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					Gemeinsame Erklärung zum 6-jährigen Bestehen der EU-Richtlinie zur Vorratsspeicherung (14.12.2011)									 | 
								
					
						 
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				Gemeinsame Erklärung zum sechsjährigen Bestehen der EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung 
  Die vom Europäischen Parlament am 14. Dezember 2005 beschlossene 
Richtlinie 2006/24 zur Vorratsdatenspeicherung verpflichtet jeden 
EU-Mitgliedsstaat, Telekommunikationsgesellschaften Informationen über 
die Verbindungen ihrer sämtlichen Kunden aufzeichnen zu lassen. Zur 
Erleichterung etwaiger strafrechtlicher Ermittlungen soll 
nachvollziehbar sein, wer mit wem in den letzten 6-24 Monaten per 
Telefon, Handy oder E-Mail in Verbindung gestanden hat. Bei 
Handy-Telefonaten, SMS und Smartphone-Nutzung muss auch der jeweilige 
Standort des Benutzers festgehalten werden. Die Vorratsspeicherung von 
Internetkennungen (IP-Adressen) soll in Verbindung mit anderen 
Informationen zudem nachvollziehbar machen, wer was im Internet gelesen,
 gesucht oder geschrieben hat. 
 Eine derart weitreichende Registrierung des Verhaltens der 
Menschen in ganz Europa halten wir für inakzeptabel. Ohne jeden Verdacht
 einer Straftat sollen sensible Informationen über die sozialen 
Beziehungen (einschließlich Geschäftsbeziehungen), die Bewegungen und 
die individuelle Lebenssituation (z.B. Kontakte mit Ärzten, 
Rechtsanwälten, Psychologen, Beratungsstellen) von über 500 Millionen 
Bürgerinnen und Bürgern der EU gesammelt werden. Damit höhlt eine 
Vorratsdatenspeicherung Anwalts-, Arzt-, Seelsorge-, Beratungs- und 
andere Berufsgeheimnisse aus und begünstigt Datenpannen und -missbrauch.
 Sie untergräbt den Schutz journalistischer Quellen und beschädigt damit
 die Pressefreiheit im Kern. Sie beeinträchtigt insgesamt die 
Funktionsbedingungen unseres freiheitlichen demokratischen Gemeinwesens.
 Die enormen Kosten einer Vorratsdatenspeicherung sind ohne 
Erstattungsregelung von den europäischen Telekommunikationsunternehmen 
zu tragen. Dies zieht Preiserhöhungen nach sich, führt zur Einstellung 
von Angeboten und belastet mittelbar auch die Verbraucher. 
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Untersuchungen belegen, dass bereits die gegenwärtig verfügbaren 
Kommunikationsdaten ganz regelmäßig zur effektiven Aufklärung von 
Straftaten ausreichen. Es gibt keinen wissenschaftlichen Beleg dafür, 
dass eine Vorratsdatenspeicherung besser vor Kriminalität schützte. 
Dagegen kostet sie Millionen von Euro, gefährdet die Privatsphäre 
Unschuldiger, beeinträchtigt vertrauliche Kommunikation und ebnet den 
Weg in eine immer weiter reichende Massenansammlung von Informationen 
über die gesamte europäische Bevölkerung.
 In Deutschland wurde die gesetzliche Regelung zur 
Vorratsdatenspeicherung im März 2010 vom Bundesverfassungsgericht für 
verfassungswidrig und nichtig erklärt, da sie unverhältnismäßig weit in 
das Grundrecht auf Schutz des Telekommunikationsgeheimnisses eingriff. 
Rechtsexperten erwarten, dass auch die europäische Richtlinie zur 
Vorratsdatenspeicherung vor dem Europäischen Gerichtshof keinen Bestand 
haben wird, weil sie gegen die europäischen Grund- und Menschenrechte 
verstößt. Nichtsdestotrotz will die EU-Kommission eine neuerliche 
Umsetzung dieser Richtlinie in Deutschland im Wege eines 
Vertragsverletzungsverfahrens erzwingen. 
 Als Vertreter der Bürgerinnen und Bürger, der Medien, der freien 
Berufe und der Wirtschaft lehnen wir eine flächendeckende und 
verdachtsunabhängige Vorratsdatenspeicherung geschlossen ab. Wir 
appellieren an die in Deutschland politisch Verantwortlichen, 
 
-  keinerlei verdachtslose Vorratsspeicherung von Informationen 
über jedes Telefonat, jede SMS, jede E-Mail oder jede Internetverbindung
 wieder anzuordnen,
 -  die Abweichung Deutschlands von der EU-Richtlinie 2006/24 zur 
Vorratsdatenspeicherung von der EU-Kommission genehmigen zu lassen und 
nötigenfalls die Genehmigung einzuklagen,
 -  die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung bis zur 
Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs über die Gültigkeit dieser 
Richtlinie und über den Genehmigungsantrag nicht umzusetzen, selbst wenn
 der Gerichtshof gegebenenfalls eine Geldbuße gegen Deutschland 
verhängen könnte,
 -  sich für eine Aufhebung der EU-Richtlinie zur 
Vorratsdatenspeicherung und für ein europaweites Verbot jeder 
verdachtslosen Vorratsspeicherung von Verbindungsdaten einzusetzen.
  
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  Mitzeichner: 
-  Aktionsbündnis Sozialproteste (ABSP)
 -  Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung
 -  Arbeitskreis Zensur
 -  Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen e.V. (BDP)
 -  Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger e.V. (BDZV)
 -  Bund demokratischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler e.V. (BdWi)
 -  Bürgerinitiative Umweltschutz e.V.
 -  Bürgerrechte & Polizei/CILIP
 -  Campact e.V.
 - Chaos Computer Club e.V. (CCC)
  -  contrAtom
 -  Dachverband Freier Weltanschauungsgemeinschaften
 -  data:recollective
 -  Deutscher Freidenker-Verband
 -  Deutscher Journalisten-Verband (DJV)
 -  Digitale Gesellschaft e.V.
 - Digital Unite e.V.
  -  FoeBuD e.V.
 -  Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung e.V. (FIfF)
 - Frauenverband Courage e.V.
  -  FREELENS e.V. (Verband der Fotojournalistinnen und Fotojournalisten)
 -  German Privacy Foundation
 -  Gesellschaft zur Wahrung der Grundrechte e.V. (GWG)
 -  Institut für Sozialwissenschaftliche Praxis und Analyse e.V., Berlin
 -  Katholische Junge Gemeinde
 -  LabourNet Germany
 -  Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD)
 -  MOGiS e.V. - Eine Stimme der Vernunft
 -  naiin - no abuse in internet e.V.
 -  Naturfreundejugend
 -  Netzwerk Rauchen e.V.
 -  Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. (RAV)
 -  Stuttgarter Bündnis für Versammlungsfreiheit
 -  Verband der Freien Lektorinnen und Lektoren e.V.
 -  Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. - vzbv
 -  Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen e.V.
 -  Verein zur Förderung der Suchmaschinen-Technologie und des freien Wissenszugangs e.V. (SuMa-eV)
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