Datenskandalen aussetzt, kann nicht länger hingenommen werden."

"Die Verfassungsorgane in Rumänien haben hier eindrucksvoll bewiesen, dass man aus der eigenen Geschichte gelernt hat, welche Gefahren Überwachungssysteme darstellen," ergänzt Kai-Uwe Steffens vom Arbeitskreis. "Ausgerechnet in dem Jahr, in dem wir in Deutschland den sechzigsten Geburtstag unseres Grundgesetzes und zwanzig Jahre Mauerfall feiern durften, macht uns dieses Land nun vor, wie Grund- und Menschenrechte zu schützen sind. Die Bundesregierung muss entscheiden, ob sie diese wichtige Entscheidungsfindung aus den Hand geben und nach Karlsruhe auslagern möchte, oder ob sie ihrem verfassungsmäßigen Auftrag nachkommt und die Vorratsdatenspeicherung wieder abschafft."

Deutsche Übersetzung des Urteils des rumänischen Verfassungsgerichtshofs

Englische Übersetzung

Rumänische Originalfassung

Verfassungsgerichtshofs Rumäniens (Curtea Constituţională a României)

ENTSCHEIDUNG Nr. 1258
vom 8. Oktober 2009

bezüglich der Einrede der Verfassungswidrigkeit gegen die Bestimmungen des Gesetzes Nr. 298/2008 über die Vorratsspeicherung von Daten, die bei der Bereitstellung öffentlich zugänglicher elektronischer Kommunikations­dienste oder öffentlicher Kommunikationsnetze erzeugt oder verarbeitet werden, sowie zur Änderung des Gesetzes Nr. 506/2004 über die Verarbei­tung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation

Ioan Vida - Präsident
Nicolae Cochinescu - Richter
Aspazia Cojocaru - Richterin
Acsinte Gaspar - Richter
Petre Lazaroiu - Richter
Ion Predescu - Richter
Valentin Zoltán Puskás - Richter
Tudorel Toader - Richter
Augustin Zegrean - Richter
Simona Ricu - Staatsanwältin
Claudia Margareta - Hilfsrichterin

Es kommt zum Aufruf die vom Kommissariat für die Zivilgesellschaft unter dem Az. 2971/3/2009 bei der Abteilung für Handelssachen des Landgerichts Bukarest eingereichte Einrede der Verfassungswidrigkeit gegen die Bestimmungen des Gesetzes Nr. 298/2008 über die Vorratsspeicherung von Daten, die bei der Be­reitstellung öffentlich zugänglicher elektronischer Kommunikationsdienste oder öffentlicher Kommunikationsnetze erzeugt oder verarbeitet werden, sowie zur Änderung des Gesetzes Nr. 506/2004 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation.

Die Verhandlung hat in der öffentlichen Sitzung vom 8. September 2009 stattgefunden und das Ergebnis wurde in der Sitzungsniederschrift mit gleichem Datum festgehalten. Wegen weiterer erforderlicher Beratungszeit hat der Ge­richtshof gemäß den Bestimmungen der Artikel 14 Absatz 2, 57 und 58 Absatz 3 des Gesetzes Nr. 47/1992 über die Organisation und Funktion des Verfassungs­gerichtshofes die Verkündung auf den 15. September 2009 vertagt und sodann in Übereinstimmung mit Artikel 6 und 51 desselben Gesetzes eine weitere Verta­gung für den 8. Oktober 2009 beschlossen.

Bei Aufruf in der öffentlichen Sitzung vom 8. Oktober 2009 erscheint der Erheber der Einrede, vertreten durch Rechtsberater Matei Bogdan, dessen Ver­tretungsvollmacht sich in der Akte befindet, während die S.C. Orange S.A. (Han­delsgesellschaft Orange Aktiengesellschaft) aus Bukarest trotz ordnungs­gemäßer Ladung nicht erschienen ist.

Da die Sache entscheidungsreif ist, erteilt der Vorsitzende der anwesenden Partei das Wort. Diese wiederholt im Wesentlichen ihren Vortrag aus der Sitzung vom 8. September 2009 sowie den Inhalt der bei dieser Gelegenheit zur Akte ge­reichten Schriftsätze, beantragt die Zulassung der Einrede der Verfassungswid­rigkeit aufgrund der Tatsache, dass die Bestimmungen des Gesetzes Nr. 298/2008 insgesamt, jedoch im Besonderen jene der Artikel 1 und 15 des Geset­zes, in der Hauptsache das von der Verfassung garantierte Recht auf Achtung der Privatsphäre und des Fernmeldegeheimnisses durch das Fehlen einer rechts­verbindlichen Definition des Syntagmas "damit in Zusammenhang stehende Da­ten" [rum. wörtlich: date conexe] verletzt. Das Fehlen dieser Definition habe die Rolle der Beseitigung der Unschuldsvermutung, verletze die Würde der Person, und gene­riere Missbrauch bei der Verwendung der Informationen durch die zuständigen Organe. Sie trägt vor, dass es in der Strafprozessordnung eine Sonderregelung gebe, die den öffentlichen Behörden die Beschaffung und Verwendung von Daten im Zusammenhang mit der Privatsphäre einer Person ermöglicht, so dass das Gesetz Nr. 293/2008 sich als überflüssig erweise.

Der Vertreter des Öffentlichen Ministeriums beantragt die Abweisung der Einrede der Verfassungswidrigkeit und trägt vor, dass dem Antrag auf die Defi­nition von Begriffen, wie dem im beanstandeten Gesetz verwendeten "damit in Zusammenhang stehende Daten" nicht stattgegeben werden könne, da der Ver­fassungsgerichtshof nicht über derartige Befugnisse zur Schließung eventueller Gesetzeslücken verfüge. Was die Hauptsache der Einrede der Verfassungswid­rigkeit betrifft, sei diese unbegründet, da die beanstandete Rechtsvorschrift aus­drücklich die Verpflichtung der Bereitsteller öffentlich zugänglicher elektronischer Kommunikationsdienste oder öffentlicher Kommunikationsnetze vorsehe, die in­folge dieser Dienstleistungen festgehaltenen Daten nur öffentlichen Behörden und keinen anderen Personen zur Verfügung zu stellen, während die Erfassung des Inhalts eines Gesprächs oder einer elektronischen Kommunikation in diesem Gesetz ausdrücklich verboten sei.

Der Gerichtshof

stellt unter Berücksichtigung der Unterlagen und Vorgänge der Akte folgendes fest:

Durch die unter dem Az. 2971/3/2009 verkündete Entscheidung vom 5. Februar 2009 hat das Landgericht Bukarest - Abteilung für Handelssachen - den Ver­fassungsgerichtshof mit der Einrede der Verfassungswidrigkeit gegen die Bestimmungen des Gesetzes Nr. 298/2008 über die Vorratsspeicherung von Daten, die bei der Bereitstellung öffentlich zugänglicher elektronischer Kommunikationsdienste oder öffentlicher Kommunikationsnetze erzeugt oder verarbeitet werden, sowie zur Änderung des Gesetzes Nr. 506/2004 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Pri­vatsphäre in der elektronischen Kommunikation angerufen.

Die Einrede der Verfassungswidrigkeit wurde vom Kommissariat für die Zivilgesellschaft in einem Verfahren bezüglich einer Präsidialverordnung erhoben.

Zur Begründung der Einrede der Verfassungswidrigkeit wird vorgetra­gen, dass das in Artikel 28 der Verfassung geregelte Fernmeldegeheimnis auch den Schutz von Verkehrs- und Standortdaten der Personen, die Korrespondenz führen, mit einschließe. Obgleich die Bestimmungen der Artikel 6-7 des Gesetzes Nr. 298/2008 ausdrücklich vorsehen, welches die für den Speicherungsvorgang erforderlichen Daten sind (jene, die der Feststellung des Datums, der Uhrzeit und der Dauer einer Nachrichtenübermittlung, der Bestimmung der Art der Nachrich­tenübermittlung, der Endeinrichtung, des .Standorts von Geräten - was tatsächlich den Standort der Person bedeute, welche das Gespräch führt - dienen), und Arti­kel 11 Absatz 1 die Erfassung des Inhalts der Nachrichtenübermittlung verbietet (wobei absichtlich der Eindruck erzeugt werde, dass zum Inhalt des Gesprächs kein Zugang gewährt wird), lasse Artikel 1 Absatz 2 des Gesetzes "diesem Zu­gang das Tor weit offen, wenn von damit in Zusammenhang stehenden Daten die Rede ist", insbesondere da dieser Begriff nirgendwo im Gesetz definiert werde. Mehr noch, das Gesetz präzisiere auch nicht die Art und Weise, in der die Erfas­sung und Aufbewahrung dieser Daten erfolgen soll und überlasse die Art der Verwaltung der Daten den privaten Anbietern elektronischer Kommunikations­dienste, wodurch die Wahrung des Fernmeldegeheimnisses gefährdet werde. Die von der Möglichkeit der Identifizierung und Lokalisierung des Benutzers solcher Dienstleistungen generierte Furcht könne auch zur Einschränkung des Rechts auf Intim-, Familien- und Privatleben, der Freizügigkeit sowie der Meinungsfreiheit führen. Der Erheber der Einrede führt weiterhin aus, "der Umstand, dass dieses Gesetz Richtlinien der Europäischen Union (wenn gar mit Übersetzungsfehlern) umzusetzen versucht, sind bei der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit unerheb­lich, da die Richtlinien für das zu erzielende Ergebnis verpflichtend seien, den nationalen Behörden jedoch die Kompetenz bei der Wahl der Formen und Mitte! der Umsetzung überlassen wird."

Das Landgericht Bukarest - Abteilung für Handelssachen ist der Auf­fassung, die Bestimmungen des Gesetzes Nr. 298/2008 seien verfassungsmäßig angesichts des Zwecks seiner Verabschiedung und der Kategorien von Daten, die aufbewahrt werden. Das Gesetz bestimme in Kapitel H "Aufbewahrung von Daten" explizit die Kategorien von Daten, zu deren Aufbewahrung die Anbieter Öffentlich zugänglicher elektronischer Kommunikationsdienste oder öffentlicher Kommunikationsnetze verpflichtet sind, während die Vertraulichkeit des Inhalts von Telefongesprächen in Artikel 11 Absatz 1 desselben gewährleistet sei.

Gemäß den Bestimmungen des Artikels 30 Absatz 1 des Gesetzes Nr. 47/1992 wurde der Anrufungsbeschluss den Vorsitzenden der beiden Kammern des Parlaments, der Regierung und dem Volksanwalt zwecks Stellungnahme zur Einrede der Verfassungswidrigkeit mitgeteilt.

Die Regierung vertritt in ihrer Stellungnahme die Auffassung, die Ein­rede der Verfassungswidrigkeit sei unbegründet. Da unter Korrespondenz nur der Inhalt der Kommunikation verstanden wird und nicht auch deren Verkehrs- oder Standortdaten, und Artikel 11 Absatz 1 des Gesetzes Nr. 298/2008 die Erfassung und Speicherung des Inhalts des Gesprächs ausdrücklich verbietet, könne man nicht von der Verletzung des Artikels 28 der Verfassung ausgehen. Auch steile die fehlende Definition des Begriffs "damit in Zusammenhang stehende Daten" kein Problem der Verfassungsmäßigkeit dar, wie vom Erheber der Einrede be­hauptet, sondern eines der Anwendung und Auslegung des Gesetzes. Was die angebliche Missachtung des Rechts auf Intim- Familien- und Privatleben aus Artikel 26 des Grundgesetzes betrifft, so ist die Regierung der Auffassung, die in Ar­tikel 1 des beanstandeten Gesetzes geregelte Maßnahme müsse in Bezug ge­setzt werden zu den Bestimmungen des Artikels 53 der Verfassung, da die ge­speicherten Daten den zuständigen Behörden zum Zwecke der Ermittlung, Fest­stellung und Verfolgung von schweren Straftaten zur Verfügung gestellt werden. Was die Berufung auf Artikel 25 und 30 der Verfassung betrifft, so hätten diese Texte im vorliegenden Fall keine Auswirkung, da die beanstandeten Regelungen keinerlei Bezug zum Recht auf Freizügigkeit bzw. auf Meinungsfreiheit hätten.

Der Volksanwalt vertritt in seiner Stellungnahme die Auffassung, die Bestimmungen des Gesetzes Nr. 298/2008 seien verfassungsmäßig, da sie Maß­nahmen regeln, die durch die Bedingungen des Artikels 53 der Verfassung be­züglich der Einschränkung der Ausübung bestimmter Rechte und Freiheiten ge­rechtfertigt seien. Zudem setze das beanstandete Gesetz die Normen der Richtli­nie 2006/24/EG über die Vorratsspeicherung von Daten, die bei der Bereitstellung öffentlich zugänglicher elektronischer Kommunikationsdienste oder öffentlicher Kommunikationsnetze erzeugt oder verarbeitet werden, und zur Änderung der Richtlinie 2002/58/EG um, so dass unter Berücksichtigung der Bestimmungen des Artikels 148 Absatz 2 der Verfassung nicht von der Verletzung der angeführ­ten Grundnormen ausgegangen werden könne.

Die Vorsitzenden der beiden Kammern des Parlaments haben keine Stellungnahme abgegeben.

Der Gerichtshof

stellt nach Prüfung des Anrufungsbeschlusses, der Stellungnahmen der Regie­rung und des Volksanwalts, des vom Berichterstatter-Richter erstellten Berichts, der Ausführungen der anwesenden Partei, des Antrags des Staatsanwalts, der beanstandeten gesetzlichen Bestimmungen unter Bezugnahme auf die Bestim­mungen der Verfassung, sowie des Gesetzes Nr. 47/1992 folgendes fest:

Der Verfassungsgerichtshof wurde rechtmäßig angerufen und ist für die Lösung der Einrede der Verfassungswidrigkeit gemäß den Bestimmungen der Artikel 146 Buchstabe d der Verfassung sowie Artikel 1 Absatz 2, 2, 3, 10 und 29 des Gesetzes Nr. 47/1992 zuständig.

Gegenstand der Einrede der Verfassungswidrigkeit sind, gemäß des Anru­fungsbeschlusses an den Gerichtshof "die Bestimmungen des Gesetzes Nr. 298/2008 über die Vorratsspeicherung von Daten, die bei der Bereitstellung öffentlich zugänglicher elektronischer Kommunikationsdienste oder öffentlicher Kommuni­kationsnetze erzeugt oder verarbeitet werden, sowie zur Änderung des Gesetzes Nr. 506/2004 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation", veröffentlicht im Amts­blatt (Monitorul Oficial) Rumäniens, Teil l, Nr. 780 vom 21 November 2008. Ob­gleich der Erheber der Einrede das Gesetz Nr. 298/2008 in seiner Gesamtheit beanstandet, bezieht er sich insbesondere auf die Bestimmungen der Artikel 1 und 15 desselben, deren Wortlaut folgender ist:

Artikel 1 - "(1) Das vorliegende Gesetz regelt die Pflicht der Anbieter öffent­licher elektronischer Kommunikationsdienste und Netze auf Aufbewahrung be­stimmter Daten, die im Zuge der Bereitstellung der betreffenden Kommunika­tionsdienste erzeugt oder verarbeitet wurden, um sie zum Zwecke der Ermittlung, Feststellung und Verfolgung von schweren Straftaten den zuständigen Behörden zur Verfügung zu stellen.

(2) Das vorliegende Gesetz findet Anwendung auf die Verkehrs- und Standortdaten natürlicher und juristischer Personen sowie auf damit in Zu­sammenhang stehende Daten, die für die Identifizierung des Teilnehmers oder registrierten Benutzers notwendig sind,

(3) Das vorliegende Gesetz findet keine Anwendung auf den Inhalt der Kommunikation oder die während der Benutzung eines elektronischen Kommu­nikationsnetzes konsultierten Daten.

(4) Die Anwendung des vorliegenden Gesetzes erfolgt unter Einhaltung der Bestimmungen des Gesetzes Nr. 677/2001 über den Schutz der Personen be­züglich der Verarbeitung personenbezogener Daten und des freien Verkehrs die­ser Daten, mit den nachträglichen Änderungen und Ergänzungen, sowie des Ge­setzes Nr. 506/2004 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre im Bereich der elektronischen Kommunikation, mit den nachträglichen Ergänzungen."

Artikel 15 - "Die Anbieter von öffentlich zugänglichen elektronischen Kommunikationsdiensten bzw. Betreiber eines öffentlichen Kommunikationsnetzes sind verpflichtet, den zuständigen Behörden auf Antrag und aufgrund der gemäß den Bestimmungen des Artikels 16 erteilten Genehmigung unverzüglich die gemäß diesem Gesetz gespeicherten Daten zukommen zu lassen, mit Ausnahme von Fällen höherer Gewalt."

Der Erheber der Einrede der Verfassungswidrigkeit ist der Auffassung, dass die Bestimmungen von Artikel 25 - Freizügigkeit, Artikel 26 - Intim- Familien- und Privatleben, Artikel 23 - Fernmeldegeheimnis und Artikel 30 - Meinungs­freiheit der Verfassung verletzt werden.

Nach Prüfung der Einrede der Verfassungswidrigkeit stellt der Verfas­sungsgerichtshof folgendes fest:

Die Einwände des Erhebers der Einrede der Verfassungswidrigkeit gegen die Bestimmungen des Gesetzes Nr. 298/2008 über die Vorratsspeicherung von Daten, die bei der Bereitstellung öffentlich zugänglicher elektronischer Kommu­nikationsdienste oder öffentlicher Kommunikationsnetze erzeugt oder verarbeitet werden, sowie zur Änderung des Gesetzes Nr. 506/2004 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation betreffen bestimmte Mängel der untersuchten Rechtsvorschrift, wodurch das Recht auf Freizügigkeit, auf Intim-, Privat- und Familienleben sowie das Fernmeldegeheimnis und die Meinungsfreiheit verletzt werden können. Dies, weil das genannte Gesetz die Speicherung von Daten zulässt, die der Feststel­lung des Datums, der Uhrzeit und der Dauer eines Telefongesprächs oder einer Nachrichtenübermittlung, der Bestimmung der Art der Nachrichtenübermittlung, der Endeinrichtung, des Standorts von Kommunikationsgeräten dienen, ohne je­doch explizit zu definieren, was man unter "damit in Zusammenhang stehende Daten" versteht, die für die Identifizierung des Teilnehmers oder registrierten Be­nutzers erforderlich sind und die ebenfalls von den Anbietern von elektronischen Kommunikationsdiensten bzw. Betreibern von Netzen verarbeitet werden.

Die laut Auffassung des Erhebers der Einrede verletzten Rechte sind kom­plexe, nicht vermögensbezogene Persönlichkeitsrechte, denen die Ausübung des Rechts in der privaten Sphäre, auf der Ebene der einzelnen Person gemeinsam ist. Das Recht auf Achtung der Privatsphäre und des Familienlebens genießt all­gemeine Zustimmung und internationalen Schutz, wie aus Artikel 12 der Allge­meinen Erklärung der Menschenrechte, aus Artikel 17 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte, sowie aus Artikel 8 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten und Artikel 26 der Verfassung Rumäniens hervorgeht. Das Recht auf Achtung der Privatsphäre impliziert not­wendigerweise auch das Fernmeldegeheimnis, ob diese Komponente nun im Text des Artikels 8 der Konvention ausdrücklich erwähnt oder getrennt geregelt ist, wie im Falle des Artikels 28 der Verfassung. Die Korrespondenz drückt die Beziehungen aus, die eine Person auf verschiedene Arten der Kommunikation mit anderen Mitgliedern der Gesellschaft herstellen kann und schließt somit so­wohl die Telefongespräche als auch die elektronische Kommunikation ein.

Diese Rechte, einschließlich des Rechts auf Meinungsfreiheit, die aus­drücklich in Artikel 30 der Verfassung und Artikel 10 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten verankert sind, obwohl sie untrennbar mit der menschlichen Existenz verbunden sind und jeder das Recht hat diese un­gehindert auszuüben, sind trotzdem keine absoluten sondern bedingten Rechte.

Indem das Gesetz Nr. 298/2008 die Pflicht der Anbieter öffentlicher elekt­ronischer Kommunikationsdienste und Netze auf Aufbewahrung bestimmter Da­ten, die im Zuge der Bereitstellung der betreffenden Kommunikationsdienste er­zeugt oder verarbeitet wurden, regelt, drückt es den Willen des Gesetzgebers zur Durchsetzung bestimmter Grenzen bezüglich der Ausübung des Rechts auf Pri­vatsphäre, auf freie Meinungsäußerung und insbesondere auf das Recht auf das Fernmeldegeheimnis, unter den oben dargelegten Aspekten aus. Das Gesetz Nr. 298/2008 setzt auf nationaler Ebene die Richtlinie 2006/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 über die Vorratsspeicherung von Daten, die bei der Bereitstellung öffentlich zugänglicher elektronischer Kommu­nikationsdienste oder öffentlicher Kommunikationsnetze erzeugt oder verarbeitet werden, und zur Änderung der Richtlinie 2002/58/EG um. Der Rahmen eines sol­chen Rechtsakts der Gemeinschaft sieht für die Mitgliedstaaten der Europäischen Union die Verpflichtung zur Umsetzung vor, was die rechtliche Lösung betrifft, nicht jedoch die konkreten Modalitäten, wie man zu diesem Ergebnis gelangt, wobei den Staaten ein erheblicher Freiraum bei der Anpassung an die Eigenhei­ten ihrer nationalen Gesetzgebung und Realität gewährt wird.

Weder die Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfrei­heiten noch die Verfassung Rumäniens verbieten es dem Gesetzgeber, den Ein­griff der staatlichen Behörden in die Ausübung der genannten Rechte zu gestal­ten, doch muss der Eingriff durch den Staat strikten Regeln unterliegen, die sowohl in Artikel 8 der Konvention als auch in Artikel 53 der Verfassung fest­gehalten sind. Demzufolge dürfen gesetzgeberische Maßnahmen, welche die Ausübung der Grundrechte und Freiheiten beschränken könnten, nur zu begrün­deten Zwecken wie dem Schutz der nationalen Sicherheit, der öffentlichen Si­cherheit und Ordnung, der Verhütung von Straftaten sowie dem Schutz der Rech­te und Interessen anderer Personen vorgenommen werden, sie müssen in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sein, der Situation, die sie erforderlich gemacht hat, angemessen sein, in nicht diskriminierender Weise angewendet werden und dürfen das Bestehen des Rechts oder der Freiheit nicht verletzen.

Zudem und in Übereinstimmung mit den Beschränkungsprinzipien aus der einschlägigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschen­rechte, zum Beispiel im Fall Klass und andere gegen Deutschtand, 1978 oder im Fall Dumitru Popescu gegen Rumänien, 2007, muss eine Rechtsvorschrift, die Maßnahmen regelt, welche in die Ausübung des Rechts auf Privatsphäre, und Familie, auf das Fernmeldegeheimnis und freie Meinungsäußerung eingreifen könnten, adäquate und ausreichende Sicherheiten enthalten, um die Person vor eventueller Willkür durch die staatlichen Behörden zu schützen.

Der Verfassungsgerichtshof erkennt die Möglichkeit des Gesetzgebers an, die Ausübung einzelner Grundrechte und Freiheiten zu begrenzen, ebenso wie die Notwendigkeit der Regelung von Modalitäten, die es zuständigen Behörden in der Strafverfolgung ermöglichen, effiziente und adäquate Mittel für die Vorbeugung und Feststellung von insbesondere terroristischen Taten und schweren Straftaten einzusetzen. Die rumänische Gesetzgebung hat in der Strafprozessordnung die Modalitäten geregelt, unter denen öffentliche Behörden in die Ausübung des Rechts auf Privatsphäre, auf Fernmeldegeheimnis und freie Meinungsäußerung eingrei­fen können, unter Einhaltung aller Schutzvorkehrungen, die dieser Eingriff erfordert. In seiner Entscheidung Nr. 962 vom 25. Juni 2009, veröffentlicht im Amtsblatt Ru­mäniens, Teil l, Nr. 553 vom 13. August 2009, hat der Verfassungsgerichtshof festgehalten, dass die Bestimmungen des Artikels 911 der Strafprozessordnung, welche die Bedingungen und Fälle des Ausspähens und Aufzeichnens von Ge­sprächen und Kommunikation über Telefon oder jedwelche sonstigen elektroni­schen Kommunikationsmittel regeln, verfassungsgemäß sind und in einer demo­kratischen Gesellschaft, die von immer komplexeren Straftaten bedroht ist, durch das Erfordernis der Gewährleistung der nationalen Sicherheit, der Verteidigung der öffentlichen Ordnung oder der Vorbeugung von Straftaten gerechtfertigt ist.

Der Verfassungsgerichtshof stellt fest, dass das Gesetz Nr. 298/2003, so wie es verfasst ist, auch auf indirekte Weise die Ausübung der Grundrechte und Freiheiten, insbesondere das Recht auf Intim-, Privat- und Familienleben, das Recht auf das Fernmeldegeheimnis und die freie Meinungsäußerung in einer Weise verletzt, die nicht den Erfordernissen aus Artikel 53 der Verfassung Rumä­niens entspricht.

So führt das Gesetz Nr. 298/2003 für die Anbieter von öffentlich zugängli­chen elektronischen Kommunikationsdiensten bzw. Betreiber eines öffentlichen Kommunikationsnetzes die Pflicht ein, für einen Zeitraum von 6 Monaten die Ver­kehrs- und Standortdaten von natürlichen und juristischen Personen zu spei­chern. Gemäß Artikel 3 des Gesetzes sind dies die Daten, die "zur Verfolgung und Feststellung" der Quelle, des Adressaten, des Datums, der Uhrzeit und Dau­er einer Kommunikation, der Art der Nachrichtenübermittlung, der vom Nutzer eingesetzten Kommunikationsmittel oder Vorrichtungen, des Standortes mobiler Endgeräte erforderlich sind. Artikel 1 Absatz 2 des Gesetzes schließt in die Kate­gorie der Verkehrs- und Standortdaten natürlicher und juristischer Personen auch "damit in Zusammenhang stehende Daten für die Identifizierung des Teilnehmers oder des registrierten Benutzers" ein, ohne jedoch ausdrücklich zu definieren, was unter "damit in Zusammenhang stehende Daten" für die Identifizierung des Teilnehmers oder des registrierten Benutzers zu verstehen ist.

Der Verfassungsgerichtshof ist der Auffassung, dass das Fehlen einer prä­zisen rechtlichen Regelung, welche den Bereich der für die Identifizierung natürli­cher und juristischer Personen als Benutzer genau definiert, die Möglichkeit des Missbrauchs bei der Bereitstellung, Verarbeitung und Verwendung der von den Anbietern von öffentlich zugänglichen elektronischen Kommunikationsdiensten bzw. Betreibern eines öffentlichen Kommunikationsnetzes gespeicherten Daten birgt. Auch die Einschränkung der Ausübung des Rechts auf Privatsphäre, auf das Fernmeldegeheimnis und freie Meinungsäußerung muss in einer klaren, vor­hersehbaren und eindeutigen Weise erfolgen, so dass nach Möglichkeit die Will­kür oder der Missbrauch durch die Behörden in diesem Bereich ausgeschlossen wird. Die Adressaten der Gesetzesvorschrift sind in diesem Fall alle natürlichen und juristischen Personen, die Teilnehmer öffentlich zugänglicher elektronischer Kommunikationsdienste bzw. Nutzer öffentlicher Kommunikationsnetze sind, also ein breites, umfassendes Spektrum von Rechtssubjekten, Mitglieder der Zivilge­sellschaft. Diese benötigen jedoch eine klare Darstellung der anwendbaren Rechtsnorm, damit sie ihr Verhalten anpassen und die Konsequenzen vorausse­hen können, die aus ihrer Missachtung entstehen. In diesem Sinn urteilt auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, der zum Beispiel im Fall Rotaru gegen Rumänien, 2000 bestimmt hat, dass "eine Rechtsnorm nur dann 'vorher­sehbar' ist, wenn sie mit ausreichender Genauigkeit formuliert ist, so dass sie jedwelcher Person - die bei Bedarf eine Fachberatung in Anspruch nehmen kann - ermöglicht, ihr Verhalten zu korrigieren", und im Fall Sunday Times gegen Vereinigtes Königreich, 1979, entschieden hat, dass "[...] der Bürger über ausrei­chende Informationen über die in einem Fall anwendbaren Rechtsnormen haben muss um in der Lage zu sein in einem vernünftigen Umfang die möglichen Kon­sequenzen einer bestimmten Handlung vorauszusehen." Kurzum, das Gesetz muss gleichzeitig zugänglich und voraussehbar sein. Die gleiche Rechtspre­chungspraxis ist auch dem Verfassungsgerichtshof eigen, relevant in diesem Sin­ne ist seine Entscheidung Nr. 189 vom 2. März 2006, veröffentlicht im Amtsblatt Rumäniens, Teil l, Nr. 307 vom 5. April 2006.

Des weiteren stellt der Verfassungsgerichtshof die gleiche zweideutige Art der Formulierung, die nicht mit den Normen der Gesetzgebungstechnik überein­stimmt, bei den Bestimmungen des Artikels 20 des Gesetzes Nr. 298/2006 fest, wonach "Zum Zwecke der Verhütung und Abwehr von Bedrohungen der nationalen Sicherheit können die dafür zuständigen staatlichen Behörden unter den ge­setzlichen Bestimmungen, welche die Tätigkeit der Gewährleistung der nationa­len Sicherheit regeln, Zugang zu den von den Anbietern von öffentlichen elektro­nischen Kommunikationsdiensten und Netzen gespeicherten Daten haben." Der Gesetzgeber definiert nicht, was mit "Bedrohungen der nationalen Sicherheit" gemeint ist, so dass mangels genauer Eingrenzungskriterien verschiedene Aktio­nen, Informationen oder gewöhnliche Routinetätigkeiten von natürlichen oder ju­ristischen Personen willkürlich und missbräuchlich als Bedrohungen der nationa­len Sicherheit eingestuft werden könnten. Die Adressaten des Gesetzes können in die Kategorie verdächtiger Personen eingestuft werden, ohne darüber Kenntnis zu haben und ohne durch ihr Verhalten die Konsequenz der Anwendung des Rechts vermeiden zu können. Des weiteren suggeriert die Verwendung des Syntagmas "können haben" dass die Daten, auf die sich das Gesetz Nr. 298/2008 bezieht, nicht dem ausschließlichen Zweck ihrer Verwendung nur von den zu­ständigen staatlichen Behörden für den Schutz der nationalen Sicherheit und öf­fentlichen Ordnung dienen, sondern auch von anderen Personen oder Rechts­subjekten verwendet werden können, solange diese zu den Daten im Sinne des Gesetzes Zugang "haben können" und nicht "haben".

Die Einhaltung der Normen der Gesetzgebungstechnik im Rahmen des Komplexes spezifischer Regeln bei der Erlassung von Gesetzen stellt einen ent­scheidenden Faktor bei der Umsetzung des Willens des Gesetzgebers dar, damit die erlassene gesetzliche Bestimmung auch durch die Art ihrer Formulierung al­len Anforderungen der Wahrung der Grundrechte des Menschen entspricht. Ohne die Rolle des positiven Gesetzgebers einnehmen zu wollen stellt der Verfas­sungsgerichtshof fest, dass die möglichst genaue Regelung des Anwendungsbe­reiches des Gesetzes Nr. 298/2008 um so erforderlicher ist angesichts der kom­plexen Natur der der Beschränkung unterliegenden Rechte und der Kon­sequenzen, die ein möglicher Missbrauch durch die öffentlichen Behörden auf die Privatsphäre ihrer Adressaten hätte, so wie dieser auf der subjektiven Ebene ei­nes jeden Individuums wahrgenommen wird.

Darüber hinaus stellt der Verfassungsgerichtshof fest, dass das Gesetz Nr. 298/2008 in seiner Gesamtheit eine Regel bezüglich der Verarbeitung personen­bezogener Daten aufstellt, nämlich jene der Vorratsspeicherung für einen Zeit­raum von 6 Monaten ab dem Zeitpunkt der Erfassung. Die Verpflichtung der An­bieter öffentlich zugänglicher elektronischer Kommunikationsdienste oder öffent­licher Kommunikationsnetze ist dauerhafter Art. Demgegenüber besteht im Be­reich der Persönlichkeitsrechte wie des Rechts auf Privatsphäre, auf freie Mei­nungsäußerung und auf den Schutz personenbezogener Daten der einstimmig anerkannte Grundsatz, dass diese Rechte und die Vertraulichkeit dieser Daten zu garantieren und zu respektieren sind und dem Staat in dieser Hinsicht vor allem negative Pflichten obliegen, nämlich so weit wie möglich von Eingriffen in die Ausübung des Rechts oder der Freiheit abzusehen. Mit diesem Ziel wurden die Richtlinie 2002/58/EG über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation, das Gesetz Nr. 677/2001 über den Schutz von Personen bei der Verarbeitung personenbezoge­ner Daten und den freien Datenverkehr, und das Gesetz Nr. 506/2004 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation verabschiedet. Ausnahmen sind eingeschränkt erlaubt, soweit dies die Verfassung und die geltenden internationalen Rechtsvorschriften in diesem Bereich ausdrücklich zulassen. Das Gesetz Nr. 298/2008 bil­det eine solche Ausnahme, wie schon sein Titel zeigt.

Die durch das Gesetz Nr. 298/2008 unter dem Titel der Ausnahme oder Abweichung vom Grundsatz des Schutzes persönlicher Daten und ihrer Vertrau­lichkeit geregelte Verpflichtung zur Vorratsspeicherung von Daten beraubt jedoch durch ihre Art, ihren Umfang und ihren Anwendungsbereich diesen Grundsatz seines Inhalts, wie er in Gesetz 677/2001 und Gesetz Nr. 506/2004 verbürgt war. In der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, so zum Beispiel in der Entscheidung Prinz Hans-Adam II. von Liechtenstein gegen Deutschland, 2001, wird jedoch allgemein anerkannt, dass die Mitgliedstaa­ten mit der Unterzeichnung der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten die Verpflichtung eingegangen sind, durch Verabschiedung der erforderlichen Gesetze sicherzustellen, dass die in der Konvention garantier­ten Rechte praktisch und effektiv - und nicht nur theoretisch und illusorisch - be­stehen und die verabschiedeten Gesetze tatsächlich dem Schutz dieser Rechte dienen. Die rechtliche Verpflichtung zur kontinuierlichen Vorratsspeicherung per­sönlicher Daten macht jedoch die Ausnahme vom Grundsatz des Schutzes des Rechts auf Privatsphäre und Meinungsfreiheit zur absoluten Regel. Das Recht scheint in einer negativen Art und Weise geregelt zu werden, und seine positive Seite verliert ihren vorherrschenden Charakter.

In diesem Zusammenhang stellt der Gerichtshof fest, dass die Bestimmun­gen von Artikel 911 der Strafprozessordnung den Ausnahmecharakter des Ausspähens oder Aufzeichnens von Ton und Bild respektieren, indem dies nur unter strengen Bedingungen und im Einzelfall nach begründeter Anordnung durch den zuständigen Richter zugelassen wird und pro Straftat und Person insgesamt die Dauer von 120 Tagen nicht überschreiten darf. Stattdessen führt das Gesetz Nr. 298/2008 als Regel ein, was die Strafprozessordnung nur als strenge Ausnahme vorsieht, indem es die fortlaufende Aufbewahrung von Daten für die Dauer von sechs Monaten ab ihrer Erfassung vorsieht, so dass mit begründeter richterlicher Anordnung auf in der Vergangenheit angefallene und nicht nur auf zukünftig an­fallende Daten zugegriffen werden kann. Auf diese Weise führt die Einführung einer positiven Verpflichtung, welche die fortwährende Einschränkung des Rechts auf Privatsphäre und auf das Fernmeldegeheimnis vorsieht, zur Beseitigung des Kerngehalts dieses Rechts, indem die Schutzvorkehrungen zur Gewährleistung seiner Ausübung beseitigt werden. Die natürlichen und juristischen Personen - die Massenverbraucher öffentlich zugänglicher elektronischer Kommunikations­dienste oder öffentlicher Netze - werden permanent diesem Eingriff in die Aus­übung ihrer Rechte auf Fernmeldegeheimnis und freie Meinungsäußerung ausgesetzt, wodurch sie von diesen Rechten nur noch auf dem Wege der direk­ten Kommunikation frei und unzensiert Gebrauch machen können, was aber ei­nen Ausschluss von den heutigen Hauptkommunikationsmitteln bedeutet.

Als logische Konsequenz dieser Analyse ergibt sich auch die Notwendig­keit der Prüfung der Einhaltung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, ein weiteres zwingend zu befolgendes Erfordernis im Falle der Einschränkungen der Ausübung bestimmter Grundrechte und Freiheiten, wie ausdrücklich in Art. 53 Abs. 2 der Verfassung bestimmt ist. Dieser Grundsatz erfordert, dass die ein­schränkende Maßnahme der Situation, die zu ihrer Einführung geführt hat, ent­sprechen muss und die einschränkende Maßnahme mit dem Wegfall ihres Anlas­ses beendet werden muss.

So entsprechen die Bestimmungen des Artikels 911 der Strafprozessord­nung in vollem Umfang den Anforderungen des Grundsatzes der Verhältnismä­ßigkeit, sowohl hinsichtlich des Ausmaßes der einschränkenden Maßnahme wie auch des Gebots der sofortigen Einstellung der Maßnahme, sobald ihre Voraus­setzungen entfallen. Stattdessen sieht aber das Gesetz Nr. 298/2008 die kontinu­ierliche Vorratsspeicherung von Daten vom Zeitpunkt seines Inkrafttretens an (d.h. 20. Januar 2009 bzw. 15. März 2009 für die Verkehrs- und Standortdaten bei Internet-Zugangsdiensten, Internet-E-Mail und Internet-Telefonie) vor, ohne das Erfordernis der Beendigung der Maßnahme mit dem Wegfall des Grundes, der zu ihrer Einführung geführt hat, zu berücksichtigen. Der Eingriff in die freie Rechtsausübung erfolgt hier kontinuierlich und unabhängig vom Vorliegen rechtfertigender Gründe oder bestimmender Ursachen für die Maßnahme, und dient nur dem Zweck der Verhütung von schweren Straftaten oder ihrer Feststellung nach deren Begehung.

Eine weitere ungerechtfertigte Einschränkung des Rechts auf Privatsphäre liegt vor, weil das Gesetz Nr. 298/2008 die Identifizierung nicht nur des Absen­ders einer Nachricht über einen beliebigen Kommunikationsweg sondern - wie sich aus dem Inhalt von Artikel 4 ergibt - auch des Empfängers dieser Nachricht bewirkt. Der Angerufene wird einer Vorratsspeicherung von Daten über seine Pri­vatsphäre ausgesetzt, ohne dass eine Handlung oder Willensäußerung seiner­seits vorläge, nur wegen des Verhaltens einer anderen Person - des Anrufers -, dessen Handlungen er nicht kontrollieren kann, um sich beispielsweise vor Bös­willigkeit, Erpressung, Belästigung usw. zu schützen. Obwohl er nur passives Subjekt in der Kommunikationsbeziehung ist, kann der Angerufene aufgrund der Beziehung zum Anrufer ungewollt zum Ziel staatlicher Strafverfolgungsmaßnah­men werden. In dieser Hinsicht erscheint der durch das Gesetz Nr. 298/2008 ge­regelte Eingriff in die Privatsphäre des Einzelnen unverhältnismäßig.

Der Verfassungsgerichtshof betont, dass die legale Nutzung unter den Be­dingungen des Gesetzes Nr. 298/2008 nicht für sich genommen das Recht auf Privatsphäre oder die Meinungsfreiheit auf eine nicht hinnehmbare Weise ver­letzt, sondern vielmehr die fortwährende und allgemeine gesetzliche Verpflichtung zur Vorratsspeicherung von Daten. Diese Maßnahme betrifft alle Personen gleichermaßen, unabhängig davon, ob sie eine strafbare Handlung begangen haben oder nicht, ob gegen sie ein Strafverfahren geführt wird oder nicht, was die Ge­fahr birgt, dass die Unschuldsvermutung ausgehebelt wird und alle Nutzer elekt­ronischer Kommunikationsdienste und öffentlicher Kommunikationsnetze a priori in den Verdacht der Begehung terroristischer oder sonstiger schwerer Straftaten geraten. Doch obwohl das Gesetz Nr. 298/2008 strafprozessuale Begriffe und Verfahren verwendet, hat es ein breites Anwendungsspektrum - es bezieht sich praktisch auf alle natürlichen und juristischen Personen als Benutzer öffentlich zugänglicher Kommunikationsdienste und Kommunikationsnetze -, und kann deswegen nicht als vereinbar angesehen werden mit den Bestimmungen der Ver­fassung und der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten in Bezug auf das Recht auf Achtung der Privatsphäre, der Kor­respondenz und der freien Meinungsäußerung.

Der Verfassungsgerichtshof stellt fest, dass sich das Gesetz Nr. 298/2008 zwar überwiegend auf Daten technischer Art bezieht, deren Vorratsspeicherung jedoch zum Zweck der Information über einzelne Personen und deren Privatsphä­re erfolgt. Das Gesetz darf zwar gemäß den Bestimmungen in Artikel 1 Abs. 3 nicht auf den Inhalt der Nachricht oder der während der Nutzung eines elektroni­schen Kommunikationsnetzes abgerufenen Informationen angewandt werden, die anderen gespeicherten Daten jedoch, die der Identifizierung des Anrufers und des Angerufenen, bzw. des Nutzers und Empfängers einer elektronisch vermittel­ten Information, der Quelle, der Bestimmung, des Datums, der Zeit und der Dauer der Nachricht, der Art der Nachrichtenübermittlung, der vom Nutzer eingesetzten Kommunikationsmittel oder Vorrichtungen, des Standortes mobiler Endgeräte sowie andere "damit in Zusammenhang stehende Daten" - die das Gesetz nicht definiert -, sind aufgrund ihrer Beschaffenheit zur Behinderung der freien Ausübung des Rechts auf Kommunikation und Meinungsäußerung geeignet. Die fortwährende Vorratsspeicherung dieser Daten bezüglich jedes Nutzers eines öffentlich zugänglichen elektronischen Kommunikationsdienstes oder öffentlicher Kommunikationsnetze, von welcher die Anbieter unter der Strafandrohung des Artikels 18 des Gesetzes Nr. 298/2008 nicht abweichen dürfen, reicht aus, um im Bewusstsein der Menschen den berechtigten Verdacht eines möglichen Miss­brauchs ihrer Privatsphäre zu wecken. Die gesetzlichen Schutzvorkehrungen hinsichtlich der konkreten Verwendung der gespeicherten Daten - der Ausschluss von Inhal­ten von der Speicherung, die erforderliche vorherige begründete Genehmigung durch den Vorsitzenden des für die Verhandlung im eingeleiteten Strafverfahren zuständigen Gerichts gemäß den Bestimmungen des Artikels 16 des Gesetzes und unter Anwendung der in den Artikeln 18 und 19 des Gesetzes vorgesehenen Sanktionen - sind weder ausreichend noch angemessen, um die Furcht vor ei­ner Verletzung der Persönlichkeitsrechte, etwa des Rechts auf Privatsphäre, zu beseitigen und ihre Ausübung in hinnehmbarer Weise zu gewährleisten.

Wie bereits ausgeführt, stellt der Verfassungsgerichtshof den eigentlichen Grund nicht in Abrede, der den Gesetzgeber zur Verabschiedung des Gesetzes Nr. 298/2008 geführt hat, wonach es unabdingbar ist, adäquate und wirksame rechtliche Mittel für die Kontrolle und Bekämpfung der Kriminalität zur Verfügung zu stellen, die der kontinuierlichen Modernisierung und Entwicklung von Kommu­nikationsmitteln Rechnung tragen. Gerade deshalb können die Rechte des Ein­zelnen nicht ad absurdum ausgeübt werden, sondern dürfen dem verfolgten Ziel entsprechenden Einschränkungen unterliegen. Die Ausübung persönlicher Rech­te einzuschränken, um Rechte und Interessen der Allgemeinheit im Hinblick auf die nationale Sicherheit, die öffentliche Ordnung oder die Verhütung von Strafta­ten zu wahren, ist schon immer eine sensible Angelegenheit gewesen, damit ein ausgewogenes Gleichgewicht zwischen den Interessen und Rechten des Einzel­nen auf der einen Seite und den Interessen der Gesellschaft auf der anderen Sei­te hergestellt werden kann. Ebenso zutreffend ist, wie bereits der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte im Verfahren Klass und andere gegen Deutsch­land, 1978 bemerkt hat, dass Eingriffsmaßnahmen ohne ausreichende Garantien zur "Zerstörung der Demokratie unter dem Vorwand ihrer Verteidigung" führen können.

Im Ergebnis, insbesondere in Anbetracht des breiten Geltungsbereichs des Gesetzes Nr. 298/2008 in Verbindung mit der dauerhaften Pflicht der Vorratsspeicherung von Verkehrsdaten und Standortdaten von Einzelpersonen und Un­ternehmen als Nutzer öffentlich zugänglicher elektronischer Kommunikations­dienste und Kommunikationsnetze sowie anderer "damit in Zusammenhang ste­hender Daten", die für deren Identifikation erforderlich sind, befindet der Verfassungsgerichtshof aus den oben angeführten Gründen das untersuchte Gesetz ins­gesamt für verfassungswidrig, selbst wenn der Erheber der Einrede sich speziell auf die Artikel 1 und 15 des Gesetzes beruft.

Aus den vorbezeichneten Gründen und in Übereinstimmung mit Artikel 146 Buchstabe d) und Artikel 147 Absatz 4 der Verfassung und den Artikeln 1 und 3 sowie Artikel 11(1) Buchstabe A.d) sowie Artikel 29 des Gesetzes Nr. 47/1992, ergeht im Wege der mehrheitlichen Abstimmung

von Seiten des Verfassungsgerichtshofes

im Namen des Gesetzes folgende

Entscheidung:

Der vom Kommissariat für die Zivilgesellschaft vor der Abteilung für Han­delssachen des Landgerichts Bukarest in dem Verfahren mit dem Az. 2971/3/2009 er­hobenen Einrede wird stattgegeben. Die Bestimmungen des Gesetzes Nr. 298/2008 über die Vorratsspeicherung von Daten, die bei der Bereitstellung öf­fentlich zugänglicher elektronischer Kommunikationsdienste oder öffentlicher Kommunikationsnetze erzeugt oder verarbeitet werden, und zur Änderung des Gesetzes Nr. 506/2004 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation sind verfassungs­widrig.

Unanfechtbar und allgemein verbindlich.

Die Entscheidung ist beiden Kammern des Parlaments sowie der Regie­rung mitzuteilen.

Verkündet in öffentlicher Sitzung am 08.10.2009.

 
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