Sehr geehrte Frau
Leutheusser-Schnarrenberger,
ein erfreulich klarer
Beschluss der FDP aus dem vergangenen Jahr betont zum Thema „Vorgehen
gegen Internetkriminalität“, es dürfe „nicht vom Grundsatz
abgerückt werden, der für den Rechtsstaat konstitutiv ist, dass mit
staatlicher Überwachung und Verfolgung nur derjenige rechnen muss,
gegen den ein Verdacht vorliegt. Eine anlasslose Überwachung aller
Bürgerinnen und Bürger unabhängig von einem Verdacht wie durch die
Vorratsdatenspeicherung widerspricht diesem Grundsatz.“1
„Die anlass- und verdachtsunabhängige Vorratsdatenspeicherung hat
die FDP von Anfang an abgelehnt“, heißt es auch im Wahlprogramm
der FDP aus dem Jahr 2009,2
auf dessen Grundlage 14,6% der Wählerinnen und Wähler ihre Stimme
der FDP gegeben haben.
In Umsetzung dieses
Auftrags hat die FDP-Bundestagsfraktion am 09.11.2010 beschlossen:
„Der Rechtsgrundsatz, dass grundrechtsrelevante Maßnahmen im
Rahmen der Strafverfolgung oder der Gefahrenabwehr nur unter der
Voraussetzung erfolgen, dass ein ausreichender Verdacht oder Anlass
für diese Maßnahme gegeben ist, muss auch im digitalen Raum gelten.
Wir lehnen daher die verdachts- und anlassunabhängige Speicherung
personenbezogener Daten auf Vorrat ab.“3
Noch vor wenigen Tagen erklärte der Bundesvorsitzende Dr. Guido
Westerwelle: „Wir sollten nicht ohne Anlass die Telefon- und
Internetverbindungsdaten aller Bürger speichern.“4
Als Zusammenschluss von
Bürgerrechtlern, Datenschützern und Internetnutzern teilen und
begrüßen wir die Ablehnung einer Vorratsdatenspeicherung, für die
Datenschutzbeauftragte, Zivilgesellschaft, Berufsverbände und
freiheitsfreundliche Politiker gemeinsam werben.
Mit Unverständnis und
Bestürzen haben wir nun aber feststellen müssen, dass Sie mit dem
Vorschlag einer einwöchigen Erfassung aller Internetverbindungen5
diesen Konsens verlassen. Die gesuchte „Alternative zur
Vorratsdatenspeicherung“ kann nicht eine Vorratsdatenspeicherung
sein, egal wie „klein“ oder „leicht“ sie angeblich erscheinen
mag!
1. Jede Vorratsdatenspeicherung hat verheerende
Folgen
Sie scheinen der
Auffassung zu sein, eine einwöchige Vorratsdatenspeicherung sei ein
weitaus geringerer Eingriff als eine sechsmonatige
Vorratsdatenspeicherung. Wir sind anderer Meinung, und sehen kaum
einen Unterschied. Eine Verkürzung des Speicherzeitraums würde im
Grundsatz nichts an den fatalen Wirkungen und Risiken jeder
verdachtslosen Totalspeicherung ändern:
In einer
Informationsgesellschaft wird der Zugang zum Internet zunehmend
Voraussetzung für Recherche, Meinungsbildung, Meinungsäußerung und
Meinungsaustausch. Anders als bei persönlichen Recherchen, direkten
Gesprächen und postalischem Meinungsaustausch trägt man im Internet
jedoch eine Identifikationskennziffer (IP-Adresse) offen bei sich.
Verbreitet wird diese Kennziffer zusammen mit Informationsabrufen und
Veröffentlichungen protokolliert und mit E-Mails versandt. Dadurch
kann sich unser gesamtes Informations- und Kommunikationsverhalten im
Internet nachträglich rekonstruieren und rückverfolgen lassen, wie
es außerhalb des Internets undenkbar wäre. Das vom
Bundesgerichtshof geforderte „Recht des Internetnutzers auf
Anonymität“6
lässt vor diesem Hintergrund nur gewährleisten, wenn die Zuordnung
von IP-Adressen möglichst verhindert wird.
Als Zusammenschluss von
Bürgerrechtlern, Datenschützern und Internetnutzern sähen wir eine
inakzeptable Diskriminierung der Internetnutzer darin, deren
Verhalten ohne Anlass erfassen zu lassen, während vergleichbare
Verhaltensweisen außerhalb des Internet anonym möglich bleiben:
Warum soll ein anonym per E-Mail versandtes Dokument rückverfolgbar
bleiben, wenn dasselbe Schreiben per Post anonym versandt werden
kann? Warum soll die Lektüre eines politischen Artikels im Internet
nachverfolgbar bleiben, wenn man sich den Abdruck des Artikels anonym
in der Buchhandlung kaufen kann? Wie rechtfertigt sich die
Ungleichbehandlung von Internet-Telefonie und Telefon-Flatrates, von
Twitter-Nutzung und SMS-Flatrates? Aus unserer Sicht ist es
unerträglich und mit einer modernen Netzpolitik unvereinbar, gerade
Internetnutzer unter einen Generalverdacht stellen zu wollen, indem
man ihr Verhalten ohne Anlass erfassen lässt.
Jede allgemeine
Aufzeichnung der Zuordnung von Internetadressen setzt vertrauliche
Tätigkeiten und Kontakte etwa zu Journalisten, Beratungsstellen oder
Geschäftspartnern dem ständigen Risiko eines Bekanntwerdens durch
Datenpannen und -missbrauch aus. Daneben schafft die Aufzeichnung von
Verbindungsdaten das permanente Risiko, unschuldig einer Straftat
verdächtigt, einer Wohnungsdurchsuchung oder Vernehmung unterzogen
oder abgemahnt zu werden, denn Verbindungsdaten lassen nur auf den
Inhaber eines Anschlusses rückschließen und nicht auf dessen
Benutzer.
Das ständige Risiko von
Nachteilen infolge von Kommunikationsprotokollen entfaltet eine
enorme Abschreckungswirkung und würde eine unbefangene
Internetnutzung in sensiblen Situationen zu vereiteln drohen (z.B.
anonyme Information von Journalisten per E-Mail, anonyme
Meinungsäußerung im Internet, vertraulicher Austausch von
Geschäftsgeheimnissen, vertrauliche Koordinierung politischer
Proteste, psychologische, medizinische und juristische Beratung und
Selbsthilfegruppen von Menschen in besonderen Situationen wie
Notlagen und Krankheiten). Wenn gefährliche oder gefährdete
Menschen nicht mehr ohne Furcht vor Nachteilen Hilfe suchen können,
verhindert dies eine sinnvolle Prävention und kann sogar Leib und
Leben Unschuldiger gefährden.
Jede massenhafte
Erfassung des Informations- und Kommunikationsverhalten vollkommen
Unschuldiger verstößt gegen die EU-Grundrechtecharta und die
Europäische Menschenrechtskonvention. Der EU-Gerichtshof, der
Europäische Gerichtshof für Menschenrechte und der Rumänische
Verfassungsgerichtshof haben flächendeckende Veröffentlichungen,
Erfassungen oder Aufzeichnungen persönlicher Daten bereits als
unverhältnismäßig verworfen. Das Bundesverfassungsgericht hat in
seiner Entscheidung zur Vorratsdatenspeicherung nur das Grundgesetz
angewandt, nicht aber die ebenfalls zu beachtende
EU-Grundrechtecharta und Europäische Menschenrechtskonvention
geprüft.
2. Dammbruch auf dem Weg in die
Überwachungsgesellschaft
Die Zulassung einer
Vorratsdatenspeicherung wäre ein Dammbruch auf dem Weg in die
Überwachungsgesellschaft. Die globale Speicherung von Daten allein
für eine mögliche künftige staatliche Verwendung würde allmählich
alle Lebensbereiche erfassen, denn die vorsorgliche Protokollierung
personenbezogener Daten ist für den Staat stets und in allen
Bereichen nützlich. Wenn dem Staat die permanente Aufzeichnung des
Verhaltens sämtlicher seiner Bürger ohne Anlass gestattet würde,
würden schrittweise sämtliche Lebensbereiche in einer Weise
registriert werden, wie es selbst unter früheren totalitären
Regimes wie der DDR undenkbar war. Sicherlich wollen Sie nicht, dass
der Staat „kurzfristig“ erfassen lässt, welche Bücher Sie lesen
und mit wem Sie den Tag über sprechen und verkehren?
Wenn Sie eine einwöchige
Erfassung aller Internetverbindungen für gerechtfertigt erachten,
können Sie beispielsweise nicht begründen, warum nicht auch eine
zweiwöchige, sechswöchige oder sechsmonatige Aufbewahrung der Daten
gerechtfertigt sein soll. Das Bundeskriminalamt behauptet schon
heute, eine einwöchige Vorratsdatenspeicherung würde „nicht
annähernd den polizeilichen Bedarf decken. Selbst in einem noch so
engen Zeitfenster von Ereigniszeitpunkt, polizeilicher
Kenntniserlangung, Prüfung und Auskunftsersuchen sind wenige Tage in
der Regel nicht ausreichend.“7
Wenn Sie eine Erfassung
aller Internetverbindungen für gerechtfertigt erachten, können Sie
auch nicht begründen, warum Telefonverbindungen nicht erfasst werden
dürften. Schließlich nimmt die Zahl der Telefon-Flatrates zu. Hängt
der polizeiliche Bedarf davon ab, ob ein Amoklauf im Internet oder
telefonisch angedroht wird? Sie führen Ihre eigene, ansonsten
prinzipielle Argumentation gegen eine Vorratsdatenspeicherung ad
absurdum, wenn Sie selbst eine Vorratsdatenspeicherung vorschlagen.
Eine
Internet-Vorratsdatenspeicherung schaffte genau den Präzedenzfall
für eine flächendeckende, unterschiedslose Erfassung des Verhaltens
unschuldiger Menschen, den wir zum Erhalt unserer freien Gesellschaft
verhindern müssen.
3. Strafverfolgung braucht keine
Vorratsdatenspeicherung
Ausgangspunkt Ihrer
Überlegungen ist die Tatsache, dass nicht gespeicherte
Verbindungsdaten nicht an den Staat herausgegeben oder für diesen
„eingefroren“ werden können. Dies ist indes kein Nachteil der
aktuellen Rechtslage, sondern - wie oben gezeigt - ihr entscheidender
Vorteil.
Leider übernehmen Sie
mit Ihrem Vorschlag unbesehen die Behauptung maßloser
Innenpolitiker, man brauche insbesondere bei Pauschaltarifen
(„Flatrates“) eine Protokollierung jeder Verbindung, um
Straftaten verfolgen zu können. Die Behauptung, dass sich Straftaten
ohne Vorratsspeicherung von Verbindungsdaten über das
Verbindungsende hinaus nicht verfolgen ließen, ist ebenso falsch wie
die Behauptung, ein Verfahren zur schnellen Sicherung von
Verkehrsdaten („Quick Freeze“) setzte eine
Vorratsdatenspeicherung voraus.
Schon der Blick auf unser
tägliches Leben zeigt, dass die meisten (ca. 55%) dem Staat bekannt
gewordenen Straftaten aufgeklärt werden können, obwohl niemand
mitschreibt, mit wem wir geredet, wo wir uns aufgehalten oder worüber
wir informiert haben. Wie gelingt Strafverfolgung bei unbekannten
Tätern?
Teilweise werden
Straftäter noch auf frischer Tat festgehalten und identifiziert.
Dies ist auch im Internet möglich: Straftäter können während der
bestehenden Verbindung auch ohne Vorratsdatenspeicherung „auf
frischer Tat“ identifiziert werden. Zurzeit dauert es allerdings
noch viel zu lange, bis die Anzeige eines Internetdelikts zu einem
sachkundigen Polizeibeamten gelangt und die erforderlichen
Ermittlungsmaßnahmen vorgenommen werden.
Teilweise werden
Straftäter mithilfe von Spuren ausfindig gemacht. Im Internet ist
das auch ohne Vorratsdatenspeicherung möglich. Beispielsweise
handelt es sich bei 82% der polizeilich registrierten
Internetdelikte um Betrug. Hier kann man oftmals erfolgreich der
Spur des erschwindelten Geldes bzw. der bestellten Waren folgen.
Teilweise werden
Straftäter ertappt, wenn sie zurück kehren. Im Internet
funktioniert dies beispielsweise, wenn sich der Straftäter erneut
bei dem Dienst anmeldet, über den er seine Straftat begangen oder
bekannt gegeben hat (z.B. Auktionshaus, Chat-Dienst, E-Mail-Konto).
Beispielsweise konnte das Bundeskriminalamt auf diese Weise einen
Mann, der in einem Internetchat über einen Kindesmissbrauch
berichtet hatte, im März 2010 dingfest machen, obwohl der genutzte
Zugangsanbieter Verbindungsdaten nicht verdachtslos auf Vorrat
speicherte.
Politisch muss
entscheidend sein, dass im Internet keine rechtsfreien Räume
entstehen und Internetdelikte ebenso wirksam aufgeklärt werden
können wie außerhalb des Internets begangene Delikte. Dies ist
bereits gegenwärtig und auch ohne Erfassung jeder Internetverbindung
gewährleistet. Die Verfolgung von Straftaten wird durch das Internet
nicht erschwert, sondern enorm erleichtert. Ohne Totalerfassung
sämtlicher Verbindungen werden Internetdelikte sehr viel häufiger
aufgeklärt (zu über 70%) als sonstige Straftaten (zu etwa 55%).
Solange dies so ist, besteht überhaupt kein Anlass für eine
Erfassung jeder Internetverbindung völlig unschuldiger Menschen ins
Blaue hinein. Die äußerst hohen Aufklärungsraten bei
Internetdelikten ohne Vorratsdatenspeicherung wurden übrigens
zuletzt im Jahr 2008 erzielt, als schon 86% der Deutschen eine
Internet-Flatrate nutzen. Dies beweist, dass eine wirksame
Strafverfolgung auch bei Pauschaltarifen („Flatrates“) ohne
verdachtslose Aufzeichnung jeder Verbindung möglich ist. Um Ihr
eigenes Ministerium zu zitieren: „Zur Kriminalitätsbekämpfung
sind auch ohne die pauschale und anlasslose Speicherung jeder
Benutzung von [...] Internet genügend Verbindungsdaten verfügbar“.8
Es ist nicht
nachzuweisen, dass eine Internet-Vorratsdatenspeicherung überhaupt
einen statistisch signifikanten Beitrag zu der Zahl der aufgeklärten
Straftaten leistete. Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass
überhaupt nur 3% aller Straftaten im Internet begangen werden. Die
vielfältigen Umgehungsmöglichkeiten, die bei Einführung einer
Vorratsspeicherung von Internet-Verbindungsdaten noch stärker
genutzt würden, stellen den vermeintlichen Nutzen einer solchen
Maßnahme grundlegend in Frage. Bereits 2009 gaben 46,4% der
Bürgerinnen und Bürger an, bei der Internetnutzung einen
Anonymisierungsdienst zu benutzen oder benutzen zu wollen.9
Mit Internet-Cafés, offenen WLAN-Internetzugängen, internationalen
Anonymisierungsdiensten und unregistrierten Handykarten stehen gerade
im Internetbereich so viele und kostengünstige
Umgehungsmöglichkeiten zur Verfügung, dass sich eine intelligente
Sicherheitspolitik nicht ernsthaft einen nennenswerten Zusatznutzen
von einer Erfassung jeder Internetverbindung versprechen kann.
Dies bestätigt die
Erfahrung: In Deutschland wurde vor Beginn der Vorratsspeicherung
aller Internet-Verbindungsdaten sogar ein größerer Anteil der
Internetdelikte aufgeklärt (79,8%) als nach Inkrafttreten der
Internet-Vorratsdatenspeicherung im Jahr 2009 (75,7%). Zu erklären
ist dieser erstaunliche Befund mit den kontraproduktiven Wirkungen
einer Totalerfassung aller Verbindungen. Werden sämtliche
Verbindungen erfasst, wächst das Bewusstsein der Rückverfolgbarkeit
jeder Internetnutzung und werden in zunehmendem Maß
Umgehungsmöglichkeiten (z.B. Internet-Cafés, offene
WLAN-Internetzugänge, Anonymisierungsdienste, unregistrierte
Handykarten) genutzt, die dann selbst bei Verdacht einer Straftat
keine gezielten Ermittlungen mehr zulassen, wo sie ohne
Vorratsdatenspeicherung noch möglich gewesen wären. „Dadurch
entfaltet eine Vorratsdatenspeicherung auf Gefahrenabwehr und
Strafverfolgung kontraproduktive Wirkungen und verkehrt den erhofften
Nutzen der Maßnahme möglicherweise sogar in sein Gegenteil“, so
auch der Zusammenschluss von Richterinnen und Richtern,
Staatsanwältinnen und Staatsanwälten e.V.10
In befreundeten Staaten
wie Österreich, Schweden, Norwegen oder Kanada gilt schon lange ein
striktes Verbot der Vorratsspeicherung von Verbindungsdaten,11
ohne dass das Internet dort deswegen ein „rechtsfreier Raum“
wäre.
4. Kommunikationsfreiheit politisch klug
verteidigen
Ihr Vorschlag fällt in
die Zeit einer europäischen Debatte über den Grundansatz einer
Vorratsspeicherung von Telekommunikationsdaten. Wir teilen Ihren
Ausgangspunkt, dass auf europäischer Ebene ein Gegenmodell zur
Vorratsdatenspeicherung gebraucht wird. Schon seit Monaten wirbt die
Zivilgesellschaft europaweit und insbesondere bei der EU-Kommission
für ein solches Gegenmodell.
Wir fordern dabei nicht
die ersatzlose Streichung der Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung,
weil dies die nationalen Gesetze zur Vorratsdatenspeicherung nicht
stoppen würde. Gemeinsam mit 100 Organisationen europaweit fordern
wir vielmehr die „Abschaffung der EU-Vorgaben zur
Vorratsdatenspeicherung zugunsten eines Systems zur schnellen
Sicherstellung und gezielten Aufzeichnung von Verkehrsdaten, wie es
in der Cybercrime-Konvention des Europarats vereinbart worden ist“.
Wir fordern also ein Verfahren zur schnellen Sicherstellung und
gezielten Aufzeichnung von Verkehrsdaten, verbunden mit einem
europaweiten Verbot einer verdachtslosen und flächendeckenden
Totalspeicherung. Das ist unser Gegenmodell zur
Vorratsdatenspeicherung.
Auch für den Fall, dass
dieses Modell nicht europaweit durchzusetzen sein sollte, liegt ein
Vorschlag auf dem Tisch: Danach würde die EU wenigstens den
nationalen Volksvertretern und Verfassungsgerichten die Wahl
überlassen, ob sie sich für eine (möglichst eingeschränkte)
Vorratsdatenspeicherung oder aber für das bewährte Verfahren
gezielter Aufbewahrungsanordnungen entscheiden. Wenn sich mehrere
Mitgliedsstaaten für dieses Modell aussprechen und es im
Europaparlament auf Akzeptanz stößt, bestehen durchaus
Realisierungschancen. Das verfehlte Grundprinzip einer anlasslosen
Totalerfassung muss dazu nicht akzeptiert werden.
Gerade vor dem
Hintergrund der europäischen Debatte wäre es kontraproduktiv, wenn
Deutschland als bisheriger Kritiker einer Vorratsdatenspeicherung nun
selbst eine solche einführte. Sie könnten dann auf europäischer
Ebene nicht mehr glaubwürdig für ein anlassbezogenes Verfahren als
Alternative zu einer globalen und pauschalen Verbindungserfassung
eintreten, sondern müssten sich auf bloße Diskussionen über die
Modalitäten einer Vorratsdatenspeicherung (Datenarten,
Aufbewahrungsdauer) beschränken.
5. Appell
Sehr geehrte Frau
Leutheusser-Schnarrenberger, wir schätzen Ihren persönlichen
langjährigen und konsequenten Einsatz für die Grund- und
Freiheitsrechte sehr und haben großen Respekt davor. Im Hinblick auf
die große Verantwortung, die Sie als Bundesjustizministerin tragen,
appellieren wir an Sie, die Idee einer einwöchigen
Vorratsspeicherung aller Internetverbindungen aufzugeben und
entsprechend der Linie Ihrer Partei jeder verdachtsunabhängigen
Speicherung von Kommunikations- und Verbindungsdaten, die der
grundgesetzlich geschützten Sphäre privater Lebensführung
zuzurechnen sind, unabhängig von der Dauer der Speicherung
entschieden entgegen zu treten.
Gerade in der jetzigen
politischen Situation brauchen wir Ihre Unterstützung bei unserer
Werbung für das Modell einer gezielten Strafverfolgung, das sich
neben Deutschland auch in vielen weiteren Staaten wie Österreich,
Schweden, Griechenland und Kanada bewährt hat. Bitte fallen Sie uns
bei unserem europaweiten Werben für gezielte Strafverfolgung nicht
zur Unzeit in den Rücken, sondern unterstützen Sie unsere
europaweite Koalition gegen Vorratsdatenspeicherung nach Kräften.
Seien Sie sich unserer
Unterstützung versichert, wenn es um die Entwicklung von und Werbung
für Alternativen zu einer globalen und pauschalen Erfassung unserer
Kommunikation geht.
Mit freundlichem Gruß,
Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung
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