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Vorratsdatenspeicherung vor dem Europäischen Gerichtshof (09.05.2010) Drucken E-Mail

Nur Monate, nachdem die Verfassungsgerichte Rumäniens und Deutschlands die nationalen Gesetze zur Vorratsdatenspeicherung für nichtig erklärt haben, wird nun auch die entsprechende EU-Richtlinie gerichtlich überprüft: Der irische High Court in Dublin entschied diese Woche, dem Europäischen Gerichtshof die Frage vorzulegen, ob die EU-Richtlinie zur Speicherung aller Verbindungsdaten gegen die Ende 2009 in Kraft getretene EU-Grundrechtecharta verstößt und unwirksam ist. "Es ist klar, dass Überwachungsmaßnahmen gerechtfertigt sein müssen und in der Regel gezielt erfolgen sollten", heißt es in dem jetzt veröffentlichten Urteil vom 05.05.2010.[1] Die Vorratsdatenspeicherung sei potenziell "für die gesamte Ausrichtung unserer Gesellschaft von Bedeutung". Die klagende Bürgerrechtsorganisation Digital Rights Ireland dürfe überprüfen lassen, "ob die angefochtenen Bestimmungen die Bürgerrechte auf Privatsphäre und Telekommunikation verletzen".

"Um eine Niederlage vor dem Europäischen Gerichtshof zu verhindern, muss die Europäische Kommission jetzt handeln und eine schnelle Änderung der grundrechtswidrigen Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung vorantreiben", fordert Sandra Mamitzsch vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung. "Der 2006 beschlossene EU-weite Zwang zur Einführung einer Vorratsdatenspeicherung ist überholt und muss aufgehoben werden. Eine Vorratsdatenspeicherung hat sich in vielen Staaten in und außerhalb Europas als überflüssig, schädlich oder sogar verfassungswidrig erwiesen, so in Deutschland, Österreich, Belgien, Griechenland, Rumänien, Schweden und Kanada. Diese Staaten verfolgen Straftaten ebenso effektiv mit gezielteren Verfahren, die keine Protokollierung des Kommunikationsverhaltens der gesamten Bevölkerung erfordern."

"Solange der Europäische Gerichtshof nicht die Wirksamkeit der Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung überprüft hat, darf die Bundesregierung keinesfalls unter Berufung auf diese Richtlinie wieder eine verdachtslose Speicherung aller Verbindungsdaten einführen", warnt Patrick Breyer vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung. "Die Bundesjustizministerin muss der EU-Kommission jetzt mitteilen, dass Deutschland von seinem Recht Gebrauch macht, die EU-Richtlinie aus wichtigen Gründen nicht umzusetzen (Artikel 114 (4) AEU-Vertrag). Ich erwarte, dass die verdachtslose Verbindungsdatenspeicherung wie schon in Rumänien und Deutschland auch von dem Europäischen Gerichtshof für grundrechtswidrig erklärt werden wird. Frau Leutheusser-Schnarrenberger muss sich deswegen jetzt dafür stark machen, dass die EU-Vorgaben flexibler gestaltet werden und damit intelligentere und effektivere Alternativen als eine ungezielte Datenanhäufung zulassen."

Hintergrund:

Eine EU-Richtlinie aus dem Jahr 2006 verlangt von jedem EU-Mitgliedsstaat, Telefon- und Internetanbieter zu verpflichten, Informationen über sämtliche Verbindungen ihrer Kunden aufzuzeichnen. Im September 2009 entschied der Verfassungsgerichtshof Rumäniens, dass eine solche allgemeine Vorratsdatenspeicherung gegen das "Recht auf Achtung der Privatsphäre, der Kor­respondenz und der freien Meinungsäußerung" verstoße.[2] Am 2. März 2010 hat das Bundesverfassungsgericht auf die Beschwerden von über 34.000 Bürgerinnen und Bürgern die deutschen Vorschriften zur Vorratsspeicherung aller Verbindungsdaten für verfassungswidrig und nichtig erklärt.

Die EU-Kommission prüft derzeit eine Änderung der EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung.[3] Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) als Vertreterin Deutschlands im EU-Rat hat sich bislang noch nicht klar für ein Ende des EU-Speicherzwangs eingesetzt.[4] Am 19. April forderten sie über 40 Organisationen und Verbände in einem gemeinsamen Brief auf, "sich auf europäischer Ebene klar für eine Abschaffung der EU-Mindestvorgaben zur Vorratsdatenspeicherung einzusetzen".[5] Der FDP-Bundesparteitag beschloss am 25. April auf Antrag unter anderem der Bundesjustizministerin, es dürfe "nicht vom Grundsatz abgerückt werden, der für den Rechtsstaat konstitutiv ist, dass mit staatlicher Überwachung und Verfolgung nur derjenige rechnen muss, gegen den ein Verdacht vorliegt. Eine anlasslose Überwachung aller Bürgerinnen und Bürger unabhängig von einem Verdacht wie durch die Vorratsdatenspeicherung widerspricht diesem Grundsatz. Die FDP setzt sich daher dafür ein, dass die Ermittlungsbehörden personell und sächlich besser ausgestattet werden".[6]

 
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