Verwaltungsgericht Berlin, Beschluss vom 17. Oktober 2008 (Az. VG 27 A 232.08)
VG 27 A 232.08
VERWALTUNGSGERICHT BERLIN
BESCHLUSS
In der Verwaltungsstreitsache
der BT (Germany) GmbH & Co OHG,
[...]
Antragstellerin,
Verfahrensbevollmächtigte: SBR
Schuster und Berger Rechtsanwälte, Nordstr. 116, 40477
Düsseldorf,
gegen
die Bundesrepublik Deutschland,
vertreten durch das Bundesministerium für Wirtschaft und
Technologie, Scharnhorststr. 34-37, 10115 Berlin, dieses vertreten
durch die Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas,
Telekommunikation, Post und Eisenbahnen, Tulpenfeld 4, 53113 Bonn,
Antragsgegnerin,
hat die 27. Kammer des
Verwaltungsgerichts Berlin durch den Vorsitzenden Richter am
Verwaltungsgericht Neumann, die Richterin am Verwaltungsgericht
Mueller-Thuns und den Richter am Verwaltungsgericht Schulte am 17.
Oktober 2008 beschlossen:
Der Antragsgegnerin wird im Wege
einstweiliger Anordnung untersagt, vor einer Entscheidung der Kammer
im Hauptsacheverfahren erster Instanz (VG 27 A 125.08) gegen die
Antragstellerin Maßnahmen wegen des Unterlassens der Vorhaltung
von Anlagen zur Vorratsspeicherung einzuleiten. Die Antragsgegnerin trägt die
Kosten des Verfahrens. Der Wert des Verfahrensgegenstandes
wird auf 500.000,- Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin ist eine Tochter
der britischen BT Group plc. mit Sitz in London. Sie betreibt als
Telekommunikationsunternehmen eigene Telekommunikationsnetze und
bietet über diese Dienstleistungen an. Sie ist nach eigenen
Angaben auf das Geschäft mit großen und größten
Unternehmenskunden – Konzerne und staatliche Organisationen,
darunter Behörden des Bundes und Bundesländer –
spezialisiert und entwickelt und betreibt für diese Kunden
Unternehmens netze. Nach §§ 110 Abs. 1, 113a TKG in der
Fassung des Gesetzes zur Neuregelung der
Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter
Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung der Richtlinie
2006/24/EG vom 21, Dezember 2007 (BGBl. I 3198), in Kraft seit 1.
Januar 2008, ist die Antragstellerin verpflichtet, auf eigene Kosten
technische Anlagen zur Speicherung bestimmter Verkehrsdaten
vorzuhalten und Auskunftsersuchen der berechtigten Stellen
unverzüglich zu beantworten. Die Verletzung dieser Pflichten
stellt ab 1 Januar 2009 eine Ordnungswidrigkeit dar.
Die Antragstellerin hat am 29. April
2008 Klage erhoben (VG 27 A 125.08), mit der sie die Feststellung
begehrt, nicht zur Umsetzung der Verpflichtung zur Vorhaltung der
technischen Anlagen zur Vorratsdatenspeicherung verpflichtet zu sein.
Hierüber ist noch nicht entschieden
Mit ihrem Antrag vom 12. August 2008
begehrt sie hinsichtlich der Umsetzung der Verpflichtung zur
Vorhaltung der technischen Anlagen zur Vorratsdatenspeicherung
vorläufigen Rechtsschutz. Hierfür trägt sie vor:
Die Verpflichtung, diese technischen Anlagen auf eigene Kosten und
ohne angemessene Kostenerstattung vorzuhalten, verletze sie in ihrem
Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG und sei daher verfassungswidrig.
Durch § 113a TKG werde sie zu massiven Änderungen und
Erweiterungen ihrer Produktplattform gezwungen. Sie müsse
ihre Technik und Netzinfrastruktur erheblich aufrüsten, in
erheblichem Umfang Programmierarbeiten in Bestandssystemen vornehmen
und zur Erfüllung der Auskunftsverpflichtung schnellstmöglich
ein Datenverwaltungs- und ein Suchsystem einrichten. Dies mache
basierend auf dem derzeit verwendeten System zur Datenspeicherung ein
Upgrade erforderlich, darüber hinaus sei eine mit einem Wechsel
des Serveranbieters verbundene Erneuerung der Hardware sowie eine
Weiterentwicklung der Software erforderlich. Für die
technische Implementierung solcher Systeme sei mit kurzfristig
aufzubringenden Kosten in Höhe von mindestens 720.000 Euro zu
rechnen, daneben entstünden Betriebskosten für die Wartung
der Systeme und für die Beantwortung von Anfragen in Höhe
von mindestens 420.000 Euro jährlich. Für die
Investitionskosten sei keine Entschädigung vorgesehen, auch die
im Rahmen eines Gesetzesvorhabens künftig vorgesehene
Entschädigung für die Kosten der Auskunftserteilung
pro Abfrage sei für die laufenden Betriebskosten in ihrem Falle
inadäquat, weil angesichts ihres Kundenkreises nur wenige
Abfragen der Strafverfolgungsbehörden zu erwarten seien. In der
Vergangenheit seien ihr gegenüber seit 2003 nur zwischen null
und vier Maßnahmen zur Telekommunikationsüberwachung
angeordnet worden. Danach bestehe sowohl ein Anordnungsanspruch wie
auch ein Anordnungsgrund. Der Anordnungsanspruch folge bereits aus
der Verfassungswidrigkeit ihrer Inanspruchnahme zu Maßnahmen
für die Vorratsdatenspeicherung zum Zwecke der
Telekommunikationsüberwachung auf eigene Kosten. Der
Anordnungsgrund ergebe sich schon daraus, daß die fehlende oder
unzureichende Umsetzung der in § 113a TKG bezeichneten Pflichten
ab Beginn des Jahres 2009 mit einem Bußgeld strafbewehrt sei
und bis dahin realistischerweise eine rechtskräftige
Entscheidung im Hauptsacheverfahren nicht zu erlangen sei. Darüber
hinaus überwöge die Schwere der ihr entstehenden Nachteile
das Interesse am Vollzug der gesetzlichen Bestimmung bei Weitem.
Angesichts ihres Kundenstammes sei zu erwarten, daß sie nur in
sehr seltenen Fällen Anfragen der zuständigen Behörden
zu bei ihr gespeicherten Telekommunikationsvorgängen zu erwarten
habe. Die staatliche Aufgabe der Telekommunikationsüberwachung
werde daher bei Erlaß der beantragten Anordnung nicht
wesentlich beeinträchtigt. Dabei sei bedeutsam, daß
eine lückenlose Überwachung des Telekommunikationsverkehrs
weder vom Gesetzgeber beabsichtigt noch tatsächlich möglich
sei. Nach der bestehenden gesetzlichen Regelung seien bereits
private Netze - darunter universitätsinterne E-Mail-Server - von
der Überwachung ausgenommen. Praktisch sei keine Lückenlosigkeit
der Vorratsdatenspeicherung erreichbar, denn diese erfasse
beispielsweise Kommunikationsvorgänge nicht, die aus einer
Telefonzelle herrührten oder die in einem geschützten
Internetbereich abrufbar gespeichert würden, wie es bei sog.
„toten Briefkästen“, aber auch im Rahmen von
Multiplayer-Computerspielen oder Chat-Räumen der Fall sei. In
diesen Fällen sei eine ausreichende Korrelation zu den
jeweiligen Nutzern nicht herstellbar. Weiterhin seien die ihr
entstandenen Aufwendungen auch dann verloren, wenn sie im
Hauptsacheverfahren Erfolg haben würde. Denn einen
Rechtsanspruch auf Ersatz dieser Aufwendungen habe sie nach geltendem
Recht nicht, weil es an einer Rechtsgrundlage für einen
Schadensersatzanspruch für legislatives Unrecht fehle.
Schließlich könne auch nicht eingewendet werden, daß
eine Aussetzung der aus § 113a TKG folgenden Verpflichtungen im
vorliegenden Fall schon deswegen ausgeschlossen sei, weil sie
den Vollzug von europäischem Gemeinschaftsrecht beeinträchtige.
Die Verfassungswidrigkeit ihrer Inanspruchnahme beruhe nicht auf den
europarechtlichen Vorgaben, sondern auf deren Umsetzung als
entschädigungslose Verpflichtung durch den deutschen
Gesetzgeber.
Die Antragstellerin beantragt,
im Wege einstweiliger Anordnung
vorläufig bis zum rechtskräftigen Abschluß des
Hauptsacheverfahrens - hilfsweise bis zum Abschluß des
Hauptsacheverfahrens erster Instanz - festzustellen, daß sie
nicht verpflichtet ist, die in § 113a TKG enthaltene
Verpflichtung zur Vorhaltung der technischen Anlagen zur Einführung
der Vorratsdatenspeicherung umzusetzen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Sie trägt vor, es fehle bereits an
einem Anordnungsanspruch. Eine Entschädigungsregelung für
die sich aus § 113a TKG ergebenden Verpflichtungen sei weder
verfassungsrechtlich unabdingbar noch seien die materiellen
Regelungen dieser Vorschrift allein aufgrund des Fehlens einer
Entschädigungsregelung verfassungswidrig. Es handele sich
um eine Berufsausübungsregelung im Sinne von Art. 12 Abs. 1 GG,
die den verfassungsgerichtlichen Vorgaben zur Inanspruchnahme Dritter
für staatliche Aufgaben entspreche, Die ausnahmefreien
europäischen Vorgaben zur Vorratsdatenspeicherung ließen
keinen nationalen Spielraum für Einzelfallausnahmen, aus ihnen
folge zudem ein überwiegendes Interesse am Gesetzesvollzug
neben dem Sicherheitsinteresse an einer lückenlosen
Datenspeicherung und dem europarechtlichen Interesse an der
vollständigen Umsetzung europäischer Richtlinien schon aus
dem gemeinschaftsrechtlichen Grund einer chancengleichen
Behandlung aller der Richtlinie unterworfenen Marktteilnehmer. Die
von der Antragstellerin vorgebrachten Gründe beträfen nicht
nur sie, sondern seien verallgemeinerungsfähig und könnten
daher zu einer europarechtswidrigen allgemeinen Aussetzung der
Speicherverpflichtung führen.
II.
Das Begehren ist als Antrag auf Erlass
einer einstweiligen Anordnung zulässig und auch begründet.
Bei einer einstweiligen Anordnung ist das Gericht nicht an die
gestellten Anträge gebunden, sondern trifft im Rahmen des
Begehrens des jeweiligen Antragstellers eine eigene
Ermessensentscheidung über den Inhalt der vorläufigen
Regelung, die nach Ansicht des Gerichts zur Abwendung
wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Da das Begehren der
Antragstellerin darauf gerichtet ist, vorläufig von der
Verpflichtung entbunden zu werden, technische Vorrichtungen zur
Vorratsdatenspeicherung einzurichten und bereitzuhalten, ist das
Gericht durch § 88 VwGO nicht daran gehindert, anstelle des
von der Antragstellerin beantragten Feststellungsausspruchs eine
vollstreckbare Unterlassungsverfügung zu erlassen
1. Der Antrag auf Erlaß einer
Regelungsanordnung (§ 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO) ist zulässig.
Dem steht ausnahmsweise nicht entgegen, daß es sich vorliegend
- ebenso wie im Klageverfahren (VG 27 A 125.08) - um vorbeugenden
Rechtsschutz handelt: Die für die Antragstellerin bestehende
gesetzliche Verpflichtung, Einrichtungen zur Vorratsspeicherung auf
eigene Kosten vorzuhalten und zu betreiben (§§ 110 Abs. 1
Nr. 1, 113a TKG) kann von der Bundesnetzagentur durch entsprechende
Anordnung sichergestellt und auch im Wege des Verwaltungszwangs
durchgesetzt werden {§ 115 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 TKG; gegen den
vollziehbaren (§ 137 Abs. 1 TKG) Verwaltungsakt kann die
Antragstellerin dann auch vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutz
nach § 80 Abs. 5 VwGO erhalten, in dessen Rahmen die
Verfassungsmäßigkeit der ihr auferlegten Pflicht vom
Gericht zu prüfen ist. Nur ausnahmsweise genügt die
Möglichkeit, vorläufigen Rechtsschutz durch die
Suspendierung eines die normative Verpflichtung umsetzenden
Verwaltungsakts zu erlangen, zur Wahrung der Effektivität des
Rechtsschutzes nicht; eine solche Ausnahme liegt dann vor, wenn
bereits die Verletzung der normativen Pflicht unabhängig
vom Ergehen eines sie umsetzenden Verwaitungsakts staatliche
Sanktionen ermöglicht. Solche Sanktionen sind ab 1. Januar 2009
{§ 150 Abs. 12b Satz 1 TKG) in § 149 Abs. 1 Nr 36,37 TKG
vorgesehen, wonach der hier vorliegende vorsätzliche - der
Antragstellern ist ihre Verpflichtung bekannt, sie will sie jedoch
nicht umsetzen - Verstoß gegen die Pflichten aus § 113a
Abs. 1 TKG eine Ordnungswidrigkeit darstellt, die mit Bußgeld
in beträchtlicher Höhe (§ 149 Abs. 2 TKG) geahndet
werden kann, im Hinblick auf diese zeitlich unmittelbar
bevorstehende Bußgeldregelung gebietet Art. 19 Abs. 4 GG, daß
über das Begehren der Antragstellerin, vorläufig von der
Verpflichtung zur Einrichtung und Bereithaltung technischer
Vorrichtungen zur Ermöglichung der Vorratsdatenspeicherung
entbunden zu werden, zu entscheiden ist, bevor die Antragstellerin
den Tatbestand der Ordnungswidrigkeit erfüllt. Der
Antragstellerin ist es nicht zuzumuten, ihr Recht unter dem
„Damoklesschwert“ der Ahndung einer Ordnungswidrigkeit erst durch
Rechtsbehelf gegen einen die von ihr in Abrede gestellte
Verpflichtung umsetzenden Verwaltungsakt zu suchen.
2. Zur Vermeidung von Mißverständnissen
ist darauf hinzuweisen, daß weder die Wirksamkeit der
europarechtlich (Richtlinie 2006/24/EG) vorgegebenen
Vorratsdatenspeicherungspflicht noch die Verfassungsmäßigkeit
der Umsetzung dieser Richtlinie in § 113a TKG in nationales
Recht für die vorliegende Entscheidung von Bedeutung ist. Der
„wesentliche Nachteil“ im Sinne des § 123 Abs. 1 Satz 2
VwGO, den die Antragstellerin mit dem vorliegenden Rechtsschutzantrag
abwenden will, liegt darin, daß sie gesetzlich (§ 110 Abs.
1 Satz 1 Nr. 1 TKG) verpflichtet ist, die Technik zur
Vorratsdatenspeicherung auf eigene Kosten zu beschaffen und zu
betreiben, bevor über die Verfassungsmäßigkeit
dieser Kostentragungspflicht entschieden worden ist und zu befürchten
ist, daß ihr diese bereits aufgewendeten Beschaffungs- und
Betriebskosten nicht angemessen ersetzt werden, wenn sich die
Kostentragungspflicht nach § 110 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 TKG als
verfassungswidrig und nichtig herausstellen sollte. Der von der
Antragstellerin geltend gemachte Anordnungsgrund liegt vor: Denn
Schadensersatzanspruche - etwa aus § 839 BGB, Art. 34 GG -
stünden der Antragstellerin in einem solchen Falle ersichtlich
nicht zu, weil die Erfüllung einer - wegen Verfassungswidrigkeit
in Wirklichkeit nicht bestehenden - gesetzlichen Verpflichtung
keine Staatshaftung begründet. Dies hat die Antragstellerin in
ihrem Schriftsatz vom 9. Oktober 2008 (S. 13) zutreffend ausgeführt
und mit Zitaten aus Literatur und Rechtsprechung belegt, so daß
auf diese Ausführungen verwiesen und auf eine weitere Begründung
verzichtet werden kann. Das bisher erst in einem Entwurf vorliegende,
noch nicht vom Gesetzgeber verabschiedete TK-Entschädigungsgesetz
sieht auch nur einen Ersatz von Aufwendungen für konkrete
Anfragen, nicht aber den Ersatz von zuvor bereits erbrachten
Implementierungs- und Betriebskosten vor.
3, Die Kammer hat bereits in einem
vorangegangenen Verfahren ihre Rechtsauffassung, daß die
sich aus § 110 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 TKG für die Betreiber
von Telekommunikationsanlagen ergebende Pflicht, „ab dem
Zeitpunkt der Betriebsaufnahme auf eigene Kosten technische
Einrichtungen zur Umsetzung gesetzlich vorgesehener Maßnahmen
zur Überwachung der Telekommunikation vorzuhalten und
organisatorische Vorkehrungen für deren unverzügliche
Umsetzung zu treffen“ gegen das Grundrecht des Betreibers aus Art.
12 Abs. 1 GG verstößt, dargelegt und dem
Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 GG zur Entscheidung
vorgelegt (Beschluß vom 2. Juli 2008, VG 27 A 3.07), In der
Begründung dieses - den hiesigen Verfahrensbeteiligten bekannten
- Vorlagebeschlusses ist ausgeführt:
„... Die vorliegende
Berufsausübungsregelung ist an Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG zu
messen... In materieller Hinsicht sind
gesetzliche Regelungen der Berufsausübung nach durch das
Apothekenurteil (BVerfGE 7, 377) begründeter ständiger
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zulässig, wenn
sie durch hinreichende Gründe des gemeinen Wohls gerechtfertigt
sind, wenn das gewählte Mittel zur Erreichung des verfolgten
Zwecks geeignet und auch erforderlich ist und wenn bei einer
Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem
Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenze der
Zumutbarkeit noch gewahrt ist (BVerfGE 93, 362 <369>; 85,
248 <259> m.w.N.). Je empfindlicher die Berufsausübenden
in ihrer Berufsfreiheit beeinträchtigt werden, desto stärker
müssen die Interessen des Gemeinwohls sein, denen die Regelung
zu dienen bestimmt ist (vgl. BVerfGE 30, 292 <316 f.>; stRspr). Die angegriffenen Regelungen genügen
nach Auffassung des vorlegenden Gerichts diesen
verfassungsrechtlichen Anforderungen zwar im Hinblick auf die den
Unternehmen grundsätzlich auferlegte Handlungspflicht, nicht
jedoch im Hinblick auf die damit verbundene Übertragung der
Kostenlast.
(cc) Jedoch fehlt es nach Auffassung
des vorlegenden Gerichts an der Verhältnismäßigkeit
im engeren Sinne. (1) Soweit es die den
Telekommunikationsunternehmen und der Klägerin auferlegte
Handlungspflicht zu Einrichten und Vorhalten von Überwachungstechnik
angeht, vermag das vorlegende Gericht eine Unzumutbarkeit allerdings
nicht zu erkennen. Dem durch das Gesetz verfolgten Zweck
der Sicherung des mit Verfassungsrang ausgestatteten
Schutzgüterkomplexes der öffentlichen Sicherheit steht auf
der Ebene der praktischen Umsetzung der Handlungspflicht kein
gleichermaßen gewichtiger Eingriff in die
Berufsausübungsfreiheit entgegen. Die Übertragung
öffentlicher Aufgaben an Private ist nicht schon für sich
genommen unzumutbar (BVerfGE 30, 292). Es ist zwar nicht zu
verkennen, dass die Übertragung in organisatorischer
Hinsicht Aufwand für die betroffenen Anbieter bedeutet;
entsprechende Geräte sind zu erwerben und zu installieren und
für die Datenübermittlung muss Personal vorgehalten werden.
Vor dem Hintergrund des Gewichts der geschützten Güter ist
in rein organisatorischer Hinsicht die Überbürdung dieser
Aufgaben, die jedoch den Betriebsablauf nicht zentral beeinflussen
werden, an die im Telekommunikationsbereich sachkundigen
Anbieter zumutbar.
(2) Dies gilt jedoch nicht, soweit es
um die Übertragung der Kostenlast für die
Implementierungspflicht auf die Telekommunikationsunternehmen geht.
Nach der derzeitigen Rechtslage werden die Telekommunikationsanbieter
mit den Kosten der Implementierungs- und Vorhaltepflicht belastet. §
110 Abs. 9 TKG enthält zwar in Satz 1 eine
Ermächtigungsgrundlage für eine Entschädigungsregelung
für die im Zusammenhang mit den jeweiligen Sicherheits- und
Strafverfolgungsmaßnahmen anfallenden Kosten. Satz 2 der Norm
schließt jedoch ausdrücklich die Kosten der Vorhaltung der
technischen Einrichtungen, die zur Erbringung der Leistungen
nach Satz 1 erforderlich sind, von dieser Entschädigungsregelung
aus. Die Bundesregierung hat von dieser Ermächtigung überdies
bisher keinen Gebrauch gemacht, de lege ferenda soll sie aufgehoben
und durch das TKG-Entschädigungsgesetz ersetzt werden. Dieses
zur Zeit im Entwurf vorliegende Gesetz enthält ebenfalls keine
Entschädigungsregelung für die Implementierungs- und
Vorhaltekosten (BT-Drs 16/7103 vom 13. November 2007). Derzeit
erfolgt eine Entschädigung auf der Basis des § 23 Abs. 1 Nr
3 JVEG, auf den auch § 20 S. 1 lit. b) des Gesetzes zur
Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses
verweist, für die Durchführung der einzelnen Maßnahme;
diese ist allerdings - auch nach Auskünften der Beklagten in der
mündlichen Verhandlung - nicht kostendeckend bemessen (vgl.
hierzu auch Kilching, a.a.O. S.27). Versteckte Zuschläge, die
etwa eine Amortisierung der Anschaffungskosten ermöglichten,
sind darin nicht enthalten.
Die von Telekommunikationsunternehmen
aufzubringenden Kosten für die Überwachungsmaßnahmen
sind beträchtlich. Anders als für die vergleichweise
unaufwändige und kostengünstige Überwachung der
herkömmlichen Festnetzanschlüsse (vgl. insoweit Scholz,
Archiv PT, 1995, 169 <171>) müssen erhebliche, von den
einschlägigen Verbänden in zweistelliger Höhe
bezifferte Kosten für die Entwicklung der Software für die
Überwachung von Mobilfunknetzen aufgebracht werden; hinzu kommen
Hardware- und Personalkosten, Die Klägerin hat hierzu
vorgetragen, es kämen mindestens 180 000 Euro, wenn nicht ein
Vielfaches davon, als Entwicklungskosten für Software auf sie
zu; hinzu kämen Personalkosten in Höhe von 450 000 Euro
jährlich. Zur Bestimmung der Größenordnung der
finanziellen Belastung der Klägerin erscheinen diese Angaben
jenseits von Anfragen hinsichtlich einzelner Posten ausreichend. Mit der Inpflichtnahme der
Telekommunikationsanbieter für Sicherheits- und
Strafverfolgungsmaßnahmen zugunsten des Schutzgüterkomplexes
der öffentlichen Sicherheit werden dieser Berufsgruppe
genuin hoheitliche Aufgaben übertragen, die Allgemeinbezug
aufweisen (Scholz, a.a.O. S. 183 m.w.N.). Der Tatsache, dass es sich
um der Allgemeinheit dienende Schutzgüter handelt,
korrespondiert das verfassungsrechtlich garantierte Generalprinzip
der Steuerstaatlichkeit (Scholz a.a.O. m.w.N.; Martina, Archiv
PT 1994, 105 <108>, Schneider, Archiv PT, 1994, 285; Braun,
jurisPR-ITR 2/2008, Anm. 4). Dessen Durchbrechung zulasten einzelner
oder einzelner Gruppen ist nur zulässig, sofern normative
Zurechnungskriterien eine Belastung eben dieser Einzelnen oder
Gruppen anstelle der Allgemeinheit und des von ihr aufgebrachten
Steueraufkommens rechtfertigen. In Rechtsprechung und Literatur sind
hierzu, teils auch unter Heranziehung der Gedanken der Rechtsprechung
zu Sonderabgaben zu Art. 14 GG (etwa Ehmer in: Beck'scher
TKG-Kommentar, § 88 Rz. 51) im Wesentlichen folgende, nicht
immer ganz scharf von einander zu trennende Zurechnungskriterien
entwickelt worden: (a) Eine Kostentragungspflicht der
Telekommunikationsanbieter wird teilweise mit einer
historisierenden Betrachtungsweise begründet. Die berufliche
Tätigkeit des Telekommunikationsanbieters sei seit jeher mit der
Belastung der Verantwortung für die Durchführung von
Überwachungsmaßnahmen verbunden gewesen (VG Köln,
Urteil vom 15. Februar 2000 - 22 K 5896/96 - UA S. 15 unten); die
privaten Anbieter seien an die Stelle der früheren staatlichen
Monopolisten getreten, weshalb die Verpflichtung zur Bereitstellung
der Überwachungstechnik jetzt sie treffe (Manssen, Archiv PT
1998, 236 <242>; i. E. so auch Waechter, a.a.O. S. 94).
Verlängert wird diese Betrachtungsweise durch die sogenannte
„Tropfentheorie“: Wer den guten Tropfen nehme, nämlich
die Erlaubnis zum Geldverdienen im Telekommunikationsbereich,
der müsse auch den schlechten Tropfen, nämlich die
notwendigen Kosten für staatliche Überwachungsmaßnahmen,
akzeptieren (vgl. Manssen, a.a.O.). Diese Auffassung (die im Grunde schon
eine Berührung des Schutzbereichs des Art. 12 Abs. 1 GG durch
die vorstehende Regelung ausschließt, da sie von einem
Berufsbild des Telekommunikationsanbieters ausgeht, das durch die
Verpflichtung zur Implementierung von Abhörtechnik
gekennzeichnet ist), berücksichtigt die Ursprünge der
früheren Verknüpfung der Tätigkeit des
Telekommunikationsanbieters einerseits mit einer den
Sicherheitsinteressen des Staates dienenden und vor allen Dingen
kostenfreien Irnplementierungspflicht nicht hinreichend. Die Deutsche
Bundespost, die vor der europarechtlich angestoßenen,
durch die Postreform I und II umgesetzten Öffnung der
Telekommunikationsmärkte (vgl. zur Historie etwa Scheurle/Mayen,
Telekommunikationsgesetz, 2. Aufl. 2008, § 1 Rz. 3f.) eine
Monopolstellung auf dem Fernmeldesektor innehatte, trug die
Kosten der damals nur erforderlichen - und auch deutlich weniger
kostenaufwändigen - Festnetzüberwachung. Diese
Kostenübernahme beruhte aber nicht auf ihrer Eigenschaft als
Anbieterin von Telekommunikation, sondern vielmehr darauf, dass
es sich bei ihr um eine Behörde handelte, die den berechtigten
Stellen nach § 8 VwVfG zur kostenlosen Amtshilfe verpflichtet
war (vgl. hierzu Scholz, a.a.O. S. 171). Der Grund für die
Annahme, die berufliche Tätigkeit des
Telekommunikationsanbieters sei seit jeher mit der Belastung der
Verantwortung für die Durchführung von
Überwachungsmaßnahmen verbunden gewesen, ist, soweit es
deren Kostenlosigkeit für den Staat betrifft, mit Wegfall
der Behördeneigenschaft der auf dem Telekommunikationsmarkt
tätigen Unternehmen entfallen (noch weitergehend Kilching a.a.O.
S. 24, der von der Neueröffnung eines unbelasteten Marktes
ausgeht). Die Nachfolgeunternehmen sind freie Wettbewerber und dem
Staat gegenüber als solche nicht besonders verpflichtet (Scholz,
a.a.O.).
Die Freigabe des
Telekommunikationsmarktes an diese stellt sich auch - anders als die
„Tropfentheorie“ meint - nicht als besondere Vorteilsgewährung
zugunsten der Telekommunikationsunternehmer dar, sondern vielmehr als
Herstellung der europarechtlich gebotenen, vom Grundgesetz
vorgesehenen Freigabe der unternehmerischen Betätigung
(Kilching a.a.O. S. 24; v. Hammerstein, MMR 2004, S. 226; Braun a.a
O. m.w.N.).
(b) Ein Zurechnungsmoment liegt nach
der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dann vor, wenn
es sich bei der zu übernehmenden Pflicht um eine nicht
unternehmensfremde Tätigkeit handelt und diese nicht in
erheblicher Weise Betriebsmittel bindet (Kuponsteuer, BVerfGE
22, 380; Mineralölbevorratung, BVerfGE 30, 292). Bei einer auf die rein faktischen
Unternehmensvorgänge abstellenden Betrachtungsweise, wie
sie den genannten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts
zugrunde liegt, ist nicht von der Hand zu weisen, dass die - die
Datenübertragung an die berechtigten Stellen ermöglichende
- Pflicht zur Bereitstellung von Abhörtechnik im faktischen
Bereich sich an die durch Datentransport gekennzeichnete Tätigkeit
der Telekommunikationsanbieter anlehnt, weswegen die Auferlegung
einer entsprechenden Handlungspflicht vom vorlegenden Gericht auch
für grundsätzlich verhältnismäßig gehalten
wird (vgl. oben B. 1.2.b. cc (1)). Bei einer inhaltlichen
Betrachtungsweise stellt sich die Bereitstellung von
Abhörmöglichkelten für vermittelte Telekommunikation
als das genaue Gegenteil der dem Telekommunikationsanbieter
gegenüber dem Kunden obliegenden Verpflichtung dar: Art 10
GG, § 88 TKG und der mit dem Kunden bestehende Vertrag gebieten
die abhörsichere Weitergabe der Telekommunikation (v.
Hammerstein, a.a.O.). Die hier dem Telekommunikationsanbieter
auferlegte Verpflichtung stellt sich in inhaltlicher Hinsicht weder
als mit dem unternehmerischen Handeln identisch noch als an dieses
angelehnt, sondern als unternehmensfremd dar. Jedenfalls können die mit der
Bereitstellung der erforderlichen Technik einhergehenden Kosten,
wie bereits zuvor dargestellt, nicht als nur in geringem Umfang
Betriebsmittel bindend angesehen werden, so dass das
Zurechnungskriterium aus diesem Grunde vorliegend nicht greift. (c) Ein Zurechnungsmoment kann sich
nach der Rechtsprechung weiter aus der besonderen Sach- und
Verantwortungsnähe ergeben (so etwa für die Abführung
von Kirchlohnsteuer BVerfGE 44, 103 und Lohnsteuer BFH BStBI.1963,
III S. 468 durch den Arbeitgeber und die Verpflichtung von
Tabakherstellern zur Anbringung von Warnhinweisen BVerfGE
95,173). Im Schrifttum wird die Sach- und Verantwortungsnähe
auch aus dem polizeirechtlichen Störer- und
Zweckveranlassergedanken (Scholz a.a.O. S. 183 f., Waechter, VerwArch
1996, 68 <82f>) sowie - im Hinblick auf die Entscheidung
des Bundesverwaltungsgerichts zur Luftsicherheitsgebühr (BVerwGE
95, 188) - aus dem Gedanken einer besonderen Individualbegünstigung
entwickelt. Eine derartige Sach- und
Verantwortungsnähe soll für den Berufsstand der
Telekommunikationsanbieter deswegen angenommen werden können,
weil zwar von den Telekommuntkationsnetzen selbst keine Gefährdungen
ausgingen, sie jedoch in für den Unternehmer
vorhersehbarerweise zur Begehung von Straftaten genutzt werden
könnten. Es verhalte sich insofern ähnlich wie im
Bereich der Geldwäsche, in dem den Banken wegen der
Missbrauchmöglichkeiten des Bankgeschäftes auch besondere
Verpflichtungen auferlegt worden seien. Mobilfunknetze ermöglichten
es, sich der „sozialen Kontrolle“ zu entziehen; wer eine
„Tarnkappe“ in den Verkehr bringe, müsse für Zwecke der
Strafverfolgung entschädigungslos eine
Reidentifizierungsmöglichkeit bereitstellen (Waechter a.a.O. S.
82, 91).
Eine solche Sach- und
Verantwortungsnähe vermag das vorlegende Gericht indes nicht zu
erkennen. Der Dienst des Telekommunikationsanbieters ist neutral. Er
stellt lediglich die Netze zur Verfügung, die zur Übermittlung
von Kommunikation erforderlich sind. Verantwortlich für den
Inhalt der Kommunikation sind die Nutzer. Die Anknüpfung
der Zurechnung an die Zurverfügungstellung einer neutralen
Leistung würde, wollte man sie als Zurechnungskriterium
gelten lassen, den Kreis der danach Verantwortlichen unüberschaubar
weit ziehen, denn vergleichbare Missbrauchsmöglichkeiten wohnen
einer Vielzahl von Produkten oder Leistungen der
Industriegesellschaft inne, beispielhaft seien Waffen und Automobile
genannt (vgl. hierzu auch Braun, a.a.O; Bock in:
Beck'scherTKG-Kommentar, 3 § 110 Rz. 19; Koenig/Koch/Braun, K&R,
2002, 289 <295>). Im bloßen Zurverfügungstellen
liegt daher kein normatives Element, das die Heranziehung des
Telekommunikationsanbieters rechtfertigen könnte (vgl.
hierzu v. Hammerstein, a.a.O.). Insofern ist der Betreiber des
Telekommunikationsnetzes auch weder Störer - denn der
Missbrauch des Netzes erfolgt durch die für den Inhalt der
Kommunikation verantwortlichen Nutzer - noch Zweckveranlasser; denn
dieser Rechtsgedanke lässt sich nicht auf einen beliebig großen
Kreis von Unternehmen erweitern (vgl. Scholz, a.a.O, S. 185).
Das Zurverfügungstellen des Netzes
fordert auch für sich genommen keinen Missbrauch heraus (so auch
Braun, a,a.O.). Das „Tarnkappenargument“ führt schon
insofern in die Irre, als es den Eindruck erweckt, die
Gefährlichkeit und damit Überwachungsbedürftigkeit
von Telekommunikation ergebe sich aus der durch die
Telekommunikationsanbieter ermöglichten Nichtidentifizierbarkeit
von Rufnummern. Die Telekommunikationsüberwachung knüpft
jedoch vielmehr am vermuteten straf- oder sicherheitsrechtlich
relevanten, nutzerverantworteten Inhalt von Telekommunikation
an. Es stellt zudem „die Funktion der Grundrechte auf den Kopf“
(v. Hammerstein, a.a.O., 222 <225>), denn Art 10 GG und seine
einfachgesetzliche Umsetzung in § 88 TKG gewährleisten
den anonymen, abhörfreien Telefonverkehr. Der Rechtfertigung
bedarf nicht derjenige, der in Umsetzung des grundgesetzlichen
Auftrages diesen ermöglicht (v. Hammerstein, a.a.O.). Eine
Parallele zu den den Banken zur Verhinderung von
Geldwäschegeschäften auferlegten Pflichten (hierzu
Waechter, a.a.O, S, 88) liegt gleichfalls nicht vor; denn im
Unterschied zur Geldwäsche ist die erbrachte Leistung des
Telekommunikationsanbieters tatsächlich neutral; bei den
Bankgeschäften ist es das Geschäft selbst, nicht die
reine Transferleistung der Bank, die Unrechtsgehalt besitzt
(Kilching, a.a.O, S. 22). Eine Begünstigung der Gruppe der
Telekommunikationsanbieter, die der der Fluggäste in der vom
Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Konstellation entspräche
(hierzu Scholz, a.a.O.; Braun a.a.O.), ist schließlich
gleichfalls nicht ersichtlich. Teilweise wird die
Kostentragungspflicht der Telekommunikationsunternehmer auch
deswegen für zumutbar gehalten, weil die gesetzliche Regelung
nicht ausschließe, dass die Kosten auf den Kunden abgewälzt
werden könnten (BVerfGE 30, 292). Jedoch handelt es sich insoweit
lediglich um eine Kontrollüberlegung; tragender Grund der
Entscheidung war das mit der unternehmerischen Tätigkeit
verknüpfte Gut der Versorgungssicherheit (vgl. hierzu oben). Die
Überlegung stellt kein alleiniges Zurechnungskriterium im
Sinne der unter (a) bis (c) benannten dar, sondern gibt lediglich
Aufschluss darüber, dass umgekehrt die Indienstnahme wegen
eines die Kostenüberwälzung verhindernden Hinweises
unzumutbar werden könnte (v. Hammerstein, a.a.O., S. 226;
weitergehend zur Wettbewerbsverzerrung Kilching, a.a.O., S. 25). ...“
Hieran hält die Kammer auch im
vorliegenden Fall fest. Denn nach dem - unwidersprochenen -
Vortrag der Antragsteilerin sind auch vorliegend die
Implementierungs- und Betriebskosten für die Technik zur
Vorratsdatenspeicherung mit 720.000 Euro bzw. 420.000 Euro jährlich
nicht so unbedeutend, daß eine Bindung erheblicher
Betriebsmittel im Sinne von BVerfGE 22, 380 von vornherein
ausscheidet. Daß diese Kosten für die
Vorratsdatenspeicherung - nach Erwartung des Bundesgesetzgebers (vgl,
zur Regierungsvorlage BT-Dr. 16/5846, S. 5) - von den
betroffenen Telekommunikationsunternehmen bei ihrer
Preisgestaltung einkalkuliert und an die Kunden weitergegeben
werden, was zu einer „geringfügigen“ Steigerung des
Verbraucherpreisniveaus im Bereich der
Telekommunikationsdienstleistungen führen könne, ersetzt
nicht das für die Auferlegung genuin staatlicher Pflichten
auf Private notwendige Zurechnungskriterium und ist daher zur
Begründung der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der
Kostenregelung in Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 GG untauglich.
4. Angesichts der bestehenden und dem
Bundesverfassungsgericht zur Prüfung vorliegenden (der
Vorlagebeschluß der Kammer wird unter BVerfG 1 BvL 7/08
geführt) Zweifel des Gerichts an der Verfassungsmäßigkeit
der Regelung des § 110 Abs. 1 Satz 1 TKG ist aufgrund einer
Folgenabwägung zu entscheiden, bei der die der Antragstellerin
entstehenden Nachteile, die ihr entstehen, wenn sie die
Überwachungstechnik auf ihre Kosten einrichten und bereithalten
muß, mit den Nachteilen abzuwägen sind, die im Hinblick
auf den Zweck der Vorratsdatenspeicherung entstehen, wenn die
Antragstellerin diese Überwachungstechnik nicht einrichtet.
Maßgeblich in den
Abwägungsvorgang einzustellen ist daher zunächst, daß
die Antragstellerin - wie bereits eingangs (oben zu 2.)
ausgeführt - auch dann keinen Ersatzanspruch hinsichtlich
der für die Vorratsdatenspeicherung bereits erbrachten
Implementierungs- und Betriebskosten hätte, wenn - entsprechend
der Rechtsauffassung der Kammer - die Kostenregelung des § 110
Abs. 1 Satz 1 TKG vom Bundesverfassungsgericht für nichtig
erklärt würde. Ihr würde damit ein irreparabler
Vermögensschaden entstehen, der es allein gerechtfertigt
erscheinen läßt, die Antragstellerin vorläufig von
der Verpflichtung zur Anschaffung und zum Betrieb der Technik zur
Vorratsdatenspeicherung freizustellen. Bereits deshalb kommt es
für die Interessenabwägung nicht darauf an, ob es sich
bei den von der Antragstellerin geltend gemachten Anschaffungs
und Betriebskosten bezogen auf die Größe ihres
Unternehmens um einen erheblichen Kostenaufwand handelt oder nicht.
Demgegenüber hätte eine
gerichtliche vorläufige Unterlassungsentscheidung die Folge, daß
jedenfalls für den Kundenkreis der Antragstellerin die
Vorratsdatenspeicherung vorläufig nicht erfolgt, obwohl die in §
113a TKG enthaltene gesetzliche Verpflichtung zwingendes
Gemeinschaftsrecht - nämlich die Richtlinie 2006/24/EG des
Europäischen Parlamentes und des Rates - umsetzt. Das
Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluß zur
Vorratsdatenspeicherung (vom .11. März 2008, 1 BvR 256/08, -
juris -) ausgeführt, daß die Aussetzung des Vollzugs einer
europäisches Gemeinschaftsrecht umsetzenden gesetzlichen
Vorschrift nur in ganz besonderen Ausnahmefällen möglich
ist (RdNr. 144 - juris -) und der Vollzug der von der Richtlinie
geforderten Datenspeicherung allein keine besonders schweren und
irreparablen Nachteile, die einen solchen Ausnahmefall begründen
könnten, mit sich bringt (RdNr. 147, 148 -juris -).
Der von der Antragsgegnerin
hervorgehobene Gedanke, daß durch eine vorläufige
Aussetzung der der Antragstellerin durch § 113a TKG begründeten
Pflichten das Gemeinschaftsinteresse an einem effektiven Vollzug
des Gemeinschaftsrechts schwerwiegend beeinträchtigt sein
könnte, ist für die Folgenabwägung jedoch nicht
durchschlagend. Vielmehr ist zwischen der -
gemeinschaftsrechtlich begründeten - Pflicht zur
Vorratsdatenspeicherung bei den Telekommunikationsunternehmen und der
Frage, wer die hierdurch entstehenden Kosten zu tragen hat, zu
differenzieren. Denn die Richtlinie 2006/24/EG schreibt den
Mitgliedstaaten nicht vor, wer die Kosten für die Anschaffung
und den Betrieb der für die Vorratsdatenspeicherung
erforderlichen Technik zu tragen hat. Vielmehr ist die Regelung des §
110 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 TKG, daß sämtliche -auch die durch
das Gesetz vom 21. Dezember 2007 erforderlich gewordene -
Telekommunikationsüberwachungstechnik einseitig durch die
Telekommunikationsunternehmen zu tragen ist, eine Entscheidung
allein des deutschen Gesetzgebers; die zuvor gegen die
Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung erhobenen Zweifel
(oben 3.) messen sich daher allein am deutschen Verfassungsrecht und
sind unabhängig von den Vorgaben europäischen Rechts.
Damit hat es die Antragsgegnerin allein
in der Hand, die Vorgaben der Richtlinie zur umfassenden
Vorratsdatenspeicherung auch dann umzusetzen, wenn sich die
nationale Kostentragungsregelung in § 110 Abs. 1 Satz 1 Nr.
1 TKG als verfassungswidrig herausstellen sollte. Dieser Gedanke
ist auch für die hier zu treffende Folgenabwägung
entscheidend: Die Antragsgegnerin ist durch keine normative Regelung
gehindert, für den Fall, daß das Bundesverfassungsgericht
die Regelung des § 110 Abs. 1 Satz 1 TKG für nichtig
erklären und die Verpflichtung von Telekommunikationsunternehmen
zur Vorhaltung und Bereitstellung von
Telekommunikationsüberwachungstechnik von einer vollständigen
oder angemessenen staatlichen Finanzierung abhängig machen
sollte, der Antragstellerin den Ersatz auch der bereits erbrachten
Implementierungs-und Betriebskosten in dem dann vom
Bundesverfassungsgericht entschiedenen Umfang rechtlich bindend
anzubieten. Bei einem solchen Angebot würde der von der
Antragstellerin geltend gemachte Anordnungsgrund des
„irreversiblen Vermögensschadens“ entfallen; einer
Verpflichtung zur umgehenden Umsetzung der gesetzlichen Pflichten aus
§ 113a TKG wäre von Seiten der Antragstellern - auch
angesichts des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 11. März
2008 - nichts entgegenzusetzen.
Im Ergebnis muß daher die
Folgenabwägung zu Gunsten der Antragstellerin ausfallen. Denn
das Interesse der Antragstellerin, von irreversiblen Vermögensschäden
bewahrt zu werden, falls sich die Regelung des § 110 Abs. 1 Satz
1 TKG als verfassungswidrig erweisen sollte, ist in ihrem Grundrecht
aus Art. 12 Abs. 1 GG begründet. Demgegenüber ist der
effektive Vollzug der durch europäisches Recht angeordneten
Vorratsdatenspeicherung auch dann nicht notwendigerweise
beeinträchtigt, wenn das Gericht gegenüber der
Antragstellern deren Verpflichtung zur Implementierung und zum
Betrieb technischer Einrichtungen zur Vorratsdatenspeicherung
vorläufig aussetzt, weil die Antragsgegnerin jederzeit durch
Abgabe einer das von der Antragstellerin geltend gemachte
Vermögensinteresse sichernden Erklärung - die im
Abänderungsverfahren, das bei jeder gerichtlichen Entscheidung
im Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes möglich sein muß
(vgl dazu Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl. 2007, RdNr. 35 zu §
123), zu einer Aufhebung der hier getroffenen Entscheidung führen
würde - die Verpflichtung aus § 113a TKG auch gegenüber
der Antragstellerin erreichen kann.
5. Die Kostenentscheidung folgt aus §
154 Abs. 1 VwGO. Die Antragstellerin ist mit dem gerichtlichen
Ausspruch nicht teilweise unterlegen. Vielmehr beruht die im Tenor
angeordnete Dauer der Untersagungsverfügung auf der Überlegung,
daß dem Bundesverfassungsgericht von der Kammer die Frage
nach der Verfassungsmäßigkeit des § 110 Abs. 1 Satz 1
Nr. 1 TKG bereits vorgelegt worden ist und das Hauptsacheverfahren
(VG 27 A 125.08) gemäß § 94 VwGO bis zur Entscheidung
des Bundesverfassungsgerichts auszusetzen sein wird, so daß
eine Hauptsachenentscheidung in jedem Falle erst danach ergehen wird.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§
52 Abs. 2, 53 Abs. 3 Nr. 1 und 2 GKG und beruht auf den Angaben der
Antragstellerin zur voraussichtlichen Höhe der
Implementierungs-und Betriebskosten, die die Antragstellerin ohne die
gerichtliche Anordnung sofort zu erbringen hätte; diese sind im
Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes mit der Hälfte
anzusetzen (Streitwertkatalog 2004 Nr. 1.5).
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluss ist die
Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg zulässig.
Die Beschwerde ist bei dem
Verwaltungsgericht Berlin, Kirchstraße 7, 10557 Berlin,
schriftlich einzulegen. Die Frist für die Einlegung der
Beschwerde endet zwei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.
Die Beschwerde ist innerhalb eines
Monats nach Zustellung des Beschlusses schriftlich zu begründen.
Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde
vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht
Berlin-Brandenburg, Hardenbergstraße 31, 10623 Berlin,
einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe
darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben
ist und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen.
Vor dem Oberverwaltungsgericht müssen
sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten
lassen. Dies gilt auch für die Einlegung der Beschwerde. Als
Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte und Rechtslehrer an
einer Hochschule im Sinn des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung
zum Richteramt zugelassen. Darüber hinaus können auch die
in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 der Verwaltungsgerichtsordnung
bezeichneten Personen und Organisationen auftreten. Ein als
Bevollmächtigter zugelassener Beteiligter kann sich selbst
vertreten, Behörden und juristische Personen des öffentlichen
Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer
öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse
können sich durch Beschäftigte mit Befähigung zum
Richteramt vertreten lassen, das Beschäftigungsverhältnis
kann auch zu einer anderen Behörde, juristischen Person des
öffentlichen Rechts oder einem der genannten Zusammenschlüsse
bestehen. Richter dürfen nicht vor dem Gericht, ehrenamtliche
Richter nicht vor einem Spruchkörper auftreten, dem sie
angehören.
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