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[Blog] Polizeizahlen zur Vorratsdatenspeicherung falsch (13.03.2012) Drucken E-Mail

Anfang 2012 meldete das niedersächsische Landeskriminalamt, 1.000 Straftaten seien "ohne Vorratsdaten nicht aufgeklärt" worden. Eine Nachfrage zeigt nun jedoch, dass sich der behauptete Zusammenhang mit dem Ende der verdachtslosen Vorratsdatenspeicherung nicht herstellen lässt.

Ähnlich dem Bundeskriminalamt führt auch das Landeskriminalamt Niedersachsen auf Veranlassung des CDU-Hardliners und Innenministers Schünemann eine Statistik zu Verkehrsdatenabfragen durch Strafverfolgungsbehörden. Zuletzt Anfang 2012 meldete das Landeskriminalamt der Presse, 1.000 Straftaten seien "ohne Vorratsdaten nicht aufgeklärt" worden.

Wir haben schon 2010 ausführlich auseinandergesetzt, weshalb Polizeistatistiken über Verkehrsdatenabfragen keinen Rückschluss auf die Tauglichkeit und Erforderlichkeit einer Vorratsdatenspeicherung erlauben. Da Kriminalämter und Innenministerien gleichwohl immer wieder solche Statistiken als vermeintlichen Beweis der Erforderlichkeit einer Vorratsdatenspeicherung präsentieren, habe ich Anfang des Jahres acht Nachfragen zu der niedersächsischen Statistik an das dortige Landeskriminalamt gerichtet.

Beispielsweise fragte ich, inwieweit erfolglose Ermittlungen auf Verzögerungen seitens der Polizei beruhten. Weiter habe ich gefragt, ob die Situation in den Jahren 2007-2009 (mit Vorratsdatenspeicherung) anders war als gegenwärtig; bislang fehlen Vergleichsdaten.

Die erste Reaktion des Landeskriminalamts auf meine Fragen war das folgende an den Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung gerichtete Schreiben (Auszug):

"am 09.01.2012 ist im LKA Niedersachsen ein auf den 04.01.2012 datiertes Schreiben eingegangen, welches durch einen [...] unterzeichnet wurde. Vorgeblich schreibt [...] als Mitglied des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung. Das Schreiben unterscheidet sich wesentlich von bisherigen Zusendungen. So wurde beispielsweise kein Kopfbogen verwandt, keine Absende- bzw. Rücksendeanschrift angegeben und als Antwortmöglichkeiten werden lediglich eine Fax-Nummer ([...]) bzw.eine E-Mail-Anschrift ([...]) aufgeführt.

Aufgrund dieser Umstände bitte ich um Bestätigung, ob es bei Ihnen ein Mitglied mit dem Namen [...] gibt und inwiefern er autorisiert ist im Namen des Arbeitskreises entsprechende Anfragen zu verfassen bzw. als Privatperson handelt."

Ich habe selbst geantwortet:

"gerne bestätige ich Ihnen, dass es bei dem AK Vorrat ein Mitglied meines Namens gibt und ich autorisiert bin, im Namen des Arbeitskreises entsprechende Anfragen zu verfassen. Ihre Antwort können Sie - wie bereits in dem Schreiben aufgeführt - an die Fax-Nummer [...] bzw. die E-Mail-Anschrift [...] senden."

Mit dieser Selbstautorisierung waren die Beamte offenbar zufrieden. Am 20.02.2012 erhielten wir dann ein Schreiben, in dem es heißt (Auszug):

"Von den inzwischen gut 1.300 Vorgängen konnten in Ermangelung vorhandener Verkehrsdaten aus dem Bereich der Telekommunikation etwa 1.100 nicht aufgeklärt werden, wobei in weniger als 100 Fällen eine Speicherungsdauer von mehr als 6 Monaten erforderlich gewesen wäre. Die verbleibenden konnten nur unvollständig bzw. zu einem späteren Zeitpunkt aufgeklärt werden oder deren Aufklärung war wesentlich erschwert.

In mehr als 80% der Fälle ging es um Internet-basierte Verkehrsdaten."

Leider blieben damit sieben meiner acht Fragen unbeantwortet. Unbeantwortet bleibt etwa die Frage, wieviele Ermittlungsverfahren trotz vorhandener Daten eingestellt worden sind. Tatsächlich werden laut Max-Planck-Institut 72 Prozent der Ermittlungsverfahren mit erfolgreicher Verkehrsdatenabfrage (aus anderen Gründen) eingestellt, so dass eine Vorratsdatenspeicherung von vornherein zu keinem anderen Ergebnis führen kann.

Auch inwieweit erfolglose Ermittlungen auf Verzögerungen seitens des Landeskriminalamts bei der Anforderung von Verbindungsdaten beruhten, ist dem Amt nicht bekannt. Sämtliche Nachfragen quittierte das Landeskriminalamt zuletzt mit den Worten:

"Die von Ihnen aufgeführten Fragestellungen lassen sich nicht bzw. nur mit unverhältnismäßigem Aufwand beantworten, insofern sehe ich von einer Beantwortung ab."

Die Beamte können nicht einmal sagen, ob zu Zeiten der Vorratsdatenspeicherung weniger Straftaten unaufgeklärt blieben als nach deren Ende. Damit ist die polizeiliche Abfragestatistik vollends ohne Aussagekraft, was den angeblichen Zusammenhang zum Ende der Vorratsdatenspeicherung angeht.

Dass mehr Daten mehr Verurteilungen von Straftätern bedeuteten, wird oft zu Unrecht unterstellt, weil es auf den ersten Blick naheliegend erscheint. Tatsächlich ist die Aufklärungsquote in den Jahren nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Vorratsdatenspeicherung aber gesunken. Die These "Mehr Daten = Mehr Sicherheit" hat empirischen Überprüfungen nicht standgehalten. Glücklicherweise existiert mit der Vorratsdaten-Studie des Max-Planck-Instituts eine aussagekräftige Vergleichsuntersuchung.

Das Max-Planck-Institut arbeitet schon an der nächsten wissenschaftlichen Untersuchung: In drei Bundesländern sind alle erledigten Verfahren auf den möglichen Nutzen eines Zugriffs auf Telekommunikationsdaten untersucht worden. Auf das Ergebnis darf man gespannt sein.

Blog-Beitrag von Patrick - Der Beitrag gibt die persönliche Meinung des Autors wieder.

 
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