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Sachverständige warnen vor Missbrauch der Vorratsdatenspeicherung (24.07.2009) Drucken E-Mail

Ein Missbrauch der seit 2008 flächendeckend auf Vorrat gespeicherten Verbindungs-, Positions- und Internetzugangsdaten lässt sich durch Sicherheitsvorkehrungen nicht ausschließen. Darin sind sich alle neun der vom Bundesverfassungsgericht befragten Experten und Verbände einig, darunter der Bundesdatenschutzbeauftragte, Universitätsprofessoren, der Chaos Computer Club und zwei Wirtschaftsverbände. 

In ihren jetzt vorliegenden Stellungnahmen zur Verfassungsbeschwerde von 34.000 Bürgern gegen die sechsmonatige Vorratsspeicherung aller Verbindungsdaten[1] enthüllen die Experten unter anderem, dass Lkw-Maut-Abrechnungsgeräte („OBUs“) die Positionen aller Lkw an T-Mobile, Vodafone oder E-Plus meldeten, wo sie in regelmäßigen Abständen auf Vorrat gespeichert würden.[2] Neben Handy-Verbindungsdaten gäben auch die auf Vorrat zu speichernden Kennungen von Internetnutzern (IP-Adressen) Aufschluss über die Aufenthaltsorte jedes Bürgers in den letzten sechs Monaten, so die Sachverständigen.[3]

Das Bundesjustizministerium vertritt in seiner Stellungnahme zu den 13 Fragen des Bundesverfassungsgerichts[4] die Auffassung, öffentliche Internetzugänge von Restaurants oder Privatpersonen seien von der Pflicht zur Verbindungsdatenspeicherung ausgenommen.[5] Ob nicht-kommerzielle Dienste allgemein von der Vorratsdatenspeicherung ausgenommen sind (z.B. E-Mail-Dienste, Anonymisierungsdienste), wird allerdings uneinheitlich beurteilt: Die Bundesnetzagentur verneint dies,[6] während es die Europäische Kommission bejaht.[7] Streit besteht auch darüber, ob man als Bürger Mitteilung der gespeicherten Kontakt- und Bewegungsdaten verlangen kann: Während der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar dies grundsätzlich bejaht,[8] erkennt die Bundesnetzagentur keinen Auskunftsanspruch an.[9] Der Bundesdatenschutzbeauftragte fordert deswegen eine gerichtliche Klärung.[10] Der Branchenverband Bitkom berichtet, einige Internet-Zugangsanbieter erteilten Auskünfte über mutmaßliche Tauschbörsennutzer an die Unterhaltungsindustrie,[11] obwohl die Nutzung von Vorratsdaten laut Gesetz allein staatlichen Zwecken vorbehalten ist.

Der Berliner Datenschutzbeauftragte Alexander Dix warnt in seiner Stellungnahme, es sei „zu befürchten, dass bei nächster Gelegenheit die Forderung nach einer präventiven anlasslosen Speicherung von Kommunikationsinhalten erhoben wird“. Das Bundesverfassungsgericht solle die Verfassungsbeschwerde dazu nutzen, „eine absolute Grenze der Überwachung technisch vermittelter Kommunikation und ihrer näheren Umstände zu ziehen.“[12] Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungsbeschwerde gegen die Vorratsdatenspeicherung steht derzeit noch aus. Die Beschwerdeführer haben beantragt, dem Europäischen Gerichtshof die Frage vorzulegen, ob die von Deutschland umzusetzende EG-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung die Grundrechte der Bürger unverhältnismäßig weit beschränkt.[13]

„Die Aufzeichnung aller Verbindungsdaten muss gestoppt werden, weil sie spurenlose Kontakte zu Journalisten, Drogen- oder Eheberatungsstellen unmöglich macht und dadurch vertrauliche Kommunikation erschwert oder sogar verhindert“, kommentiert Patrick Breyer vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung. „Wir rufen alle Bürgerinnen und Bürger auf, am 12. September in Berlin an unserer Großdemonstration gegen den Überwachungswahn teilzunehmen (www.FreiheitstattAngst.de).“ Die Demonstration „Freiheit statt Anst - Stoppt den Überwachungswahn!“, an der 2008 Zehntausende teilnahmen, findet dieses Jahr zwei Wochen vor der Bundestagswahl statt. FDP, Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke treten mit der Forderung zur Abschaffung der von schwarz-rot beschlossenen Vorratsdatenspeicherung zur Wahl an.

Der Fragenkatalog des Bundesverfassungsgerichts und die Antworten der Sachverständigen im Original:
http://verfassungsbeschwerde.vorratsdatenspeicherung.de

 
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