Menu Content/Inhalt

Suche

Zitat

Newsfeeds

Wir speichern nicht - Weitere Informationen hier...

BKA-Lobbying für Vorratsdatenspeicherung substanzlos (05.05.2010) Drucken E-Mail

Uns liegt nun der immer wieder zitierte Bericht des Bundeskriminalamts zu den angeblichen Konsequenzen des Endes des Vorratsdatenspeicherung vor.

Bemerkenswert:

  • Schon das erste Fallbeispiel belegt, wie eine Straftat durch eine Fangschaltung ("Quick Freeze") auch ohne Vorratsdatenspeicherung aufgeklärt werden konnte.
  • Das zweite Fallbeispiel erschöpft sich in der bloßen Behauptung, Straftaten hätten ohne Vorratsdatenspeicherung nicht aufgeklärt werden können. Weil aber die Aufklärungsrate ohne Vorratsdatenspeicherung ebenso hoch war, ist davon auszugehen, dass eine anderweitige Aufklärung möglich gewesen wäre.
  • Die immer wieder genannte Zahl des Bundeskriminalamts, ohne Zugriff auf Daten von Diensteanbietern wären 2008 in ca. 80% der 38.000 Ermittlungsverfahren im Bereich von Informationstechnologie und Kommunikationsnetzen keine Ermittlungsansätze vorhanden gewesen, entpuppt sich als "Schätzung" des BKA ohne jegliche greifbare Grundlage. Das Bundeskriminalamt bezieht seine Schätzung auch nicht auf das Fehlen von Vorratsdaten, sondern auf die Möglichkeit des Zugriffs auf Kommunikationsdaten allgemein, die auch ohne Vorratsdatenspeicherung besteht. In dem vom BKA genannten Jahr 2008 galt im Internetbereich keine Pflicht zur Vorratsdatenspeicherung. Sowohl 2007 wie auch 2008 wurden etwa 80% der bekannt gewordenen Verdachtsfälle von Internetdelikten aufgeklärt - ganz ohne Vorratsdaten. Das belegt, dass schon die ohne Vorratsdatenspeicherung vorhandenen, gegebenenfalls im Verdachtsfall zusätzlich erhobenen Kommunikationsdaten eine wirksame Verfolgung von IuK-Delikten gesichert haben und sichern. In Bundesländern, die schon die Zahlen für 2009 vorgelegt haben, hat das Inkrafttreten der Vorratsdatenspeicherung die Aufklärungsrate bei Internetdelikten nicht nennenswert erhöht.
Anschließend zählt das Bundeskriminalamt diverse Einzelbeispiele auf, die schon die Bundesregierung gegenüber dem Bundesverfassungsgericht genannt hatte. Warum sich aus diesen Einzelbeispielen kein Bedarf nach einer Vorratsdatenspeicherung ergibt, hatten wir schon damals auseinandergesetzt:

"3. In den meisten der von der Bundesregierung genannten Fälle ist nicht dargetan, dass Vorratsdaten zur Identifizierung und Überführung des Täters erforderlich gewesen wären und nicht die Nutzung ohnehin gespeicherter Abrechnungsdaten, eine Fangschaltung oder eine Speicheranordnung im Einzelfall ausgereicht hätten.

4. In den meisten der übrigen von der Bundesregierung genannten Fälle ist nicht dargetan, dass die gewünschten Vorratsdaten die Identifizierung und Überführung des Täters ermöglichen würden oder ermöglicht hätten. Die Bundesregierung lässt außer Acht, dass Verkehrsdaten in vielen Fällen nicht zur Identifizierung oder Überführung des Täters führen, etwa wegen der Vielzahl von Verschleierungs- und Anonymisierungsmöglichkeiten.

5. Die Bundesregierung hat nicht dargetan, ob und in wie vielen der Fälle Vorratsdaten einen Einfluss auf den Verfahrensausgang gehabt hätten. Viele Strafverfahren werden auch bei vorhandenen Verkehrsdaten eingestellt, wie die Untersuchung des Max-Planck-Instituts zeigt.

6. Die verbleibenden der von der Bundesregierung angeführten Beispielsfälle wären auch bei Begehung der Straftat durch unmittelbare oder schriftliche Kommunikation nicht nachvollziehbar gewesen.

7. Das Aufklärungsinteresse, welches sich aus den angeführten Einzelfällen ergibt, besteht unverhältnismäßig selten gemessen an der Reichweite und Eingriffstiefe der flächendeckenden und anlasslosen Vorratsdatenspeicherung.

Die von der Bundesregierung angeführten Fälle mittels Telekommunikation begangener Straftaten lassen sich zweckmäßigerweise in zwei Fallgruppen unterscheiden: In der ersten Fallgruppe nutzt der Täter elektronische Kommunikationsmedien, um seine Identität zu verbergen oder darüber zu täuschen (z.B. Stalking, Beleidigung/Verleumdung, Bedrohung, Betrug, Vortäuschen einer Straftat, Phishing). In der zweiten Fallgruppe nutzt der Täter die Telekommunikation, um verbotene Informationen einverständlich mit einem anderen auszutauschen (z.B. Kinderpornografie, Volksverhetzung, Werben für terroristische Vereinigung, Verletzung des Dienstgeheimnisses). Dass sich Telekommunikationsnetze zu diesen Zwecken einsetzen lassen, ist unbestreitbar. Es ist aber schon ausführlich aufgezeigt worden, dass man auch im unmittelbaren Kontakt miteinander weitgehend anonym ist und dass ein konspirativer Informationsaustausch auch im unmittelbaren Kontakt miteinander möglich ist (z.B. Gespräche, Übergabe von Aufzeichnungen oder Datenträgern). Erst recht gilt dies für die Möglichkeit postalischer Kommunikation. Eine einmalige Kontaktaufnahme mit Unbekannten lässt sich in all diesen Fällen nur schwer nachvollziehen; es handelt sich um keine Besonderheit der elektronischen Kommunikation. Im Fall wiederholter Kontaktaufnahme ist eine Rückverfolgung im Bereich elektronischer Kommunikation durch die Möglichkeit einer Fangschaltung sogar einfacher möglich als eine Rückverfolgung anonymer Briefe. [...]

Was das Argument der Terrorismusbekämpfung oder des Vorgehens gegen schwere Straftaten angeht, so ist nicht ersichtlich, dass wirksame Gefahrenabwehr oder die Aufklärung von Straftaten gerade durch die Vorratsdatenspeicherung hätte ermöglicht werden können. Wesentliche Aufklärungserfolge – etwa nach dem Attentat von Madrid – wurden gerade ohne die Vorratsdatenspeicherung erzielt.

Die schon vor Einführung der Vorratsdatenspeicherung weit überdurchschnittliche Aufklärungsrate im Bereich von Netzkriminalität belegt, dass sich elektronische Kommunikation insgesamt gesehen leichter nachvollziehen lässt als mündliche oder schriftliche Kommunikation. Einer anlasslosen Aufzeichnung sämtlicher Kontakte bedarf es folglich im Bereich elektronischer Kommunikation ebenso wenig wie im Bereich mündlicher oder schriftlicher Kommunikation."

Siehe auch: Vorratsdatenspeicherung: Nützlichkeit ist nicht gleich Sicherheit! (05.03.2010)

Ergänzung vom 02.06.2010:

Verfügbar ist jetzt auch ein Argumentationspapier vom 24.03.2010, welches das Bundeskriminalamt für einen Bundestagsabgeordneten erstellt hat. Darin argumentiert das Bundeskriminalamt, wie es sich die Ausgestaltung einer wieder eingeführten Vorratsdatenspeicherung wünscht.

 
< zurück   weiter >