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Bundesrechnungshof eingeschaltet: Internetnutzer werfen Bundeskriminalamt Misswirtschaft vor (7.11.) Drucken E-Mail
 Markusram (Lizenz)

In einem heute veröffentlichten Schreiben an den Bundesrechnungshof wirft der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung dem Bundeskriminalamt vor, durch "massenhaft aussichtslose Auskunftsersuchen" über Internetnutzer gegen das Gebot der wirtschaftlichen und sparsamen Mittelverwendung verstoßen zu haben. Um bei einer statistischen Erhebung nach dem Ende der verdachtslosen Vorratsdatenspeicherung eine möglichst große "Schutzlücke" ausweisen zu können, habe das Bundeskriminalamt Mittel in fünfstelliger Höhe verschwendet, so der Vorwurf des Zusammenschlusses von Datenschützern, Bürgerrechtlern und Internetnutzern. 

"Es ist nicht Aufgabe des Bundeskriminalamtes, mit Steuergeldern die politischen Kampagnen bestimmter Parteien zu unterstützen" sagt Kai-Uwe Steffens vom Arbeitskreis. "Wenn man dann noch berücksichtigt, dass für das Erstellen und Bearbeiten dieser sinnlosen Anfragen auch noch interne Personalkapazitäten verschwendet wurden, dann stellt sich die Frage nach Schutzlücken bei der Strafverfolgung auf einmal ganz anders."

Das Schreiben an den Bundesrechnungshof im Wortlaut:

04.11.11

Misswirtschaft seitens des Bundeskriminalamts

Sehr geehrte Damen und Herren,

hiermit möchten wir Ihnen einen möglichen Fall von Misswirtschaft seitens des Bundeskriminalamts anzeigen.

Im März 2010 erklärte das Bundesverfassungsgericht die Vorschriften zur verdachtslosen Vorratsspeicherung aller Verbindungsdaten (§§ 113a, 113b TKG) für verfassungswidrig und nichtig. Die Telekommunikationsunternehmen dürfen Verkehrsdaten seither nur noch zu betrieblichen, insbesondere zu Abrechnungszwecken speichern (§§ 96 ff. TKG). Das Bundeskriminalamt brachte in der Folgezeit schnell in Erfahrung, welche Internet-Zugangsanbieter die Zuordnung zeitweise (dynamisch) zugewiesener IP-Adressen zu ihren Kunden noch wie lange speicherten. Die längste Speicherdauer im Bereich pauschal tarifierter DSL-Internetzugänge war bei der Telekom Deutschland mit sieben Tagen vorzufinden. Gemäß § 113 TKG kann unter anderem das Bundeskriminalamt ohne richterliche Anordnung bei Internet-Zugangsanbietern anfragen, welchem Anschlussinhaber eine bestimmte IP-Adresse zu einem bestimmten Zeitpunkt zugeordnet war. Auskünfte zu dynamisch vergebenen IP-Adressen können Internet-Zugangsanbieter nur erteilen, wenn ihnen die entsprechenden Verkehrsdaten noch vorliegen, also je nach Anbieter maximal sieben Tage lang.

Mit Wirkung ab dem 02.03.2010 begann die Rechtstatsachen-Sammelstelle des Bundeskriminalamts, eine Erhebung „zur Begründung des polizeilichen Bedarfs der Auskunft über längerfristig gespeicherte Verkehrsdaten“ durchzuführen. Nach unseren Informationen wurde in diesem Zusammenhang den Mitarbeitern des Bundeskriminalamts die Weisung gegeben, Bestandsdatenauskünfte über Internetnutzer unabhängig davon anzufordern, ob das angefragte Unternehmen die angeforderte Auskunft erteilen kann oder nicht. Obwohl dem Bundeskriminalamt also die Speicherdauer der einzelnen TK-Anbieter bekannt war, wurden Auskünfte zu IP-Adressen auch lange nach Ablauf dieser Dauer noch angefordert. Ziel dieser Vorgehensweise war, bei der Rechtstatsachenerhebung eine möglichst große „Aufklärungslücke“ ausweisen zu können, denn das Ziel der „Begründung des polizeilichen Bedarfs der Auskunft über längerfristig gespeicherte Verkehrsdaten“ stand von Anfang an fest.

Tatsächlich blieben auf diese Weise mehr als 80% der 5.082 Auskunftsersuchen des Bundeskriminalamts im Zeitraum 02.03.2010-26.04.2011 erfolglos; zu 90% handelte es sich um Auskunftersuchen zu IP-Adressen.[1] In praktisch allen dieser Fälle wusste das Bundeskriminalamt, dass dem angefragten Anbieter die zur Auskunfterteilung erforderlichen Verkehrsdaten nicht mehr vorlagen, nicht mehr vorliegen konnten und auch nicht mehr vorliegen durften. So räumt das Bundeskriminalamt in einem Bericht ein, in sämtlichen Fällen erfolgloser Anfragen zu IP-Adressen wäre ein Mindestspeicherzeitraum von mindestens einem Monat erforderlich gewesen, um eine Auskunft zu erhalten.[2] Einen Monat lang oder länger speicherte aber kein einziger Internet-Zugangsanbieter dynamische IP-Zuordnungen. Das Bundeskriminalamt ersuchte gleichwohl massenhaft um Bestandsdatenauskünfte in dem Wissen um die Aussichtslosigkeit seiner Anfragen.

Durch diese Vorgehensweise ist dem Haushalt ein erheblicher Schaden entstanden und sind Mittel verschwendet worden, die andernfalls für sinnvolle Arbeit zur Gewährleistung der inneren Sicherheit hätten eingesetzt werden können. Nach Ziff. 201 der Anlage 3 zum JVEG sind für Auskünfte über Bestandsdaten, zu deren Erteilung auf Verkehrsdaten zurückgegriffen werden muss, 35 Euro pro 10 IP-Adressen zu zahlen. Dieser Betrag wird auch im Fall von Negativauskünften fällig.

Dem Bund ist dementsprechend ein Schaden in fünfstelliger Höhe[3] entstanden, nur damit eine Statistik ein vom Bundeskriminalamt politisch gewünschtes Ergebnis ausweisen möge. Dabei räumt das Bundeskriminalamt selbst ein, dass die Statistik keine relevanten Rückschlüsse auf die Erforderlichkeit einer Vorratsdatenspeicherung zulässt: „Die Erhebung liefert letztlich aufgrund ihrer Konzipierung keine belastbaren Aussagen zur Aufklärungshäufigkeit wie eine Aufklärungsquote der Polizeilichen Kriminalstatistik.“

Wir bitten Sie vor diesem Hintergrund, zu überprüfen, ob das Bundeskriminalamt durch massenhaft aussichtslose Auskunftsersuchen nach § 113 TKG gegen das Gebot der wirtschaftlichen und sparsamen Mittelverwendung verstoßen hat.

Mit freundlichen Grüßen,

[1] https://www.bka.de/nn_196810/DE/ThemenABisZ/Mindestspeicherfristen/DatenerhebungBKA/datenerhebungBKA.html?__nnn=true .
[2] https://www.bundesrat.de/cln_179/DE/gremien-konf/fachministerkonf/imk/Sitzungen/10-11-19/anlage10,templateId=raw,property=publicationFile.pdf/anlage10.pdf, Seite 12.
[3] 5082 x 0,8 x 0,9 x 3,5 Euro = 12.806,64 Euro.

Hinweis:

Inhaltliche Kritik an der Erhebung des Bundeskriminalamt findet sich in dem Bericht "Sicherheit vor Sammelwut".

Ergänzung vom 22.11.2011:

Mit Schreiben vom 17.11.2011 (Az. IV 2 - 05 20 35 - 584/2011) antwortete der Bundesrechnungshof wie folgt:

Sehr geehrter...,

für Ihr Schreiben vom 4. November 2011 zur Vorgehensweise des Bundeskriminalamts im Zusammenhang mit dem Auskunftersuchen nach § 113 Telekommunikationsgesetz danken wir Ihnen. Ihre Hinweise werden wir im Rahmen unserer Prüfungs- und Beratungstätigkeit berücksichtigen.

Der Bundesrechnungshof prüft die Wirtschaftlichkeit und Ordnungsmäßigkeit der Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes. Prüfungsergebnisse teilt er nur den geprüften Stellen und in wichtigen Angelegenheiten dem Bundesrat, dem Bundestag und der Bundesregierung mit. Eine Mitteilung der Prüfungsergebnisse an Sie oder andere Dritte ist aus rechtlichen Gründen nicht möglich. Weitere Hinweise und Erläuterungen hierzu bitten wir, der beigefügten Kurzinformation zu entnehmen.

Für Ihr Interesse an der Kontrolle der öffentlichen Finanzen danken wir Ihnen.

Mit freundlichen Grüßen

 
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