Fluggastdatensammlung grundrechtswidrig - Klageschriften veröffentlicht (31.03.2008) |
Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung hat heute zwei Klageschriften des Europäischen Parlaments gegen die Fluggastdatenübermittlung in die USA veröffentlicht.[1] Daraus geht hervor, dass sowohl die Fluggastdatensammlung in den USA wie auch die von den EU-Staaten aktuell geplante Aufzeichnung des Reiseverhaltens grundrechtswidrig sind. Die Klageschriften rügen "die Verletzung der Grundrechte und die
Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes" und führen im Einzelnen
aus:
Vor dem Hintergrund der nun veröffentlichten Klageschriften fordert der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung die Bundesregierung auf, die Verhandlungen über das schon in seinem Grundansatz menschenrechtswidrige Vorhaben einer europäischen Vorratsspeicherung von Flugpassagierdaten abzubrechen. SPD und Union müssen jetzt endlich eine entsprechende Bundestagsentschließung auf den Weg bringen, um den drohenden Verfassungsverstoß zu verhindern. Der Jurist Patrick Breyer vom Arbeitskreis
Vorratsdatenspeicherung erläutert: "Die Klagebegründung des
Europäischen Parlaments könnte praktisch 1:1 übernommen werden, um das
europäische Vorhaben zu Fall zu bringen. Das Verhältnismäßigkeitsgebot
verbietet es, die Daten unschuldiger Passagiere über die
Einreisekontrolle hinaus auf Vorrat zu speichern, nur weil die
Informationen dem Staat in seltenen Fällen einmal nützlich werden
könnten. Bei der Einreise stehen die erforderlichen Daten schon heute
zur Verfügung. Das neue Vorhaben ist überflüssig und unter der Geltung
der europäischen Grundrechte nicht zu realisieren. In seinem Urteil zum
Kfz-Massenabgleich hat das Bundesverfassungsgericht bekräftigt, dass
die Daten von Bürgern, nach denen nicht gefahndet wird, sofort wieder
gelöscht werden müssen." Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung will daher auch durch öffentlichen Druck Einfluss auf die europäischen Gesetzgeber ausüben. Ricardo Cristof Remmert-Fontes vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung kündigte an: "Der AK Vorrat wird sich in 2008 noch besser mit anderen europäischen Nicht-Regierungsorganisationen vernetzen, um gemeinsam und grenzüberschreitend gegen die zunehmende Datensammelwut und den Abbau rechtsstaatlicher Prinzipien in Europa zu demonstrieren. Es laufen konkrete Vorbereitungen für gemeinsame Aktionen und Kundgebungen." Hintergrund: Nachdem die EU-Kommission die Herausgabe der Klageschriften im letzten Jahr zunächst verweigerte,[2]
konnte unter Einschaltung des Europäischen Bürgerbeauftragten nun ihre
Freigabe erreicht werden. Die im Jahr 2004 beim Europäischen
Gerichtshof eingereichten Klagen hatten im Mai 2006 Erfolg und führten
zur Nichtigerklärung der Beschlüsse zur Flugdatenübermittlung in die
USA.[3]
Da der Gerichtshof seine Entscheidung jedoch auf formelle Fehler
stützen konnte und die inhaltliche Vereinbarkeit mit den Grundrechten
nicht prüfen musste, beschlossen die EU-Mitgliedsstaaten in der
Folgezeit unter Verhandlungsführung von Bundesinnenminister Dr.
Wolfgang Schäuble (CDU) ein formell rechtmäßiges, inhaltlich aber noch
exzessiveres Nachfolgeabkommen mit den USA.[4] Der Deutsche Bundestag stimmte diesem Abkommen am 15.11.2007 mit den Stimmen von CDU, CSU und SPD zu.[5] Das Abkommen betrifft nur die Daten von Personen, die in die USA fliegen. Etwa zur gleichen Zeit stellte die EU-Kommission jedoch einen
Gesetzentwurf vor, wonach künftig auch die Flugreisen sämtlicher
europäischer Bürger verdachtsunabhängig registriert und 13 Jahre lang
in Datenbanken aufbewahrt werden sollen.[6]
Erfasst werden sollen danach künftig sämtliche Flüge zwischen Europa
und Nicht-EU-Staaten. Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung erklärte
dazu, mit der geplanten staatlichen Registrierung sämtlicher Flugreisen
drohe "die nächste verfassungswidrige Vorratsspeicherung. Falls die
Bundesregierung dem EU-Vorschlag zustimmt, werden wir
Verfassungsbeschwerde dagegen einlegen."[7]
Im Februar 2008 lehnte der Bundesrat das Vorhaben in seiner
gegenwärtigen Form ab, begrüßte aber den Grundansatz des Vorschlags,
eine systematische Aufzeichnung aller Flugreisedaten vorzunehmen.[8] Über uns: Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung ist ein bundesweiter Zusammenschluss von Bürgerrechtlern, Datenschützern und Internet-Nutzern. Quellen:
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