Verfassungsgerichtshofs Rumäniens (Curtea Constituţională a României)
ENTSCHEIDUNG Nr. 1258 vom 8.
Oktober 2009
bezüglich der Einrede der
Verfassungswidrigkeit gegen die Bestimmungen des Gesetzes Nr.
298/2008 über die Vorratsspeicherung von Daten, die bei der
Bereitstellung öffentlich zugänglicher elektronischer
Kommunikationsdienste oder öffentlicher Kommunikationsnetze
erzeugt oder verarbeitet werden, sowie zur Änderung des Gesetzes
Nr. 506/2004 über die Verarbeitung personenbezogener Daten
und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen
Kommunikation
Ioan Vida -
Präsident Nicolae Cochinescu - Richter Aspazia Cojocaru -
Richterin Acsinte Gaspar - Richter Petre Lazaroiu - Richter Ion Predescu - Richter Valentin Zoltán Puskás - Richter Tudorel Toader - Richter Augustin Zegrean - Richter Simona Ricu -
Staatsanwältin Claudia Margareta -
Hilfsrichterin
Es kommt zum Aufruf die vom
Kommissariat für die Zivilgesellschaft unter dem Az. 2971/3/2009 bei
der Abteilung für Handelssachen des Landgerichts Bukarest
eingereichte Einrede der Verfassungswidrigkeit gegen die
Bestimmungen des Gesetzes Nr. 298/2008 über die
Vorratsspeicherung von Daten, die bei der Bereitstellung
öffentlich zugänglicher elektronischer
Kommunikationsdienste oder öffentlicher Kommunikationsnetze
erzeugt oder verarbeitet werden, sowie zur Änderung des
Gesetzes Nr. 506/2004 über die Verarbeitung personenbezogener
Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen
Kommunikation.
Die Verhandlung hat in der
öffentlichen Sitzung vom 8. September 2009 stattgefunden und
das Ergebnis wurde in der Sitzungsniederschrift mit gleichem Datum
festgehalten. Wegen weiterer erforderlicher Beratungszeit hat der
Gerichtshof gemäß den Bestimmungen der Artikel 14
Absatz 2, 57 und 58 Absatz 3 des Gesetzes Nr. 47/1992 über die
Organisation und Funktion des Verfassungsgerichtshofes die
Verkündung auf den 15. September 2009 vertagt und sodann in Übereinstimmung mit Artikel 6
und 51 desselben Gesetzes eine weitere Vertagung für den 8.
Oktober 2009 beschlossen.
Bei Aufruf in der öffentlichen
Sitzung vom 8. Oktober 2009 erscheint der Erheber der Einrede,
vertreten durch Rechtsberater Matei Bogdan, dessen
Vertretungsvollmacht sich in der Akte befindet, während die
S.C. Orange S.A. (Handelsgesellschaft Orange Aktiengesellschaft)
aus Bukarest trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht
erschienen ist.
Da die Sache entscheidungsreif
ist, erteilt der Vorsitzende der anwesenden Partei das Wort. Diese
wiederholt im Wesentlichen ihren Vortrag aus der Sitzung vom 8.
September 2009 sowie den Inhalt der bei dieser Gelegenheit zur Akte
gereichten Schriftsätze, beantragt die Zulassung der
Einrede der Verfassungswidrigkeit aufgrund der Tatsache, dass
die Bestimmungen des Gesetzes Nr. 298/2008 insgesamt, jedoch im
Besonderen jene der Artikel 1 und 15 des Gesetzes, in der
Hauptsache das von der Verfassung garantierte Recht auf Achtung der
Privatsphäre und des Fernmeldegeheimnisses durch das Fehlen
einer rechtsverbindlichen Definition des Syntagmas "damit
in Zusammenhang stehende Daten" [rum. wörtlich: date
conexe] verletzt. Das Fehlen dieser Definition habe die Rolle der
Beseitigung der Unschuldsvermutung, verletze die Würde der
Person, und generiere Missbrauch bei der Verwendung der
Informationen durch die zuständigen Organe. Sie trägt vor,
dass es in der Strafprozessordnung eine Sonderregelung gebe, die den
öffentlichen Behörden die Beschaffung und Verwendung von
Daten im Zusammenhang mit der Privatsphäre einer Person
ermöglicht, so dass das Gesetz Nr. 293/2008 sich als überflüssig
erweise.
Der Vertreter des Öffentlichen
Ministeriums beantragt die Abweisung der Einrede der
Verfassungswidrigkeit und trägt vor, dass dem Antrag auf die
Definition von Begriffen, wie dem im beanstandeten Gesetz
verwendeten "damit in Zusammenhang stehende Daten" nicht
stattgegeben werden könne, da der Verfassungsgerichtshof
nicht über derartige Befugnisse zur Schließung eventueller
Gesetzeslücken verfüge. Was die Hauptsache der Einrede der
Verfassungswidrigkeit betrifft, sei diese unbegründet, da
die beanstandete Rechtsvorschrift ausdrücklich die
Verpflichtung der Bereitsteller öffentlich zugänglicher
elektronischer Kommunikationsdienste oder öffentlicher
Kommunikationsnetze vorsehe, die infolge dieser Dienstleistungen
festgehaltenen Daten nur öffentlichen Behörden und keinen anderen Personen zur
Verfügung zu stellen, während die Erfassung des Inhalts
eines Gesprächs oder einer elektronischen Kommunikation in
diesem Gesetz ausdrücklich verboten sei.
Der Gerichtshof
stellt unter Berücksichtigung
der Unterlagen und Vorgänge der Akte folgendes fest:
Durch die unter dem Az. 2971/3/2009
verkündete Entscheidung vom 5. Februar 2009 hat das Landgericht
Bukarest - Abteilung für Handelssachen - den
Verfassungsgerichtshof mit der Einrede der Verfassungswidrigkeit
gegen die Bestimmungen des Gesetzes Nr. 298/2008 über die
Vorratsspeicherung von Daten, die bei der Bereitstellung öffentlich
zugänglicher elektronischer Kommunikationsdienste oder
öffentlicher Kommunikationsnetze erzeugt oder verarbeitet
werden, sowie zur Änderung des Gesetzes Nr. 506/2004 über
die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der
Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation angerufen.
Die Einrede der
Verfassungswidrigkeit wurde vom Kommissariat für die
Zivilgesellschaft in einem Verfahren bezüglich einer
Präsidialverordnung erhoben.
Zur Begründung der Einrede
der Verfassungswidrigkeit wird vorgetragen, dass das in Artikel
28 der Verfassung geregelte Fernmeldegeheimnis auch den Schutz von
Verkehrs- und Standortdaten der Personen, die Korrespondenz führen,
mit einschließe. Obgleich die Bestimmungen der Artikel 6-7 des
Gesetzes Nr. 298/2008 ausdrücklich vorsehen, welches die für
den Speicherungsvorgang erforderlichen Daten sind (jene, die der
Feststellung des Datums, der Uhrzeit und der Dauer einer
Nachrichtenübermittlung, der Bestimmung der Art der
Nachrichtenübermittlung, der Endeinrichtung, des .Standorts
von Geräten - was tatsächlich den Standort der Person
bedeute, welche das Gespräch führt - dienen), und Artikel
11 Absatz 1 die Erfassung des Inhalts der Nachrichtenübermittlung
verbietet (wobei absichtlich der Eindruck erzeugt werde, dass zum
Inhalt des Gesprächs kein Zugang gewährt wird), lasse
Artikel 1 Absatz 2 des Gesetzes "diesem Zugang das Tor weit
offen, wenn von damit in Zusammenhang stehenden Daten die Rede
ist", insbesondere da dieser Begriff nirgendwo im Gesetz
definiert werde. Mehr noch, das Gesetz präzisiere auch nicht die
Art und Weise, in der die Erfassung und Aufbewahrung dieser
Daten erfolgen soll und überlasse die Art der Verwaltung der Daten den privaten
Anbietern elektronischer Kommunikationsdienste, wodurch die
Wahrung des Fernmeldegeheimnisses gefährdet werde. Die von der
Möglichkeit der Identifizierung und Lokalisierung des Benutzers
solcher Dienstleistungen generierte Furcht könne auch zur
Einschränkung des Rechts auf Intim-, Familien- und Privatleben,
der Freizügigkeit sowie der Meinungsfreiheit führen. Der
Erheber der Einrede führt weiterhin aus, "der Umstand, dass
dieses Gesetz Richtlinien der Europäischen Union (wenn gar mit
Übersetzungsfehlern) umzusetzen versucht, sind bei der Prüfung
der Verfassungsmäßigkeit unerheblich, da die
Richtlinien für das zu erzielende Ergebnis verpflichtend seien,
den nationalen Behörden jedoch die Kompetenz bei der Wahl der
Formen und Mitte! der Umsetzung überlassen wird."
Das Landgericht Bukarest -
Abteilung für Handelssachen ist der Auffassung, die
Bestimmungen des Gesetzes Nr. 298/2008 seien verfassungsmäßig
angesichts des Zwecks seiner Verabschiedung und der Kategorien von
Daten, die aufbewahrt werden. Das Gesetz bestimme in Kapitel H
"Aufbewahrung von Daten" explizit die Kategorien von Daten,
zu deren Aufbewahrung die Anbieter Öffentlich zugänglicher
elektronischer Kommunikationsdienste oder öffentlicher
Kommunikationsnetze verpflichtet sind, während die
Vertraulichkeit des Inhalts von Telefongesprächen in Artikel 11
Absatz 1 desselben gewährleistet sei.
Gemäß den Bestimmungen
des Artikels 30 Absatz 1 des Gesetzes Nr. 47/1992 wurde der
Anrufungsbeschluss den Vorsitzenden der beiden Kammern des
Parlaments, der Regierung und dem Volksanwalt zwecks Stellungnahme
zur Einrede der Verfassungswidrigkeit mitgeteilt.
Die Regierung vertritt in ihrer
Stellungnahme die Auffassung, die Einrede der
Verfassungswidrigkeit sei unbegründet. Da unter Korrespondenz
nur der Inhalt der Kommunikation verstanden wird und nicht auch deren
Verkehrs- oder Standortdaten, und Artikel 11 Absatz 1 des Gesetzes
Nr. 298/2008 die Erfassung und Speicherung des Inhalts des Gesprächs
ausdrücklich verbietet, könne man nicht von der Verletzung
des Artikels 28 der Verfassung ausgehen. Auch steile die fehlende
Definition des Begriffs "damit in Zusammenhang stehende Daten"
kein Problem der Verfassungsmäßigkeit dar, wie vom Erheber
der Einrede behauptet, sondern eines der Anwendung und Auslegung
des Gesetzes. Was die angebliche Missachtung des Rechts auf Intim-
Familien- und Privatleben aus Artikel
26 des Grundgesetzes betrifft, so ist die Regierung der Auffassung,
die in Artikel 1 des beanstandeten Gesetzes geregelte Maßnahme
müsse in Bezug gesetzt werden zu den Bestimmungen des
Artikels 53 der Verfassung, da die gespeicherten Daten den
zuständigen Behörden zum Zwecke der Ermittlung,
Feststellung und Verfolgung von schweren Straftaten zur
Verfügung gestellt werden. Was die Berufung auf Artikel 25 und
30 der Verfassung betrifft, so hätten diese Texte im
vorliegenden Fall keine Auswirkung, da die beanstandeten Regelungen
keinerlei
Bezug zum Recht auf Freizügigkeit bzw. auf Meinungsfreiheit
hätten.
Der Volksanwalt vertritt in seiner
Stellungnahme die Auffassung, die Bestimmungen des Gesetzes Nr.
298/2008 seien verfassungsmäßig, da sie Maßnahmen
regeln, die durch die Bedingungen des Artikels 53 der Verfassung
bezüglich der Einschränkung der Ausübung
bestimmter Rechte und Freiheiten gerechtfertigt seien. Zudem
setze das beanstandete Gesetz die Normen der Richtlinie
2006/24/EG über die Vorratsspeicherung von Daten, die bei der
Bereitstellung öffentlich zugänglicher elektronischer
Kommunikationsdienste oder öffentlicher Kommunikationsnetze
erzeugt oder verarbeitet werden, und zur Änderung der Richtlinie
2002/58/EG um, so dass unter Berücksichtigung der Bestimmungen
des Artikels 148 Absatz 2 der Verfassung nicht von der Verletzung der
angeführten Grundnormen ausgegangen werden könne.
Die Vorsitzenden der beiden
Kammern des Parlaments haben keine Stellungnahme abgegeben.
Der Gerichtshof
stellt nach Prüfung des
Anrufungsbeschlusses, der Stellungnahmen der Regierung und des
Volksanwalts, des vom Berichterstatter-Richter erstellten Berichts,
der Ausführungen der anwesenden Partei, des Antrags des
Staatsanwalts, der beanstandeten gesetzlichen Bestimmungen unter
Bezugnahme auf die Bestimmungen der Verfassung, sowie des
Gesetzes Nr. 47/1992 folgendes fest:
Der Verfassungsgerichtshof wurde
rechtmäßig angerufen und ist für die Lösung der
Einrede der Verfassungswidrigkeit gemäß den Bestimmungen
der Artikel 146 Buchstabe d der Verfassung sowie Artikel 1 Absatz 2,
2, 3, 10 und 29 des Gesetzes Nr. 47/1992 zuständig.
Gegenstand der Einrede der
Verfassungswidrigkeit sind, gemäß des
Anrufungsbeschlusses an den Gerichtshof "die Bestimmungen
des Gesetzes Nr. 298/2008 über die
Vorratsspeicherung von Daten, die bei der Bereitstellung öffentlich
zugänglicher elektronischer Kommunikationsdienste oder
öffentlicher Kommunikationsnetze erzeugt oder verarbeitet
werden, sowie zur Änderung des Gesetzes Nr. 506/2004 über
die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der
Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation",
veröffentlicht im Amtsblatt (Monitorul Oficial) Rumäniens,
Teil l, Nr. 780 vom 21 November 2008. Obgleich der Erheber der
Einrede das Gesetz Nr. 298/2008 in seiner Gesamtheit beanstandet,
bezieht er sich insbesondere auf die Bestimmungen der Artikel 1 und
15 desselben, deren Wortlaut folgender ist:
Artikel 1 - "(1) Das
vorliegende Gesetz regelt die Pflicht der Anbieter öffentlicher
elektronischer Kommunikationsdienste und Netze auf Aufbewahrung
bestimmter Daten, die im Zuge der Bereitstellung der
betreffenden Kommunikationsdienste erzeugt oder
verarbeitet wurden, um sie zum Zwecke der Ermittlung, Feststellung
und Verfolgung von schweren Straftaten den zuständigen Behörden
zur Verfügung zu stellen.
(2) Das vorliegende Gesetz
findet Anwendung auf die Verkehrs- und Standortdaten natürlicher
und juristischer Personen sowie auf damit in Zusammenhang
stehende Daten, die für die Identifizierung des Teilnehmers oder
registrierten Benutzers notwendig sind,
(3) Das vorliegende Gesetz
findet keine Anwendung auf den Inhalt der Kommunikation oder die
während der Benutzung eines elektronischen Kommunikationsnetzes
konsultierten Daten.
(4) Die Anwendung des
vorliegenden Gesetzes erfolgt unter Einhaltung der Bestimmungen des
Gesetzes Nr. 677/2001 über den Schutz der Personen bezüglich
der Verarbeitung personenbezogener Daten und des freien Verkehrs
dieser Daten, mit den nachträglichen Änderungen und
Ergänzungen, sowie des Gesetzes Nr. 506/2004 über die
Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre
im Bereich der elektronischen Kommunikation, mit den nachträglichen
Ergänzungen."
Artikel 15 - "Die Anbieter
von öffentlich zugänglichen elektronischen
Kommunikationsdiensten bzw. Betreiber eines öffentlichen
Kommunikationsnetzes sind verpflichtet, den zuständigen
Behörden auf Antrag und aufgrund der gemäß den
Bestimmungen des Artikels 16 erteilten Genehmigung unverzüglich
die gemäß
diesem Gesetz gespeicherten Daten zukommen zu lassen, mit Ausnahme
von Fällen höherer Gewalt."
Der Erheber der Einrede der
Verfassungswidrigkeit ist der Auffassung, dass die Bestimmungen von
Artikel 25 - Freizügigkeit, Artikel 26 - Intim-
Familien- und Privatleben, Artikel 23 - Fernmeldegeheimnis und
Artikel 30 - Meinungsfreiheit der Verfassung verletzt
werden.
Nach Prüfung der Einrede der
Verfassungswidrigkeit stellt der Verfassungsgerichtshof
folgendes fest:
Die Einwände des Erhebers der
Einrede der Verfassungswidrigkeit gegen die Bestimmungen des Gesetzes
Nr. 298/2008 über die Vorratsspeicherung von Daten, die bei der
Bereitstellung öffentlich zugänglicher elektronischer
Kommunikationsdienste oder öffentlicher Kommunikationsnetze
erzeugt oder verarbeitet werden, sowie zur Änderung des Gesetzes
Nr. 506/2004 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und
den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation
betreffen bestimmte Mängel der untersuchten Rechtsvorschrift,
wodurch das Recht auf Freizügigkeit, auf Intim-, Privat- und
Familienleben sowie das Fernmeldegeheimnis und die Meinungsfreiheit
verletzt werden können. Dies, weil das genannte Gesetz die
Speicherung von Daten zulässt, die der Feststellung des
Datums, der Uhrzeit und der Dauer eines Telefongesprächs oder
einer Nachrichtenübermittlung, der Bestimmung der Art der
Nachrichtenübermittlung, der Endeinrichtung, des Standorts von
Kommunikationsgeräten dienen, ohne jedoch explizit zu
definieren, was man unter "damit in Zusammenhang stehende
Daten" versteht, die für die Identifizierung des
Teilnehmers oder registrierten Benutzers erforderlich sind und
die ebenfalls von den Anbietern von elektronischen
Kommunikationsdiensten bzw. Betreibern von Netzen verarbeitet werden.
Die laut Auffassung des Erhebers
der Einrede verletzten Rechte sind komplexe, nicht
vermögensbezogene Persönlichkeitsrechte, denen die Ausübung
des Rechts in der privaten Sphäre, auf der Ebene der einzelnen
Person gemeinsam ist. Das Recht auf Achtung der Privatsphäre und
des Familienlebens genießt allgemeine Zustimmung und
internationalen Schutz, wie aus Artikel 12 der Allgemeinen
Erklärung der Menschenrechte, aus Artikel 17 des Internationalen
Pakts über bürgerliche und politische Rechte, sowie aus
Artikel 8 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und
Grundfreiheiten und Artikel 26 der Verfassung Rumäniens hervorgeht. Das
Recht auf Achtung der Privatsphäre impliziert notwendigerweise
auch das Fernmeldegeheimnis, ob diese Komponente nun im Text des
Artikels 8 der Konvention ausdrücklich erwähnt oder
getrennt geregelt ist, wie im Falle des Artikels 28 der Verfassung.
Die Korrespondenz drückt die Beziehungen aus, die eine Person
auf verschiedene Arten der Kommunikation mit anderen Mitgliedern der
Gesellschaft herstellen kann und schließt somit sowohl die
Telefongespräche als auch die elektronische Kommunikation ein.
Diese Rechte, einschließlich
des Rechts auf Meinungsfreiheit, die ausdrücklich in
Artikel 30 der Verfassung und Artikel 10 der Konvention zum Schutze
der Menschenrechte und Grundfreiheiten verankert sind, obwohl sie
untrennbar mit der menschlichen Existenz verbunden sind und jeder das
Recht hat diese ungehindert auszuüben, sind trotzdem keine
absoluten sondern bedingten Rechte.
Indem das Gesetz Nr. 298/2008 die
Pflicht der Anbieter öffentlicher elektronischer
Kommunikationsdienste und Netze auf Aufbewahrung bestimmter Daten,
die im Zuge der Bereitstellung der betreffenden Kommunikationsdienste
erzeugt oder verarbeitet wurden, regelt, drückt es den
Willen des Gesetzgebers zur Durchsetzung bestimmter Grenzen bezüglich
der Ausübung des Rechts auf Privatsphäre, auf freie
Meinungsäußerung und insbesondere auf das Recht auf das
Fernmeldegeheimnis, unter den oben dargelegten Aspekten aus. Das
Gesetz Nr. 298/2008 setzt auf nationaler Ebene die Richtlinie
2006/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15.
März 2006 über die Vorratsspeicherung von Daten, die bei
der Bereitstellung öffentlich zugänglicher elektronischer
Kommunikationsdienste oder öffentlicher Kommunikationsnetze
erzeugt oder verarbeitet werden, und zur Änderung der Richtlinie
2002/58/EG um. Der Rahmen eines solchen Rechtsakts der
Gemeinschaft sieht für die Mitgliedstaaten der Europäischen
Union die Verpflichtung zur Umsetzung vor, was die rechtliche Lösung
betrifft, nicht jedoch die konkreten Modalitäten, wie man zu
diesem Ergebnis gelangt, wobei den Staaten ein erheblicher Freiraum
bei der Anpassung an die Eigenheiten ihrer nationalen
Gesetzgebung und Realität gewährt wird.
Weder die Konvention zum Schutze
der Menschenrechte und Grundfreiheiten noch die Verfassung
Rumäniens verbieten es dem Gesetzgeber, den Eingriff der
staatlichen Behörden in die Ausübung der genannten Rechte
zu gestalten, doch muss der Eingriff durch den Staat strikten
Regeln unterliegen, die sowohl in Artikel 8 der Konvention
als auch in Artikel 53 der Verfassung festgehalten sind.
Demzufolge dürfen gesetzgeberische Maßnahmen, welche die
Ausübung der Grundrechte und Freiheiten beschränken
könnten, nur zu begründeten Zwecken wie dem Schutz der
nationalen Sicherheit, der öffentlichen Sicherheit und
Ordnung, der Verhütung von Straftaten sowie dem Schutz der
Rechte und Interessen anderer Personen vorgenommen werden, sie
müssen in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sein, der
Situation, die sie erforderlich gemacht hat, angemessen sein, in
nicht diskriminierender Weise angewendet werden und dürfen das
Bestehen des Rechts oder der Freiheit nicht verletzen.
Zudem und in Übereinstimmung
mit den Beschränkungsprinzipien aus der einschlägigen
Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für
Menschenrechte, zum Beispiel im Fall Klass und andere gegen
Deutschtand, 1978 oder im Fall Dumitru Popescu gegen Rumänien,
2007, muss eine Rechtsvorschrift, die Maßnahmen regelt,
welche in die Ausübung des Rechts auf Privatsphäre, und
Familie, auf das Fernmeldegeheimnis und freie Meinungsäußerung
eingreifen könnten, adäquate und ausreichende Sicherheiten
enthalten, um die Person vor eventueller Willkür durch die
staatlichen Behörden zu schützen.
Der Verfassungsgerichtshof erkennt
die Möglichkeit des Gesetzgebers an, die Ausübung einzelner Grundrechte und Freiheiten zu begrenzen, ebenso wie die Notwendigkeit
der Regelung von Modalitäten, die es zuständigen Behörden
in der Strafverfolgung ermöglichen, effiziente und adäquate
Mittel für die Vorbeugung und Feststellung von insbesondere
terroristischen Taten und schweren Straftaten einzusetzen. Die
rumänische Gesetzgebung hat in der Strafprozessordnung die
Modalitäten geregelt, unter denen öffentliche Behörden in
die Ausübung des Rechts auf Privatsphäre, auf
Fernmeldegeheimnis und freie Meinungsäußerung eingreifen
können, unter Einhaltung aller Schutzvorkehrungen, die dieser Eingriff
erfordert. In seiner Entscheidung Nr. 962 vom 25. Juni 2009,
veröffentlicht im Amtsblatt Rumäniens, Teil l, Nr. 553
vom 13. August 2009, hat der Verfassungsgerichtshof festgehalten,
dass die Bestimmungen des Artikels 911 der
Strafprozessordnung, welche die Bedingungen und Fälle des
Ausspähens und Aufzeichnens von Gesprächen und
Kommunikation über Telefon oder jedwelche sonstigen
elektronischen Kommunikationsmittel regeln, verfassungsgemäß
sind und in einer demokratischen Gesellschaft, die von immer
komplexeren Straftaten bedroht ist, durch das Erfordernis der
Gewährleistung der nationalen Sicherheit, der Verteidigung der
öffentlichen Ordnung oder der Vorbeugung von Straftaten
gerechtfertigt ist.
Der Verfassungsgerichtshof stellt
fest, dass das Gesetz Nr. 298/2003, so wie es verfasst ist, auch auf
indirekte Weise die Ausübung der Grundrechte und Freiheiten,
insbesondere das Recht auf Intim-, Privat- und Familienleben, das
Recht auf das Fernmeldegeheimnis und die freie Meinungsäußerung
in einer Weise verletzt, die nicht den Erfordernissen aus Artikel 53
der Verfassung Rumäniens entspricht.
So führt das Gesetz Nr.
298/2003 für die Anbieter von öffentlich zugänglichen
elektronischen Kommunikationsdiensten bzw. Betreiber eines
öffentlichen Kommunikationsnetzes die Pflicht ein, für
einen Zeitraum von 6 Monaten die Verkehrs- und Standortdaten von
natürlichen und juristischen Personen zu speichern. Gemäß
Artikel 3 des Gesetzes sind dies die Daten, die "zur Verfolgung
und Feststellung" der Quelle, des Adressaten, des Datums, der
Uhrzeit und Dauer einer Kommunikation, der Art der
Nachrichtenübermittlung, der vom Nutzer eingesetzten
Kommunikationsmittel oder Vorrichtungen, des Standortes mobiler
Endgeräte erforderlich sind. Artikel 1 Absatz 2 des Gesetzes
schließt in die Kategorie der Verkehrs- und Standortdaten
natürlicher und juristischer Personen auch "damit in
Zusammenhang stehende Daten für die Identifizierung des
Teilnehmers oder des registrierten Benutzers" ein, ohne jedoch
ausdrücklich zu definieren, was unter "damit in
Zusammenhang stehende Daten" für die Identifizierung
des Teilnehmers oder des registrierten Benutzers zu verstehen ist.
Der Verfassungsgerichtshof ist der
Auffassung, dass das Fehlen einer präzisen rechtlichen
Regelung, welche den Bereich der für die Identifizierung
natürlicher und juristischer Personen als Benutzer genau
definiert, die Möglichkeit des Missbrauchs bei der
Bereitstellung, Verarbeitung und Verwendung der von den Anbietern von
öffentlich zugänglichen elektronischen
Kommunikationsdiensten bzw. Betreibern eines öffentlichen
Kommunikationsnetzes gespeicherten Daten birgt. Auch die
Einschränkung der Ausübung des Rechts auf Privatsphäre,
auf das Fernmeldegeheimnis und freie Meinungsäußerung muss
in einer klaren, vorhersehbaren und eindeutigen Weise erfolgen,
so dass nach Möglichkeit die Willkür oder der
Missbrauch durch die Behörden in diesem Bereich ausgeschlossen
wird. Die Adressaten der Gesetzesvorschrift sind in diesem Fall alle
natürlichen und juristischen Personen, die
Teilnehmer öffentlich zugänglicher elektronischer
Kommunikationsdienste bzw. Nutzer öffentlicher
Kommunikationsnetze sind, also ein breites, umfassendes Spektrum von
Rechtssubjekten, Mitglieder der Zivilgesellschaft. Diese
benötigen jedoch eine klare Darstellung der anwendbaren
Rechtsnorm, damit sie ihr Verhalten anpassen und die Konsequenzen
voraussehen können, die aus ihrer Missachtung entstehen. In
diesem Sinn urteilt auch der Europäische Gerichtshof für
Menschenrechte, der zum Beispiel im Fall Rotaru gegen
Rumänien, 2000 bestimmt hat, dass "eine Rechtsnorm nur
dann 'vorhersehbar' ist, wenn sie mit ausreichender
Genauigkeit formuliert ist, so dass sie jedwelcher Person - die bei
Bedarf eine Fachberatung in Anspruch nehmen kann - ermöglicht,
ihr Verhalten zu korrigieren", und im Fall Sunday Times gegen
Vereinigtes Königreich, 1979, entschieden hat,
dass "[...] der Bürger über ausreichende
Informationen über die in einem Fall anwendbaren Rechtsnormen
haben muss um in der Lage zu sein in einem vernünftigen Umfang
die möglichen Konsequenzen einer bestimmten Handlung
vorauszusehen." Kurzum, das Gesetz muss gleichzeitig zugänglich
und voraussehbar sein. Die gleiche Rechtsprechungspraxis ist
auch dem Verfassungsgerichtshof eigen, relevant in diesem Sinne
ist seine Entscheidung Nr. 189 vom 2. März 2006, veröffentlicht
im Amtsblatt Rumäniens, Teil l, Nr. 307 vom 5. April 2006.
Des weiteren stellt der
Verfassungsgerichtshof die gleiche zweideutige Art der Formulierung,
die nicht mit den Normen der Gesetzgebungstechnik übereinstimmt,
bei den Bestimmungen des Artikels 20 des Gesetzes Nr. 298/2006 fest,
wonach "Zum Zwecke der Verhütung und Abwehr von
Bedrohungen der nationalen Sicherheit können die
dafür zuständigen staatlichen Behörden unter den
gesetzlichen Bestimmungen, welche die Tätigkeit der
Gewährleistung der nationalen Sicherheit regeln, Zugang zu
den von den Anbietern von öffentlichen elektronischen
Kommunikationsdiensten und Netzen gespeicherten Daten haben."
Der Gesetzgeber definiert nicht, was mit "Bedrohungen der
nationalen Sicherheit" gemeint ist, so dass mangels genauer
Eingrenzungskriterien verschiedene Aktionen, Informationen oder
gewöhnliche Routinetätigkeiten von natürlichen oder
juristischen Personen willkürlich und missbräuchlich
als Bedrohungen der nationalen Sicherheit eingestuft werden
könnten. Die Adressaten des Gesetzes können in die
Kategorie verdächtiger Personen eingestuft werden, ohne darüber
Kenntnis zu
haben und ohne durch ihr Verhalten die Konsequenz der Anwendung des
Rechts vermeiden zu können. Des weiteren suggeriert die
Verwendung des Syntagmas "können haben" dass
die Daten, auf die sich das Gesetz Nr. 298/2008 bezieht, nicht dem
ausschließlichen Zweck ihrer Verwendung nur von den
zuständigen staatlichen Behörden für den Schutz
der nationalen Sicherheit und öffentlichen Ordnung dienen,
sondern auch von anderen Personen oder Rechtssubjekten verwendet
werden können, solange diese zu den Daten im Sinne des Gesetzes
Zugang "haben können" und nicht "haben".
Die Einhaltung der Normen der
Gesetzgebungstechnik im Rahmen des Komplexes spezifischer Regeln bei
der Erlassung von Gesetzen stellt einen entscheidenden Faktor
bei der Umsetzung des Willens des Gesetzgebers dar, damit die
erlassene gesetzliche Bestimmung auch durch die Art ihrer
Formulierung allen Anforderungen der Wahrung der Grundrechte des
Menschen entspricht. Ohne die Rolle des positiven Gesetzgebers
einnehmen zu wollen stellt der Verfassungsgerichtshof fest, dass
die möglichst genaue Regelung des Anwendungsbereiches des
Gesetzes Nr. 298/2008 um so erforderlicher ist angesichts der
komplexen Natur der der Beschränkung unterliegenden Rechte
und der Konsequenzen, die ein möglicher Missbrauch durch
die öffentlichen Behörden auf die Privatsphäre ihrer
Adressaten hätte, so wie dieser auf der subjektiven Ebene eines
jeden Individuums wahrgenommen wird.
Darüber hinaus stellt der
Verfassungsgerichtshof fest, dass das Gesetz Nr. 298/2008 in seiner
Gesamtheit eine Regel bezüglich der Verarbeitung
personenbezogener Daten aufstellt, nämlich jene der
Vorratsspeicherung für einen Zeitraum von 6 Monaten ab dem
Zeitpunkt der Erfassung. Die Verpflichtung der Anbieter
öffentlich zugänglicher elektronischer
Kommunikationsdienste oder öffentlicher Kommunikationsnetze
ist dauerhafter Art. Demgegenüber besteht im Bereich der
Persönlichkeitsrechte wie des Rechts auf Privatsphäre, auf
freie Meinungsäußerung und auf den Schutz
personenbezogener Daten der einstimmig anerkannte Grundsatz, dass
diese Rechte und die Vertraulichkeit dieser Daten zu garantieren und
zu respektieren sind und dem Staat in dieser Hinsicht vor allem
negative Pflichten obliegen, nämlich so weit wie möglich
von Eingriffen in die Ausübung des Rechts oder der Freiheit
abzusehen. Mit diesem Ziel wurden die Richtlinie 2002/58/EG über
die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz
der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation, das Gesetz
Nr. 677/2001 über den Schutz von Personen bei der Verarbeitung
personenbezogener Daten und den freien Datenverkehr, und das
Gesetz Nr. 506/2004 über die Verarbeitung personenbezogener
Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen
Kommunikation verabschiedet. Ausnahmen sind eingeschränkt
erlaubt, soweit dies die Verfassung und die geltenden internationalen
Rechtsvorschriften
in diesem Bereich ausdrücklich zulassen. Das Gesetz Nr. 298/2008
bildet eine solche Ausnahme, wie schon sein Titel zeigt.
Die durch das Gesetz Nr. 298/2008
unter dem Titel der Ausnahme oder Abweichung vom Grundsatz des
Schutzes persönlicher Daten und ihrer Vertraulichkeit
geregelte Verpflichtung zur Vorratsspeicherung von Daten beraubt
jedoch durch ihre Art, ihren Umfang und ihren Anwendungsbereich
diesen Grundsatz seines Inhalts, wie er in Gesetz 677/2001
und Gesetz Nr. 506/2004 verbürgt war. In der Rechtsprechung des
Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, so zum
Beispiel in der Entscheidung Prinz Hans-Adam II. von
Liechtenstein gegen Deutschland, 2001, wird jedoch
allgemein anerkannt, dass die Mitgliedstaaten mit der
Unterzeichnung der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und
Grundfreiheiten die Verpflichtung eingegangen sind, durch
Verabschiedung der erforderlichen Gesetze sicherzustellen, dass die
in der Konvention garantierten Rechte praktisch und effektiv -
und nicht nur theoretisch und illusorisch - bestehen und die
verabschiedeten Gesetze tatsächlich dem Schutz dieser Rechte
dienen. Die rechtliche Verpflichtung zur kontinuierlichen
Vorratsspeicherung persönlicher Daten macht jedoch die
Ausnahme vom Grundsatz des Schutzes des Rechts auf Privatsphäre
und Meinungsfreiheit zur absoluten Regel. Das Recht scheint in einer
negativen Art und Weise geregelt zu werden, und seine positive Seite
verliert ihren vorherrschenden Charakter.
In diesem Zusammenhang stellt der
Gerichtshof fest, dass die Bestimmungen von Artikel 911
der Strafprozessordnung den Ausnahmecharakter des Ausspähens
oder Aufzeichnens von Ton und Bild respektieren, indem dies nur unter
strengen Bedingungen und im Einzelfall nach begründeter
Anordnung durch den zuständigen Richter zugelassen wird und pro
Straftat und Person insgesamt die Dauer von 120 Tagen nicht
überschreiten darf. Stattdessen führt das Gesetz Nr.
298/2008 als Regel ein, was die Strafprozessordnung nur als strenge
Ausnahme vorsieht, indem es die fortlaufende Aufbewahrung von Daten
für die Dauer von sechs Monaten ab ihrer Erfassung vorsieht, so
dass mit begründeter richterlicher Anordnung auf in der
Vergangenheit angefallene und nicht nur auf zukünftig
anfallende Daten zugegriffen werden kann. Auf diese Weise führt
die Einführung einer positiven Verpflichtung, welche die
fortwährende Einschränkung des Rechts auf Privatsphäre
und auf das Fernmeldegeheimnis vorsieht, zur Beseitigung des
Kerngehalts dieses Rechts, indem die Schutzvorkehrungen zur
Gewährleistung seiner Ausübung beseitigt werden. Die
natürlichen und juristischen Personen - die Massenverbraucher
öffentlich zugänglicher elektronischer
Kommunikationsdienste oder öffentlicher Netze - werden
permanent diesem Eingriff in die Ausübung ihrer Rechte auf
Fernmeldegeheimnis und freie Meinungsäußerung
ausgesetzt, wodurch sie von diesen Rechten nur noch auf dem Wege der
direkten Kommunikation frei und unzensiert Gebrauch machen
können, was aber einen Ausschluss von den heutigen
Hauptkommunikationsmitteln bedeutet.
Als logische Konsequenz dieser
Analyse ergibt sich auch die Notwendigkeit der Prüfung der
Einhaltung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit,
ein weiteres zwingend zu befolgendes Erfordernis im Falle der
Einschränkungen der Ausübung bestimmter Grundrechte und
Freiheiten, wie ausdrücklich in Art. 53 Abs. 2 der Verfassung
bestimmt ist. Dieser Grundsatz erfordert, dass die einschränkende
Maßnahme der Situation, die zu ihrer Einführung geführt
hat, entsprechen muss und die einschränkende Maßnahme
mit dem Wegfall ihres Anlasses beendet werden muss.
So entsprechen die Bestimmungen
des Artikels 911 der Strafprozessordnung in vollem Umfang den
Anforderungen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit,
sowohl hinsichtlich des Ausmaßes der einschränkenden
Maßnahme wie auch des Gebots der sofortigen Einstellung der
Maßnahme, sobald ihre Voraussetzungen entfallen.
Stattdessen sieht aber das Gesetz Nr. 298/2008 die kontinuierliche
Vorratsspeicherung von Daten vom Zeitpunkt seines Inkrafttretens an
(d.h. 20. Januar 2009 bzw. 15. März 2009 für die Verkehrs-
und Standortdaten bei Internet-Zugangsdiensten, Internet-E-Mail und
Internet-Telefonie) vor, ohne das Erfordernis der Beendigung der
Maßnahme mit dem Wegfall des Grundes, der zu ihrer Einführung
geführt hat, zu berücksichtigen. Der Eingriff in die freie
Rechtsausübung erfolgt hier kontinuierlich und unabhängig
vom Vorliegen rechtfertigender Gründe oder bestimmender Ursachen
für die Maßnahme, und dient nur dem Zweck der
Verhütung von schweren Straftaten oder ihrer Feststellung nach
deren Begehung.
Eine weitere ungerechtfertigte
Einschränkung des Rechts auf Privatsphäre liegt vor, weil
das Gesetz Nr. 298/2008 die Identifizierung nicht nur des Absenders
einer Nachricht über einen beliebigen Kommunikationsweg sondern
- wie sich aus dem Inhalt von Artikel 4 ergibt - auch des Empfängers
dieser Nachricht bewirkt. Der Angerufene wird einer
Vorratsspeicherung von Daten über seine Privatsphäre
ausgesetzt, ohne dass eine Handlung oder Willensäußerung
seinerseits vorläge, nur wegen des Verhaltens einer anderen
Person - des Anrufers -, dessen Handlungen er nicht kontrollieren
kann, um sich beispielsweise vor Böswilligkeit, Erpressung,
Belästigung usw. zu schützen. Obwohl er nur passives
Subjekt in der Kommunikationsbeziehung ist, kann der Angerufene
aufgrund der Beziehung zum Anrufer ungewollt zum Ziel staatlicher
Strafverfolgungsmaßnahmen werden. In dieser Hinsicht
erscheint der durch das Gesetz Nr. 298/2008 geregelte Eingriff
in die Privatsphäre des Einzelnen unverhältnismäßig.
Der Verfassungsgerichtshof betont,
dass die legale Nutzung unter den Bedingungen des Gesetzes Nr.
298/2008 nicht für sich genommen das Recht auf Privatsphäre
oder die Meinungsfreiheit auf eine nicht hinnehmbare Weise verletzt,
sondern vielmehr die fortwährende und allgemeine gesetzliche
Verpflichtung zur Vorratsspeicherung von Daten. Diese Maßnahme
betrifft alle Personen gleichermaßen, unabhängig
davon, ob sie eine strafbare Handlung begangen haben oder nicht, ob
gegen sie ein Strafverfahren geführt wird oder nicht, was die
Gefahr birgt, dass die Unschuldsvermutung ausgehebelt wird und
alle Nutzer elektronischer Kommunikationsdienste und
öffentlicher Kommunikationsnetze a priori in den Verdacht
der Begehung terroristischer oder sonstiger schwerer Straftaten
geraten. Doch obwohl das Gesetz Nr. 298/2008 strafprozessuale
Begriffe und Verfahren verwendet, hat es ein breites
Anwendungsspektrum - es bezieht sich praktisch auf alle natürlichen
und juristischen Personen als Benutzer öffentlich zugänglicher
Kommunikationsdienste und Kommunikationsnetze -, und kann deswegen
nicht als vereinbar angesehen werden mit den Bestimmungen der
Verfassung und der Europäischen Konvention zum Schutze
der Menschenrechte und Grundfreiheiten in Bezug auf das Recht auf Achtung der Privatsphäre, der Korrespondenz und der freien Meinungsäußerung.
Der Verfassungsgerichtshof stellt
fest, dass sich das Gesetz Nr. 298/2008 zwar überwiegend auf
Daten technischer Art bezieht, deren Vorratsspeicherung jedoch zum
Zweck der Information über einzelne Personen und deren
Privatsphäre erfolgt. Das Gesetz darf zwar gemäß
den Bestimmungen in Artikel 1 Abs. 3 nicht auf den Inhalt der
Nachricht oder der während der Nutzung eines elektronischen
Kommunikationsnetzes abgerufenen Informationen angewandt werden, die
anderen gespeicherten Daten jedoch, die der
Identifizierung des Anrufers und des Angerufenen, bzw. des Nutzers
und Empfängers einer elektronisch vermittelten Information,
der Quelle, der Bestimmung, des Datums, der Zeit und der Dauer der
Nachricht, der Art der Nachrichtenübermittlung, der vom Nutzer
eingesetzten Kommunikationsmittel oder Vorrichtungen, des Standortes
mobiler Endgeräte sowie andere "damit in Zusammenhang
stehende Daten" - die das Gesetz nicht definiert -, sind aufgrund ihrer Beschaffenheit zur Behinderung der freien
Ausübung des Rechts auf Kommunikation und Meinungsäußerung geeignet.
Die fortwährende Vorratsspeicherung dieser Daten bezüglich
jedes Nutzers eines öffentlich zugänglichen elektronischen
Kommunikationsdienstes oder öffentlicher Kommunikationsnetze,
von welcher die Anbieter unter der Strafandrohung des Artikels 18 des
Gesetzes Nr. 298/2008 nicht abweichen dürfen, reicht aus, um im
Bewusstsein der Menschen den berechtigten Verdacht eines möglichen
Missbrauchs ihrer Privatsphäre zu wecken. Die gesetzlichen Schutzvorkehrungen hinsichtlich der konkreten Verwendung der gespeicherten
Daten - der Ausschluss von Inhalten von der Speicherung, die
erforderliche vorherige begründete Genehmigung durch den
Vorsitzenden des für die Verhandlung im eingeleiteten
Strafverfahren zuständigen Gerichts gemäß
den Bestimmungen des Artikels 16 des Gesetzes und unter Anwendung der
in den Artikeln 18 und 19 des Gesetzes vorgesehenen Sanktionen - sind
weder ausreichend noch angemessen, um die Furcht vor einer
Verletzung der Persönlichkeitsrechte, etwa des Rechts auf
Privatsphäre, zu beseitigen und ihre Ausübung in
hinnehmbarer Weise zu gewährleisten.
Wie bereits ausgeführt,
stellt der Verfassungsgerichtshof den eigentlichen Grund nicht in
Abrede, der den Gesetzgeber zur Verabschiedung des Gesetzes Nr.
298/2008 geführt hat, wonach es unabdingbar ist, adäquate
und wirksame rechtliche Mittel für die Kontrolle und Bekämpfung
der Kriminalität zur Verfügung zu stellen, die der
kontinuierlichen Modernisierung und Entwicklung von
Kommunikationsmitteln Rechnung tragen. Gerade deshalb können
die Rechte des Einzelnen nicht ad absurdum ausgeübt
werden, sondern dürfen dem verfolgten Ziel entsprechenden
Einschränkungen unterliegen. Die Ausübung persönlicher
Rechte einzuschränken, um Rechte und Interessen der
Allgemeinheit im Hinblick auf die nationale Sicherheit, die
öffentliche Ordnung oder die Verhütung von Straftaten
zu wahren, ist schon immer eine sensible Angelegenheit gewesen, damit
ein ausgewogenes Gleichgewicht zwischen den Interessen und Rechten
des Einzelnen auf der einen Seite und den Interessen der
Gesellschaft auf der anderen Seite hergestellt werden kann.
Ebenso zutreffend ist, wie bereits der Europäische Gerichtshof
für Menschenrechte im Verfahren Klass und andere gegen
Deutschland, 1978 bemerkt hat, dass Eingriffsmaßnahmen
ohne ausreichende Garantien zur "Zerstörung der Demokratie
unter dem Vorwand ihrer Verteidigung" führen können.
Im Ergebnis, insbesondere in
Anbetracht des breiten Geltungsbereichs des Gesetzes Nr. 298/2008 in
Verbindung mit der dauerhaften Pflicht der Vorratsspeicherung von
Verkehrsdaten und Standortdaten von Einzelpersonen und Unternehmen
als Nutzer öffentlich zugänglicher elektronischer
Kommunikationsdienste und Kommunikationsnetze sowie anderer
"damit in Zusammenhang stehender Daten", die für
deren Identifikation erforderlich sind, befindet der
Verfassungsgerichtshof aus den oben angeführten Gründen das
untersuchte Gesetz insgesamt für verfassungswidrig, selbst
wenn der Erheber der Einrede sich speziell auf die Artikel 1 und 15
des Gesetzes beruft.
Aus den vorbezeichneten Gründen
und in Übereinstimmung mit Artikel 146 Buchstabe d) und Artikel
147 Absatz 4 der Verfassung und den Artikeln 1 und 3 sowie Artikel
11(1) Buchstabe A.d) sowie Artikel 29 des Gesetzes Nr. 47/1992,
ergeht im Wege der mehrheitlichen Abstimmung
von Seiten des
Verfassungsgerichtshofes
im Namen des Gesetzes folgende
Entscheidung:
Der vom Kommissariat für die
Zivilgesellschaft vor der Abteilung für Handelssachen des
Landgerichts Bukarest in dem Verfahren mit dem Az. 2971/3/2009 erhobenen
Einrede wird stattgegeben. Die Bestimmungen des Gesetzes Nr. 298/2008
über die Vorratsspeicherung von Daten, die bei der
Bereitstellung öffentlich zugänglicher elektronischer
Kommunikationsdienste oder öffentlicher Kommunikationsnetze
erzeugt oder verarbeitet werden, und zur Änderung des Gesetzes
Nr. 506/2004 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und
den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation
sind verfassungswidrig.
Unanfechtbar und allgemein
verbindlich.
Die Entscheidung ist beiden
Kammern des Parlaments sowie der Regierung mitzuteilen.
Verkündet in öffentlicher
Sitzung am 08.10.2009.
|