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Verfassungsgericht stellt Europarechtskonformität der Vorratsdatenspeicherung in Frage (15.1.2018) Print E-mail

 Das Bundesverfassungsgericht stellt in Frage, ob die verdachtslose Vorratsspeicherung sämtlicher Verbindungs- und Bewegungsdaten in Deutschland "mit den Anforderungen des europäischen Gerichtshofs ... vereinbar" ist. In einem erst jetzt bekannt gewordenen Hinweis vom 6. November[1] verweist das Gericht auf ein Urteil, mit dem der Europäische Gerichtshof (EuGH) 2016 schwedische und britische Gesetze zur verdachtslosen Vorratsdatenspeicherung verworfen hat. Der EuGH beanstandete schon damals die Sammlung der Verbindungs- und Standortdaten auch von Personen, "bei denen keinerlei Anhaltspunkt dafür besteht, dass ihr Verhalten in einem auch nur mittelbaren oder entfernten Zusammenhang mit schweren Straftaten stehen könnte."[2]

"Der Europäische Gerichtshof hat längst entschieden, dass die von der 'Großen Koalition' beschlossene wahllose Massenerfassung sämtlicher Kontakte und Bewegungen der gesamten Bevölkerung nicht mit den Grundrechten vereinbar ist", kommentiert Rena Tangens vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung. "Die zukünftige Koalition muss ihren sinnlosen Kampf gegen die Grundrechte aufgeben und das 2015 beschlossene Gesetz zur verdachtslosen Vorratsdatenspeicherung im Bundestag wieder aufheben. Der Zustand des Generalverdachts gegen die gesamte Bevölkerung ist unerträglich!"

Hintergrund: Auf Initiative von Digitalcourage und AK Vorrat hat der Berliner Rechtsanwalt Meinhard Starostik Ende 2016 für 23 Betroffene Verfassungsbeschwerde gegen die Vorratsdatenspeicherung eingereicht (Az. 1 BvR 2683/16).[3] Bundesjustizminister Maas soll bis März diesen Jahres zu dieser und weiteren Verfassungsbeschwerden Stellung nehmen.

Im Juni 2017 hat das Nordrhein-Westfälische Oberverwaltungsgericht das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung noch vor seinem Inkrafttreten als Verstoß gegen die EU-Grundrechtecharta bewertet und ausgesetzt.[4]

Zuletzt haben über 20 Bürgerrechts-, Journalisten-, Berufs- und Wirtschaftsverbände in einem Offenen Brief die Abschaffung des schwarz-roten Gesetzes gefordert.[5] In den Jamaika-Koalitionsverhandlungen hatte sich die Union zur Aufhebung der Vorratsdatenspeicherung bereit erklärt, bevor die Gespräche scheiterten.

Aus Sicht der im Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung zusammen geschlossenen Datenschützer, Bürgerrechtler und Internetnutzer ist eine verdachtsunabhängige und wahllose Vorratsspeicherung von Telekommunikationsdaten für viele Bereiche der Gesellschaft höchst schädlich: Sie beeinträchtigt vertrauliche Kommunikation in Bereichen, in denen Menschen auf Vertraulichkeit angewiesen sind (z.B. Kontakte zu Psychotherapeuten, Ärzten, Rechtsanwälten, Betriebsräten, Eheberatern, Kinderwunschzentren, Drogenmissbrauchsberatern und sonstigen Beratungsstellen) und gefährdet damit die körperliche und psychische Gesundheit von Menschen, die Hilfe benötigen, aber auch der Menschen aus ihrem Umfeld. Wenn Journalisten Informationen elektronisch nur noch über rückverfolgbare Kanäle entgegen nehmen können, gefährdet dies die Pressefreiheit und beeinträchtigt damit elementare Funktionsbedingungen einer freiheitlichen demokratischen Gesellschaft. Die verdachtsunabhängige und wahllose Vorratsdatenspeicherung schafft Risiken des Missbrauchs und des Verlusts vertraulicher Informationen über unsere persönlichen Kontakte, Bewegungen und Interessen. Telekommunikationsdaten sind außerdem besonders anfällig dafür, von Geheimdiensten ausgespäht zu werden und Unschuldige ungerechtfertigt strafrechtlichen Ermittlungen auszusetzen.

Häufige Argumente der Befürworter widerlegt

 
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